So ist das neue JUSTICE Album "Hyperdrama"

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  11. Mai 2024, 15:17  -  #Feuilleton, #Plattenkritik, #Popkultur, #Popmusik

So ist das neue JUSTICE Album "Hyperdrama"

In einer der aktuelleren "arte Tracks"-Ausgaben beziehen sich Gaspard Augé und Xavier de Rosnay immer wieder auf den französischen Elektromusiker Alan Braxe. Braxe hatte vor vielen Monden mit Thomas Bangalter (Daft Punk) und dem Projekt Stardust den Welthit „Music Sounds Better With You“ produziert. Bangalter wurde Superstar mit seinem Kumpel Guy-Manuel de Homem-Christo, während Braxe aufhörte auf die Bühne zu steigen um zu produzieren. Gaspard Augé malte auch einige Plattencover, u. a. das besonders coole von Alan Braxes Meisterwerk „The Upper Cuts“. Alle zusammen vereint das wohl wichtigste Plattenlabel für französische Housemusik, Ed Banger.

Von Beginn an war das Passionskreuz die grafische Verbindung zu dem Duo Justice. Es ist auch wieder auf dem aktuellen Album „Hyperdrama“ zu finden. Das Kreuz symbolisiert die Verbindung von Himmel und Erde. Das Album ist das vierte der Band, die uns nach Daft Punk geblieben ist, und es ist ein Freifahrtschein zum Glück, in beide Richtungen. Alle 13 Songs sind Superhits und Meisterwerke der elektronischen Aufnahme- und Klangkunst. Zudem wird das Werk von zahlreichen Gaststars vorgetragen, ergänzt und zu Ende geführt.

Ebenso wie die Gegenüberstellung der Symbolik des Kreuzes, auch was Quer- und Längstbalken angeht, wird als Drama der Kampf zwischen Disco und elektronischer Musik ausgetragen. Keiner macht das derzeit weltweit so klug und aufregend wie die Franzosen.

Um sich selbst zu übertreffen, haben die beiden Genies alles vergessen, was sie bis dato von Musik wussten, außer natürlich ihr Studiohandwerk und Instrumentarium. Und die Platte ist dann auch immer ein Spektakel, wenn Gaspard und Xavier ins Experimentelle abrutschen und später, über sagenhafte Brücken und Filter, wieder zurück zum Pop und der Disco kommen.

Noch nie hat die Band so ausgefallen und selbstbewusst geklungen. Der Song „Igonicto“ wird bleiben und remixt und gesampelt werden und uns in den nächsten Jahren überall begegnen. Freunde der harten Beats werden etwas enttäuscht sein, sich aber früher oder später besinnen und daran denken, dass dieser Mittelteil eine Zusammenfassung der gesamten französischen elektronischen Musik der letzten 60 Jahre ist, angefangen bei Musique concrète, hin zur Kölner Schule und endend bei aktuellen Pariser Zeitgenossen wie Lewis Of Man und Kid Francesecoli.

Die Abstraktheit ist natürlich inzwischen völlig abhandengekommen, und wenn wir nicht richtig zuhören, uns Zeit nehmen und aufdrehen, entfällt vieles. „Hyperdrama“ sollten wir uns warm einwickeln und dann genau hin hören. Ebenso wie wir das vielleicht bei „Music Sounds Better With You“ nicht gemacht haben und den Song zu häufig als akustischen Nebenschauplatz gewählt haben, wird das wahrscheinlich auch mit „Mannequin Love“ vom aktuellen Album passieren.

Live wird das alles noch präsenter sein. Nicht dass Justice hier als allzu aktive Musiker auftreten, was sie in dem Zusammenhang auch nicht sind, aber die Bühnenproduktionen auf vielen Festivals in diesem Jahr werden eine sprichwörtliche Sensation sein. Mehr Disco als Experiment, aber wer will schon viel ausprobieren, wenn die derzeitigen Discokönige der Welt ihre Musik vor einem präsentieren, die ihren Ursprung im ständigen mysteriösen Lichtnetz der Kugel aka. Discokugel verbirgt und ausspuckt. Aber davon mehr, nach dem Justice-Auftritt bei Primavera Sound in Porto 2024, wenn Sie die erweiterte Review davon auf diesem Blog lesen werden.

Dieses Album ist ein Triumph der Komplexität.

Alan Lomax

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