Jahresrückblick 2012 - Filmmusik
Ein aufregendes Jahr war das und auch eines, in dem man als Sammler und leidenschaftlicher Filmmusikhörer tief in die Tasche greifen musste. Die Veröffentlichungs"wut" der Labels war auch 2012 ungebrochen. Man musste sehr aufmerksam die Vorankündigungen lesen und die einzelnen Tracks Probe hören, um sich eine Orientierung zu verschaffen. Ein unglaubliche Menge an neuen CDs wurde auf den Markt geworfen, in den meisten Fällen in limitierter Anzahl, häufig nur 1000 - 3000 Exemplare weltweit, so dass nicht viel Zeit zum nachdenken blieb. Eine Wahl zu treffen wurde angesichts der teilweise qualitativ hochwertigen Musiken immer schwerer, abgesehen davon, dass man auch Zeit mitbringen musste, um die Musik in Gänze auch zu hören.
Wagen wir einen Blick zurück in das Jahr 2012. Die folgende Auflistung entspricht nicht der Vollständigkeit, viele der gehörten Filmmusiken konnte ich schlicht aus zeitlichen Gründen nicht auf diesem Blog erwähnen, dafür war der Veröffentlichungsrhythmus zu schnell.
Nostalgie war angesagt und Ludovic Bource lieferte gleich zu Jahresbeginn eine der stärksten Kompositionen mit seiner Musik zu dem Stummfilm 'The Artist'. Ein gewagtes aber schlussendlich gelungenes und hörenswertes Experiment:
Gute und hörenswerte zeitgenössische Filmmusik muss man lange suchen und umso erfreulicher war es, dass Michael Giacchino mit hörenswerten Scores immer wieder zeigte, dass orchestrale Filmmusik nach wie vor en vogue ist. Einer der wenigen Komponisten der Neuzeit (mit Abstrichen) bei dem es sich lohnt, in seine neuen Werke hineinzuschnuppern. Bestes Beispiel sein Action-Scoring zu dem IV. Teil der Mission Impossible Reihe:
Maestro Williams meldete sich wieder, mit seiner Vetonung der Bilder zu Steven Spielbergs leidlich geglücktem Epos 'War Horse'. Was soll man zu John Williams noch gross schreiben? Viele hatten auf den grossen Wurf des berühmten Komponisten gewartet und zeigten sich enttäuscht. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich halte die Musik für grossartig, zumal Lichtjahre entfernt von dem, was in der heutigen Zeit sonst noch zu hören ist:
http://www.lomax-deckard.de/article-war-horse-john-williams-96530003.html
Sehr willkommen war die Musik eines Leonard Rosenman zu dem Star Trek Franchise, insbesondere, da sich seine Komposition zu Star Trek IV wohltuend von den übrigen unterscheidet:
http://www.lomax-deckard.de/article-star-trek-iv-leonard-rosenman-98073605.html
Persönlich war 2012 auch ein Jahr der Neuentdeckungen, insbesondere eines Gill Mellé. Ein höchst interessanter und vielseitig begabter Komponist und Musiker. Sein Score zu dem Charles Bronson Streifen Borderline war einer der interessantesten und in seiner Form neuartigsten Filmmusiken, die ich 2012 hören durfte und das auch in einem exzellenten Sound:
2012 war auch das Jahr eines Henry Mancini, einer der talentiertesten Komponisten Hollywoods, der die einmalige Gabe hatte mit seiner Musik alle Menschen zu erreichen. Umwerfend seine Gabe für Melodien. Umso erfreulicher die Vielzahl der Veröffentlichungen. Warum "Hankman" ein Meister in seinem Fach war können Sie u.a. hier nachlesen:
Dass Filmmusik nicht immer auf orchestralem Grund überzeugen muss, bewies in seiner Karriere immer wieder Dave Grusin, der sehr elegant Jazz, Groove und Pop-Elemente mit Sinfonik zu verbinden wusste. Ein Beispiel für diese Kunst war die Musik zu dem Sydney Pollack Film 'Die Drei Tage des Condor' in Verbund mit der Musik zu dem Robert Mitchum Film 'The Friends Of Eddie Coyle'. Nebenbei muss an dieser Stelle vermerkt werden, dass die vielen CD-Erscheinungen dieser Art immer wieder dazu anregten, sich Filme aus vergangenen Jahrzehnten anzusehen.
