In Gedenken an Michel Legrand

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  21. Februar 2019, 18:34  -  #Orchestrale Musik

Bildquelle: FACTMagazine

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Die Fähigkeit Melodien zu komponieren ist eine seltene Gabe.

In meiner langen persönlichen Beschäftigung mit Musik habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Komponisten, denen es gelingt eine Melodie zu schreiben, mich am intensivsten berührt haben. Seien es Beethoven oder Prokofjew, Mozart oder Bach, Herbie Hancock oder Lennon & McCartney, John Williams oder Michel Legrand. Mich beeindruckt die Gabe, Töne so in eine bestimmte Reihenfolge zu setzen, dass das Spielen dieser Töne Gehirnregionen anzusprechen vermag, die für die Lustempfindung zuständig sind. Unglaublich.

Das erste Mal, dass Monsieur Legrand meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermochte, gleichermaßen die Initialzündung, war Frank Sinatra geschuldet, einen Sänger, den ich bis heute verehre. Als ich Watch What Happens in Sinatras Interpretation hörte, war ich zutiefst beeindruckt von Legrands Talent. Was für eine Melodie, was für ein Song!

Der Initiator dieses Blogs, wenn man so will der geistige Blogfather, Martin Scorsese, schrieb einmal in einem bewegenden Essay, wie Künstler von Generation zu Generation sich die Hände reichen und Kunst und Musik weitergeben, verändern und am Ende durch das Ineinandergreifen von Kultur und Ideen neues entsteht. Kompagnon Alan Lomax hatte diesen wunderbaren Text in einer früheren Version unseres Blogs zur Verfügung gestellt.

Was hat das mit Michel Legrand zu tun?

Dieser grossartige Komponist hat so schöne Songs und Melodien geschrieben, dass sie nicht nur von Sängern interpretiert, sondern auch von Musikern verschiedenster Genres gespielt wurden. Diese Fähigkeit Legrands Musiker verschiedener Stilrichtungen für seine Musik begeistern zu können war und bleibt nahezu einmalig.

Neben Sinatra verehre ich einen weiteren Musiker wie keinen zweiten: Bill Evans (der Pianist und Jazz Musiker). Evans introvertiertes Spiel, sein gefühlvoller Anschlag und sein bisweilen impressionistischer Stil haben mich in meiner Jazz Sozialisation geprägt. Doch das lag zu Beginn nicht nur an Evans selbst, sondern an einer Komposition von Legrand mit der sensationellen Frage im Titel:

What are you doing the rest of your life?

Wenn sie verstehen wollen, was ich mit Gabe zum Melodie schreiben meine, dann kaufen Sie sich bitte die LP From Left To Right von Bill Evans. Auf ihm spielt Evans wechselweise auf einem Fender Rhodes und einem klassischen Klavier und die Platte beginnt mit dem o.g. Song. Die zarte Melancholie, die verschwenderische Romantik, diese betörende Melodie.

Ein Song für die Ewigkeit!

Anhand dieser beiden Beispiele sehen sie bereits die stilistischen Möglichkeiten der Darbietung in den Kompositionen von Legrand. Populäre Musik und Jazz. Beide Gattungen für sich allein genommen schwer genug um in ihnen lange bestehen zu können. Doch Michel Legrand war ein Mann mit unglaublich vielen Talenten und auch in dem Genre der Filmmusik äusserst erfolgreich.

Erst spät wurde ich auf einen Film des Franzosen Jaques Demy aufmerksam, in dem Catherine Deneuve und Nino Castelnuovo die Hauptrollen spielen. Ein Film, in dem die Dialoge gesungen werden und zu dem Legrand die Musik schrieb: Die Regenschirme von Cherbourg. Ein herrlich sentimentaler und romantischer Film, der durch die Filmmusik von Legrand besticht. Für mich ein Meisterwerk.

Legrand arbeitete mit Norman Jewison für seinen Sixties Klassiker The Thomas Crown Affair zusammen, komponierte die Musik zum Rennsport-Klassiker Le Mans mit erneut Steve McQueen in der Hauptrolle, war mit Barbra Streisand in den Achtzigern mit Yentl enorm erfolgreich und selbst James Bond verbeugte sich vor ihm. Legrand schrieb die Musik dem Alternativ-Bond Never Say Never Again mit Connery in der Hauptrolle.

Was für ein musikalisches Leben, was für ein grosses Werk hat uns dieser Franzose hinterlassen! Legrand ist fürwahr ein Phänomen, der über Jahrzehnte hinweg Menschen auf der ganzen Welt (!) mit seiner Musik begeistern konnte, in fast allen Genres zuhause war und zu den wenigen Komponisten gehörte, die nicht nur die Gabe besassen Melodien zu schreiben, sondern Musik mit Seele zu füllen. 

Legrands Musik hatte ein transzendentales Element. Darin gleicht er John Williams.

Der am 24.02.1932 in Paris geborene Michel Legrand ist am 26.01.2019 in Neuilly-Nur-Seine verstorben. Mit ihm geht einer der letzten Großen seiner Zunft. Es leben auf unserem Planeten nur noch sehr wenige Musiker dieses Schlages.

Legrand.

Legend.

Mit großem Respekt und tiefer Verbeugung,

Rick Deckard

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