Mozart R. Strauss Lieder - Sabine Devieilhe und Mathieu Pordoy - Erato / Warner

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  12. Mai 2024, 17:00  -  #Klassik, #Popmusik, #Plattenkritik, #Kultur, #Kulturblog

Mozart R. Strauss Lieder - Sabine Devieilhe und Mathieu Pordoy - Erato / Warner

Die menschliche Stimme ist ein Faszinosum. Durch unsere Stimme sind wir in der Lage, miteinander zu kommunizieren, durch Sprache und Gesang. Faszinierenderweise verstehen Menschen – mehr oder minder – auch ohne Kenntnis einer Sprache die durch den Gesang vermittelten Gefühle. Wir sind in der Lage zu beurteilen, ob es fröhlich und aufmunternd oder traurig und niedergeschlagen klingt.

 

Die menschliche Stimme ist etwas Wunderbares, etwas Einzigartiges. Ich war immer schon von ihrer Ausdrucksstärke fasziniert, insbesondere beim Gesang. Wenn man Frank Sinatra oder Billie Holiday singen hört, so kann man beim genauen Hinhören feststellen, um was für eine besondere Kunst es sich beim Singen handelt. Die Phrasierung, die Atemtechnik, das präzise Timing, Billie Holiday war stets immer ein Stück vor dem Orchester, Sinatra war ein Meister der Phrasierung, all das beschert einem die wunderbarsten Momente und man ist gebannt von der Schönheit der Stimme. 

 

Ich bin stets auf der Suche nach neuer, für mich unbekannter Musik, ich bin und bleibe neugierig. Durch den technologischen Fortschritt, durch das Angebot der Streaming-Plattformen ist Musik heute stets und ständig und überall verfügbar. Das macht den Zugang einerseits leicht, andererseits fällt die Auswahl schwer, weil das Angebot riesig ist.

 

Im Klassik-Genre begebe ich mich auf die Suche nach neuen Interpreten und Komponisten, allerdings bislang mit Beschränkung auf die instrumentale Musik und die Epochen von der Wiener Klassik bis zur Romantik. Erst allmählich entdecke ich auch schöne und interessante zeitgenössische Musik und taste mich an den Gesang heran.

 

Mozart & R. Strauss – Lieder, gesungen von Sabine Devieilhe mit Klavierbegleitung von Mathieu Pordoy, erschien bei Erato/Warner am 29. März 2024, war in dieser Hinsicht eine Offenbarung und ein außerordentlich beeindruckendes, neuartiges Hörerlebnis.

 

Die Motivation das Album zu hören war die Neugier zu erfahren, wie Menschen Lieder früher, in vergangenen Jahrhunderten komponiert, dargeboten und gesungen haben. Was waren die Themen, worum ging es in den Liedern, wie wurde gesungen? Es war sicherlich keine Popmusik, so, wie man sie heute definiert und vor allem war sie wahrscheinlich auch nicht allen Menschen überall zugänglich, dennoch waren diese Lieder Ausdruck des musikalischen Verständnisses der damaligen Zeit. Heute singen Billie Eilish, Taylor Swift und Dua Lipa. Wer sang früher was, wie, warum und warum so und nicht anders?

 

Erst allmählich eröffnet sich mir die Welt der Oper und des Gesangs, motiviert durch die (erneute) Begegnung mit Mozart. Bislang schreckte ich zurück, vor allem wegen der Form der gesanglichen Darbietung, der Art des doch "fremden" Singens.

 

Das Cover des Albums ist grossartig, weil es die Neugier weckt. Beide Künstler blicken auf etwas, was dem Zuschauer verbogen bleibt und der Umstand, dass beide dabei lächeln, weckt die Neugier noch mehr. Was sehen die beiden bloß? Natürlich werden die Lieder nicht die Antwort bringen, aber man will hinter das Geheimnis kommen. Genauso edel und ästhetisch gelungen ist das Video, welches oben zu sehen ist.

 

Das neue Album von Sabine Devieilhe nahm mich vom ersten Titel an in Beschlag. Wie ich in Erfahrung brachte, handelt sich um eine Sopranstimme und was für eine! Ich habe noch nie eine so schöne Frauenstimme singen hören. Frau Devieilhe ist gebürtige Französin. Dass die Dame es schafft, Emotionen in einer ihr fremden Sprache derart eindringlich zu vermitteln, das empfinde ich als äußerst beeindruckend.

 

Doch darüber hinaus ist es die Stimme selbst, die einen Gänsehautmoment nach dem anderen verursacht. Ich muss zugeben, dass ich das Album nicht in einem durchgehört habe, weil der Eindruck nach jedem Titel so eindringlich und aufwühlend war, dass ich von Zeit zu Zeit stoppen musste, um das Gehörte erst zu verarbeiten. Die Klarheit der Stimme von Sabine Devieilhe, ihre Fähigkeit Inhalte gefühlsbetont zu transportieren, der enorme stimmliche Umfang, das hat mich, um es salopp zu formulieren, "umgehauen". Makellose stimmliche Schönheit. Wie das wohl live klingt?

 

Lieder dieser Art sind nicht die Musik, die man heute hört und es klingt zugegebenermaßen zu Beginn etwas "verwirrend" und ungewohnt, aber das ist immer so, wenn man etwas neuem begegnet und die Unruhe legt sich binnen weniger Minuten, wenn man der Musik einfach unbekümmert und ohne Vorbehalte freien Lauf lässt.

 

Ganz großartig ist das nuancierte und einfühlsame Spiel von Mathieu Pordoy, dem es ebenso viel Spaß bereitet zuzuhören, wie Madame Devieilhe. Der gefühlvolle Anschlag, das Tempo, das Timing, die Fähigkeit präzise zu begleiten und doch im Hintergrund zu bleiben, alles klingt, zumindest für meine Ohren perfekt. Ohnehin war es spannend zu hören, wie ein Tasteninstrument gemeinsam mit der menschlichen Stimme erklingt.

 

Und ja, Mozart. Immer wieder lese ich in letzter Zeit, wie sehr ihn nachfolgende Komponisten bewunderten, seien es Tschaikowsky oder wie jetzt Strauss.

 

Leider sind die Live-Liederabende wieder vorbei, aber nach diesem – für mich umwerfenden Erlebnis – werde ich weiteren nach Liveauftritten mit dieser Künstlerin Ausschau halten. Famos!

 

Es hat sich wieder einmal gezeigt: Es lohnt sich neugierig zu bleiben und gewohnte Pfade zu verlassen.

 

Wunderschöne Stimme.

 

Ein fantastisches Album!

 

Rick Deckard

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