James Bond 007: Der Spion, der mich liebte (The Spy who loved me) - Marvin Hamlisch

von Rick Deckard  -  15. Oktober 2012, 20:48  -  #Orchestrale Musik

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Der vor kurzem am 06. August 2012 verstorbene Komponist Marvin Hamlisch schrieb einen der schönsten Songs und zugleich eine der ungewöhnlichsten Filmmusiken für einen Bond Film.

1977 kam der Franchise mit "Der Spion, der mich liebte" in Fahrt und Roger Moore genoss die folgenden Jahre eine grosse Popularität. Die Befürworter von Ur-Bond Sean Connery fingen langsam an, sich an den laxen, selbstironischen und dandyhaften Stil von Moore zu gewöhnen.

Ein wesentlicher Grund war der von Regisseur Lewis Gilbert gedrehte Film, der als bislang einziger Bond Film für 3 Oscars nominiert wurde, u.a. für die Filmmusik und den Song. Zudem trat mit dem "Beisser" einer der populärsten Widersacher des Geheimdienstagenten auf die Leinwand. Der Zuspruch war so gross, dass Richard Kiel in dem folgenden "Moonraker" einen neuerlichen Auftritt hatte. Die Produzenten führten die Tradition fort einen Deutschen als Bösewicht zu besetzen. In diesem Fall war es der grossartige Curd Jürgens, der einen größenwahnsinnigen Reeder namens Karl Stromberg spielt. Allerlei Gadgets, aber auch der Lotus Esprit und erstklassige Action-Sequenzen machen den Thriller auch heute noch sehenswert, v.a. der nach wie vor spektakuläre Stunt am Ende der Pre-Title-Sequence.

Der von Carly Simon grossartig gesungene Titelsong (Text: Carole Bayer Sager) ist definitiv einer der schönsten Titel aus dem Bond Universum und bescherte der Sängerin viel Aufmerksamkeit, was neben ihrer Stimme auch der zartbitter-melancholischen Komposition von Hamlisch geschuldet war. Die instrumentale Musik selbst zollt dem Geschmack und der Aura der ausgehenden 70'er Jahre ihren Tribut, angelehnt an den Disco-Stil mit Groove und Funk. Bestes Beispiel der folgende Track "Bond 77" mit seinem treibenden Rhythmus und den Gitarren, immer wieder das klassische 4 Noten Motiv betonend, dazu Bläser und Streicher: Ganz grosses PoP-Scoring!

"Ride To Atlantis" nimmt das Tempo wieder heraus und beschreibt die Reise auf dem Wasser zu Strombergs alternativer Wasserwelt. Das Stück erinnert in einigen Momenten an den Stil eines Burt Bacharach mit viel Sixties Flair. Nach so langer Zeit wieder gehört, bin ich äusserst begeistert über den Stil eines Marvin Hamlisch: extrem lässig, hoch melodisch und mit viel Charme - was für infektiöse Musik! "Mojave Club" versprüht orientalisches Lokalkolorit mit entsprechenden Rhythmen gepaart mit PoP-Musik; man meint ein elektrisches Klavier oder ein Fender Rhodes zu hören. Skurril!

Das folgende Instrumental "Nobody Does It Better" ist zeitlos schön: Das Klavier leitet das Thema ein, Streicher im Hintergrund schwelgen, eine elektrische Gitarre und ein Saxophon übernehmen wechselweise die Melodie bis das Klavier wieder übernimmt: Lasziv, verführerisch und romantisch.

"Anya" beginnt mit einem gänzlich neuen Thema gespielt von einer Querflöte und später einem Holzblasinstrument, begleitet von Streichern. Eine entrückte (sehr schöne) Melodie mit viel Ernsthaftigkeit und so gar nicht in den Gesamtkontext der Musik "passend". Das Stück leitet über zu dem martialisch-brachial klingenden und bedrohlich wirkenden "The Tanker". Hamlisch betont deutlich das dramatische Element mit der von dem Tanker ausgehenden Gefahr. Merkwürdigerweise klingt die Musik in Teilen medieval und wie eine Mixtur angelsächsischer musikalischer Idiome.

"The Pyramids" ist zu Beginn majestätisch erhaben, später wechseln die Stimmungen und Klangfarben, je nach dem, was gerade auf der Leinwand passiert, bis das Stück plötzlich in "Eastern Lights" übergeht, einem obskur klingenden Stück, welches man als Hintergrundmusik in einem Restaurant erwarten würde. Folkloristische Töne werden hier und dort unterbrochen von PoP & Funk mit Streichern ala Easy Listening. Sagenhaft! Der Track geht nahtlos über in 'The Conclusion" einem Stück voller Dramatik mit biblisch anmutenden Chorstimmen. Die "End Titles" beenden die 36 minütige Vorstellung mit einer orchestralen Version des Titelsongs, vorgetragen von einem Saxophon bis Carly Simon den Track beendet.

Die Filmmusik zu dem James Bond Thriller "The Spy Who Loved Me" ist eine Wiederentdeckung wert. Nicht nur komponierte Hamlisch einen der schönsten Titelsongs, sondern auch eine äusserst unterhaltsame, zum Teilen skurrile und eigentümliche Komposition, die auf der hier vorliegenden Zusammenstellung etwas inkohärent wirkt. Hamlisch geht mit der Monty Norman Melodie und dem klassischen 4 Noten Thema sehr sparsam um und erschafft somit auch eine sehr eigenständige Filmmusik. Es bleibt sehr zu wünschen, dass bei dem seit längerem grassierenden Wiederveröffentlichungswahn solche Kompositionen nicht vergessen werden und man den Musiker mit einer vollständigen Fassung der Filmmusik würdigt.

In Gedenken an Marvin Hamlisch.

Rick Deckard

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