Die Regenschirme von Cherbourg

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. Februar 2011, 19:36  -  #Filme

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Ein Geniestreich.

Ein sensationeller Film, der mich umgehauen hat, um es salopp zu formulieren. Normalerweise mache ich um Filme in denen gesungen wird einen sehr weiten Bogen und lange habe ich in den letzten Wochen gezögert ihn einzulegen. Der Grund warum ich ihn mir überhaupt zulegte war Michel Legrand, den ich als Filmmusik-Komponisten aber auch Jazz-Enthusiasten sehr schätze. Nun staube er fast schon vor sich hin und ich nahm mir ein Herz.

Der Film ist ein Meisterwerk der absoluten Extraklasse und hier trifft die Interjektion einmal zu: Chapeau!

Nach der Titelsequenz in der es auf bunte Regenschirme herab prasselt, zeigt die Kamera eine Werkstatt in der Mechaniker Autos reparieren ... und die die Dialoge singen. Die Schauspieler singen die Dialoge den ganzen Film hindurch bis zum Ende. Faszinierend ist, dass man nicht wie sonst bei Musicals gelangweilt und angewidert den Kopf abwendet, sondern sich förmlich durch den Gesang in die Handlung hineinziehen lässt. Ein Novum. Ähnliches beobachtete ich bei Tim Burton's 'Sweeney Todd' und auch dem gelungenen 'Moulin Rouge' mit Ewan McGregor und Nicole Kidman in den Hauptrollen.

Ich hielt fasziniert bis zum Ende durch und wurde "belohnt" mit einem der ungewöhnlichsten, ehrlichsten, experimentierfreudigsten und wahrhaftigsten Filme aller Zeiten und das ist mitnichten eine Euphorie nur des Moments.

Das grossartige an diesem Film ist, wie es Demy schafft eine im Grunde alltägliche Handlung auf eine höchst künstlerische und analytische Ebene zu hieven. Sowieso sind viele französische Regisseure Meister der Dekonstruktion bürgerlicher Fassaden, aber diese Geschichte hier trifft menschliches Verhalten und die menschliche Natur noch viel mehr zutiefst im innersten Kern, dass es eine Freude ist.

Im Grunde darf man nichts über die Handlung erzählen, man muss den Film sehen und geniessen. Es geht um ein universelles Thema, die Liebe, es geht aber auch und v.a. um Beziehungen zwischen Menschen, um Treue, Romantik und Verlust. Dass Gefühlswelten von Protagonisten auch über den Gesang definiert werden können ist nicht neu, hier aber anders gar nicht denkbar.

Michel Legrand lieferte eine fantastische Musik mit Elementen des klassischen Scores und z.T. auch Jazz, daneben arbeitete er ähnlich wie in der Oper mit dem Prinzip der Leitmotivik und die (gesungenen) Dialoge als auch das Drehbuch sind schlicht superb. Die Kostüme, das Set Design, alles wirkt hier (bewusst) artifiziell und verleiht dadurch dem Film neben dem inhaltlichen auch eine optische Brillanz.

Die Schlussszene des Films wird in die persönliche Geschichte der besten Kinomomente eingehen, ein äusserst bittersüßer Moment sondergleichen, der gar keine Interpretation als die eine zulässt und in der Aussage in höchstem Maß, wie Hans Peter Koll im film-dienst schrieb, "irritierend" ist. 

Die Hauptrollen sind besetzt mit Catherine Deneuve und Nino Castelnuovo, die hier beide eine fabelhafte Leistung abgeben.

Ein poetisches, wehmütiges, realistisches und wahrhaftiges Meisterwerk.

Rick Deckard

 

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