Le Mans - Michel Legrand

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  3. Oktober 2009, 07:31  -  #Orchestrale Musik

Wenn verschiedene musikalische Stile gekonnt miteinander kombiniert werden, dann macht es grossen Spass das Ergebnis zu hören. Auf der Suche nach neuen Filmmusiken habe ich mich Michel Legrand gewidmet und seinen Score zu dem Steve McQueen Film 'Le Mans' gehört. Der Film selbst bietet bis auf spektakuläre Aufnahmen vom Rennen nichts, was es lohnen würde diesen in seiner Sammlung zu archivieren, es sei denn man ist Rennsport- oder ein 'Die Hard'-Fan von McQueen. Legrand, 1932 in Paris geboren, ist ein höchst vielfältiger Musiker, Komponist und Arrangeur und es lohnt sich mit dessen Oeuvre zu beschäftigen. Seine Vita liest sich eindrucksvoll, über erste Kontakte zur Musik durch seinen Vater Raymond Legrand, ein Studium am Konservatorium in Paris, Arrangements und musikalische Leitung für Juliette Greco und Maurice Chevalier. Seine grosse Liebe und Hingabe zum Jazz ist unübersehbar und er spielte mit fast allen innovativen Kräften angefangen von Gillespie über Coltrane zu Miles Davis und nahm auch erfolgreiche Alben auf, u.a. 'Legrand Jazz' aus dem Jahr 1958. Mit dem Regisseur Jaques Demy hatte er die Idee ein Musical auf die Beine zu stellen und mit 'Les parapluies de Cherbourg' öffnete sich das Tor zu Hollywood und der Filmmusik. Er wurde in den folgenden Jahrzehnten mit Preisen aller Couleur überhäuft und schrieb wunderschöne Musiken zu Filmen wie 'The Thomas Crown Affair', 'Summer of 42' oder auch 'Yentl'. Einige seiner Songs sind fester Bestandteil des Jazz Repertoire wie beispielsweise 'What are you doing the rest of your life' oder 'Watch what happens', welcher übrigend unnachahmlich von 'Ol Blue Eyes' gesungen wurde. Eine faszinierende musikalische Persönlichkeit (wie ich finde) und ein Künstler, der mich immer wieder überrascht.

Die Filmmusik zu 'Le Mans' ist absolut hörenswert für diejenigen, die sowohl orchestraler Musik als auch dem Jazz etwas abgewinnen können. Die Frage die sich Legrand stellte und sich jedem Komponisten gestellt hätte ist: Wie vertone ich Geschwindigkeit? Das leichteste wäre 'Mickey Mousing', gemeint ist eine übertriebene Analogie zwischen Bildinhalt und Musik, weswegen das Ganze häufig auch als Underscoring bezeichnet wird. Legrand umgeht dieser Verführung und vermittelt dieses Gefühl des Temporausches mit einer Kombination aus fliehenden, schnellen Streichern und einem ebenfalls schnell gespielten Walking Bass, wie er aus dem BeBop bekannt ist. Es gibt ein Leitthema, welches man in kleineren Variationen durch die ganze Musik hindurch hören kann. Durch die Kombination dieser Streicher mit Bläsern und einen Jazz Ensemble entwickelt die Musik einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Interessanterweise ist Legrands Zugang zu dem Thema des Rennsports eher impressionistischer Natur, würde man doch eher das genaue Gegenteil erwarten. Aber eben aus dieser Spannung heraus, den offensichtlich kraftprotzenden Boliden, der Geschwindigkeit und dem Rausch verbunden mit eher zurückgenommenen Momenten innerer Einkehr entwickelt sich der Zauber der Musik. Dadurch steht die Filmmusik zu 'Le Mans' sehr gut für sich alleine und bietet einen Hörgenuss auch abseits der Bilder und das immer wieder, was für die Qualität der Musik spricht. Denn in erster Linie ist Filmmusik immer Funktionsmusik, die einer anderen Absicht dient.

Ich liebe diese Art Musik, weil sie unüberhörbar den Geist vergangener Jahrzehnte, insbesondere der 60'er und 70'er Jahre atmet. Ganz grossartige Kunst eines versierten und begabten Musikers.

Rick Deckard 
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