Burt Bacharach - Nimm nicht alles so schwer!
Das erste Mal, als ich mit der Musik von Burt Bacharach in Berührung kam, war der Film Butch Cassidy And The Sundance Kid von George Roy Hill. Die Szene, in der Paul Newman mit Katherine Ross Fahrrad fährt - wunderschön fotografiert von Conrad L. Hall - ist legendär. Zum einen, weil in einem Western der Fortschritt mit einem Fahrrad als neues Fortbewegungsobjekt vermittelt wird, zum anderen, weil es vermutlich keinen Song in einem Film gab, der das Herz so (ent-)schweben liess, wie Raindrops keep fallin' on my head. Eine schönere Symbiose zwischen bewegten Bildern und Musik gibt es vermutlich nicht. Jedesmal, wenn eine Wiederholung im Fernsehen lief, sehnte ich diesen Augenblick herbei (achten Sie auf die Instrumentierung!).
Burt Bacharach und sein kongenialer Partner Hal David schufen einen Song für die Ewigkeit.
Wenn Menschen, Künstler, Musiker, die man zu seinen persönlichen Helden zählt, das Zeitliche segnen und in eine andere Welt treten, so frage ich mich immer, wie ich mit ihnen und ihrem Werk, ihrer Kunst erstmals in Berührung kam? George Roy Hills Western war ein solcher Moment.
Ein weiterer noch weitaus stärker beeinflussender Moment war der, bei dem mich Alan Lomax auf das Album Painted From Memory und die musikalischen Qualitäten eines Burt Bacharach aufmerksam machte. Für diesen bahnbrechenden Moment (in meiner musikalischen Sozialisation) werde ich Mr. Lomax auf ewig dankbar sein, denn er führte zwei unterschiedliche Welten auf einen Schlag zusammen: Zum einen meine Liebe für die klassische, instrumentale, orchestrale Musik, für die Komposition und Melodie, für den Gesang und zum andere die Welt der Popmusik.
Ich hatte bereits Kontakt zum Jazz, zum Crooner, zu Arrangements, zum Big Band Sound durch Francis Albert Sinatra, aber das hier war neu, es war anders. Das Album lief fast 2 Jahre (!) auf heavy rotation und ich empfinde es als eines der wenigen Meisterwerke in der populären Musik.
Die Zusammenkunft von Elvis Costello und Burt Bacharach war ein (persönlicher) Meilenstein. Bei Painted From Memory fügte sich alles zu einem Bild, gemalt aus der Erinnerung, geschaffen für die Erinnerung, zusammen: Die Melodien, der Gesang, die Harmonien, die Romantik und die vertonte Dichtung. Die Instrumentierung, Costellos Stimme, Bacharachs Kompositionen, der Background Choir: Zeitlos schön.
Im Leben sucht man in der Musik, in der Kunst, in der Kultur nach Resonanz, nach einer musikalischen oder bildlichen Entsprechung der eigenen Seele. Gerade in der Musik ist das Verlangen nach Resonanz enorm, weil sie als Kunstform abstrakt ist. Sie vermag es einen transzendentalen Charakter zu entwickeln, Gefühle und Stimmungen wiederzugeben, Atmosphären zu kreieren, ein Lebensgefühl zu verstärken.
Es gibt bestimmte Harmonien, bestimmte Tonleitern, ganz bestimmte Rhythmen, die, wenn sie in der Gesamtheit auf Widerhall in der eigenen Seele stoßen Glücksgefühle verursachen. Wenn die Musik dann noch mit den "richtigen" Instrumenten vorgetragen wird, dann gibt es keinen Halt mehr für die Begeisterung.
Das alles sind Gründe, warum ich Burt Bacharach so verehre: Er ist in dieser Hinsicht ein Genie!
Achten Sie bei Songs wie The Look Of Love oder This Guy's In Love With You auf alles bisher geschriebene, auf die Phrasierung durch die Interpreten, auf das Tempo ... und vor allem auf die Emotionen, die diese Songs hervorrufen. Das ist große Kunst und Bacharach eine absolute Ausnahmeerscheinung! Er war ein Meister seines Faches.