Unveröffentlichte Filmmusiken: Ein grosses Thema in 2012. Immer wieder wurden Kompostionen in der Geschichte Hollywoods von Produzenten aus diversen Gründen abgelehnt. Wer sich in diese Materie vertiefen möchte: Es ist dieses Jahr gute Literatur zu dem Thema erschienen. Filmmusik-Hörer und Cineasten erfreut es natürlich, wenn diese 'Unused Scores' ihren Weg auf die CD finden, wie z.B. im Falle eines Jerry Goldsmith, dessen Musik man zum dem Thriller '2 Days In The Valley' in einer exzellenten Produktion bestaunen durfte. Grossartige Musik:
Eine Überrachung und in der Welt der Filmmusik scheinbar untergangen: Die Komposition des Briten indischstämmiger Herkunft Nitin Sawhney zu dem Alfred Hitchcock Stummfilm 'Der Mieter', die in London im Barbican Live uraufgeführt wurde. Überraschend deswegen, da Sawhney eher auf dem Gebiet der elektronischen Musik umtriebig war. Der Film von Htichcock ist übrigens absolut sehenswert.
Ein weiteres kleines Juwel, aus meiner Sicht, war die Erscheinung des unused Scores von John Coriagliano zu dem Martin Campbell Film 'Edge Of Darkness' mit Mel Gibson in der Hauptrolle. Wer sich leidenschaftlich für Filmmusik interessiert, wird grossen Gefallen an dieser Musik finden, auch ohne den Film zu kennen:
http://www.lomax-deckard.de/article-music-from-the-edge-john-corigliano-109868825.html
2012 war auch das Jahr eines Jubiläums: James Bond. Grund genug sich den Filmmusiken zu widmen ohne Beteiligung eines John Barry. Das Wiedersehen, bzw. "Wiederhören" mit George Martin und Marvin Hamlisch war in dieser Beziehung geprägt von Euphorie, Spass an der Filmmusik und auch einer grossen Portion Nostalgie:
http://www.lomax-deckard.de/article-live-and-let-die-george-martin-112807414.html
2012 war auch das Jahr eines Maurice Jarre, der nicht nur Musiken für die Filme eines David Lean schrieb. Fast alle Labels brachten neue oder Wiederveröffentlichungen und Neueinspielungen auf den Markt, u.a. zu Tai Pan, Enemy Mine, Island At The Top Of The World, Topaz u.v.m. Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang auch die Neueinspielungen von Tadlow Music:
And last but not least: Lalo Schifrin. Sein eigenes Label lieferte Ende dieses Jahres eine Box mit vielen seiner Filmmusiken und Kompositionen für den Konzertsaal. Ein Fundgrube an Melodien und schöner Musik, sowie seitens des Preises angesichts dieses Umfangs unschlagbar. Die Box sei nochmals all denen empfohlen, die sich in diese Musikgattung hineinhören wollen:
http://www.lomax-deckard.de/article-lalo-schifrin-my-life-in-music-112696663.html
Wahrscheinlich habe ich noch 50 weitere Scores vergessen, die Zeit und der Umfang geben es aber nicht her. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Seiten.
Dass Filmmusik längst kein Nischendasein mehr führt, beweisen die vielen Konzerte dieses Jahr, u.a. in Köln, Hamburg, Teneriffa, Ghent, Wien, Braunschweig etc.. Wer sich einen Eindruck davon machen will, wie diese Musik live klingt, dem empfehle ich zwigend eines der vielen Konzerte, auch 2013. Diese Musik live zu erleben ist ein wirkliches Ereignis.
2012 war persönlich ein Jahr der Wiederentdeckung der Film- aber auch klassischen Musik und ich freue mich auf die vielen neuen und unentdeckten Veröffentlichungen im nächsten Jahr.
Ein schönes Hobby!
Vom Dirgentenpult,
Rick Deckard