Songs von solcher Universalität erzielen in jeder Sprache ihre Wirkung. Es gibt zahllose Coverversionen der Songs von Bacharach und David, aber kein Album, das auf eine so schier sensationelle Weise die Essenz der Songs in die deutsche Sprache überträgt, wie die Interpretationen von Marion Maerz.
Recherchiert man in den Weiten des World Wide Web, so ist zu lesen, dass sich das Album angeblich nicht sonderlich verkauft habe und als "Kult" gilt. Daran erkennt man den Geschmack der Masse. Ich würde einen Schritt weitergehen: Das Album ist Ultra-Kult!
Man kommt bei Maerz' Interpretation aus dem Lachen, Weinen und Staunen nicht mehr heraus. Zum einen verfügt Frau Maerz über eine grossartige, sehr schöne Stimme, die schwierigste Passagen meistert, zum anderen ist die Produktion des Albums von atemberaubender Präzision, Dynamik und Schönheit. Die Arrangements von Ingfried Hoffmann und die Aufnahmen vom Toningenieur Wolfgang Hirschmann sind grandios! Exzellente Produktion!
Wenn Sie mir nicht glauben, dann hören sie sich diesen Song an:
Unfassbar!
Nicht umsonst ist diese Coverversionen in der Überschrift dieses Nachrufes enthalten. "Nimm nicht alles so schwer!" bittet uns Frau Maerz in den Worten von Michael Kunze, also: Nimm' es leicht!
Darin liegt die große Begabung eines Burt Bacharach: Es so klingen zu lassen, als sei es leicht!
Vielleicht ist es Ihnen einmal aufgefallen: Alle großen Künstler, zum Beispiel Musiker (Mozart), Tänzer (Fred Astaire und Gene Kelly!), Sportler (Tennisspieler Miroslav Mecir) verfügen über eine Gabe: Sie lassen die Dinge so erscheinen, als seien sie leicht, einfach, "easy". Erst bei näherer Betrachtung fällt auf, wie komplex die Kompositionen, die Bewegungsabläufe sind und wieviel Arbeit (und Genie) dahinter steckt.
Ob James Last, Bert Kaempfert, Nelson Riddle oder Burt Bacharach: Es ist nicht leicht und es ist auch kein "leichtes Zuhören", das genaue Gegenteil ist der Fall! Die Songs fordern einen geradezu heraus, sich eingehender mit Ihnen zu beschäftigen und wer das tut, der gelangt, wie eine weitere lebende Legende einmal sagte, "zur Schönheit der Erkenntnis" und die liegt beim Hören der Musik von Bacharach darin, zu erkennen, wie er gewichtiges in Federn verpackt entschweben lässt!
Genial!
Das Leben für uns Menschen mit diesen Vorlieben, Helden und Leidenschaften ist schwer und wird immer schwerer. In Zeiten der Plebejiesierung der Gesellschaft mit Verfall und Änderung von Werten und Normen und der Auffassung von Menschen jeder könne alles zu jeder Zeit, wiegt der Verlust von Menschen wie Burt Bacharach umso schwerer, weil mit dem Tod dieser Menschen ganze Jahrzehnte, eine ganze Ära, das Lebensgefühl einer Zeit entschwinden.
"Ich bin der Tod geworden, der Zerstörer der Welten!"
Bhagavad Gita.
So fühlt sich sein Verlust für uns an, für mich, für Alan Lomax, die Burt Bacharach so verehren. Es ist endgültig.
Das Leben geht weiter, aber, und ich werde es nicht müde zu betonen, das riesige schwarze Loch, welches durch den Verlust dieser Menschen einhergeht, wird grösser und grösser. Es kommt nichts nach (!) an Musikern, Künstlern, die die Geschichte weitererzählen, die Musik weiterentwickeln, die die Ewigkeit noch weiter hinaus dehnen. Darin ist das eigentlich tragische an dem Tod eines Menschen wie Burt Bacharach zu sehen.
Doch am Ende bleibt Gutes, Positives und schöne Erinnerungen!
Burt Bacharach hinterlässt uns seine Musik, sein Werk, sein Genius auf alle Zeit. Wann immer wir wollen, können wir ganz leicht Kontakt mit seiner Welt, seiner Musik aufnehmen. Er schenkt uns sein musikalisches Erbe!
We are close to you Mr. Bacharach.
In großer Trauer, aber auch unendlicher Bewunderung und Verehrung.
Rick Deckard