Pro Musica Meisterkonzerte - Rudolf Buchbinder Festival Strings Lucerne - Dienstag 07.05.2024 - Philharmonie Berlin
Es war mein erster Konzertbesuch in der Philharmonie Berlin.
Sehr lange hatte ich davon geträumt Rudolf Buchbinder live zu sehen und zu hören und gestern Abend um 20:00 Uhr war es soweit.
Die Philharmonie hinterließ einen bleibenden, positiven Eindruck auf mich. Die Atmosphäre vor dem Saal war beruhigend, bedingt durch die Innenarchitektur des Gebäudes, welche weitläufig und großzügig konzipiert wurde, so dass man sich der Bedeutung dieser kulturellen Einrichtung einerseits bewusst ist, sich andererseits aber als Individuum nicht darin verliert. Einen solchen Eindruck hinterließ zum Beispiel die fast schon obszön große Elbphilharmonie nicht.
Das Publikum bestand überwiegend aus der Boomer-Generation und ihren Vorgängern. Viele Hochbetagte waren gekommen, um den Virtuosen live zu erleben. Soweit ich einen Überblick behalten konnte, sah ich kaum Besucher der Generation Z, geschweige denn überhaupt junge Menschen. Das stimmte mich traurig, aber auch nachdenklich zugleich. Scheinbar ist – statistisch anhand der Beobachtung eines Abends irrelevant – das Interesse der jüngeren Generationen, der 18-38jährigen, an klassischer Musik begrenzt, oder gar nicht vorhanden. Das mag in Zeiten der rasend schnellen technischen Innovationen viele Gründe haben und den allermeisten dieser Generation Buchbinder, und wahrscheinlich auch Mozart, kein Begriff sein, aber wir sprechen hier von der Philharmonie Berlin und Rudolf Buchbinder! Hoffentlich ändert sich das in Zeiten des Streaming und der Digitalisierung.
Klassische Musik im Konzertsaal ist durch die Stereoanlage nicht zu ersetzen.
Die Philharmonie war fast ausgebucht.
Zuerst betraten die Musiker der Festival Strings Lucerne die Bühne. Das kleine Orchester bestand aus Streichern, einer kleinen Gruppe Holzbläsern, 2 Hörnern, alternativ 2 Trompeten und einer Pauke.
Kurz nach 20:00 Uhr betrat der Solist die Bühne. Es war ein bewegender Moment Rudolf Buchbinder in Persona auf die Bühne kommen zu sehen. Seit meiner frühen Jugend träumte ich davon, diesen berühmten Virtuosen live zu erleben. Wieder und wieder hatte ich in meiner Jugend seine Interpretationen der Beethoven Sonaten hören, bewundern und lieben gelernt. Was für ein Moment! Vor einigen Monaten hörte ich eine Radiosendung auf WDR-Klassik, in der Buchbinder interviewt wurde und es war aufschlussreich zu hören, dass der österreichische Künstler privat Frank Sinatra (!), Jazz und Filmmusik (Dimitri Tiomkin) hört.
Aber nicht nur, dass ein Livekonzert mit Buchbinder anstand, auf dem Programm standen 3 der berühmtesten Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart! Seit dem Schlüsselerlebnis in Salzburg 2023 vergeht kaum ein Tag ohne seine Musik und ich musste gestern Abend sehr häufig an den Ausspruch von Friedrich Gulda über Mozart denken:
„The greatest of the greatest!”
Mir standen kurz nach Beginn des Konzertes Tränen in den Augen, dies vor allem der Tatsache geschuldet, wie kurz das Leben dieses Ausnahmekünstlers war (Mozart wurde 35 Jahre alt) und wie unverstanden seine Musik am Übergang des Absolutismus am Vorabend der Französischen Revolution war, wie hart er in Zeiten der Monarchie um Anerkennung kämpfen, gar betteln musste. Was würde er wohl sagen, fühlen, denken, würde er mitbekommen, dass seine Musik mehr als 250 Jahre (!) nach seiner Geburt in den Konzerthallen in aller Welt gespielt wird? Diese Frage ohne eine Antwort ging mir an diesem Abend immer wieder durch den Kopf.
Rudolf Buchbinder und die Lucerne Festival Strings spielten die folgenden Konzerte:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 B-Dur, KV 595
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 21 C-Dur, KV 467
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll, KV 466
Über die einzelnen Konzerte und deren Eigenheiten sowie Entstehungsgeschichte lässt sich an entsprechender Stelle nachlesen. Ich empfehle in diesem Zusammenhang Marius Flothuis treffliche Analysen bei C. H. Beck: Mozarts Klavierkonzerte.
Was diesen Abend so besonders machte, war es vor Ort zu hören und zu sehen. Herbert von Karajan hatte recht, als er sagte, dass klassische Musik ganz anders wahrgenommen wird, wenn man den Musikern dabei zusieht (er legte großen Wert auf die Visualisierung klassischer Musik bei Fernsehaufnahmen).
Buchbinder spielte und dirigierte gleichzeitig, wenn auch letzteres sparsam und nur dort, wo notwendig und mit entsprechend zurückhaltender Gestik und Mimik. Sein Spiel war geprägt von Spontanität, Variabilität (Kadenzen) und Spielfreude, über die brillante Technik brauche ich nicht zu schreiben. Es war ein Genuss diesen Virtuosen zu sehen und vor allem spielen zu hören.
Besonders hörenswert war das Wechselspiel des Solisten mit den Holzbläsern, das fiel mir an diesem Abend auf und es zeigte sich, dass man mimische und spielerische Interaktionen dieser Art nur live beobachten kann. Zudem ist der Klang dieser Instrumente so unglaublich schön, unverwechselbar!
Mozarts Musik ist unvergleichlich, um auf das Zitat von Gulda zurückzukommen. Wenn man seine Musik hört, dann hat sie diese besondere Eigentümlichkeit unmittelbar von Herz zu Herz zu gehen, sie ist so berührend. Bei Mozart, viel mehr als bei allen anderen Komponisten der klassischen Musik, habe ich stets das Gefühl, als kommuniziere er fortwährend mit dem Hörer, man sah es wiederholt auch an der Mimik des Solisten.
Wolfgang Amadeus Mozart besaß ein unglaubliches Talent für Melodien, ich kenne kaum einen Musiker, der so viele Musikstücke, mit so vielen eingängigen Melodien komponiert hat, wie er, man denke allein an „die kleine Nachtmusik“ oder seine g-Moll Sinfonie. Das wurde deutlich in allen Sätzen der einzelnen Konzerte, aber insbesondere beim 2. Satz des Konzertes in C-Dur und g-Moll. Wenn man diese Musiken live hört, im Zusammenspiel des Interpreten mit dem Orchester, sind das Glanzstunden der Musik und Beweis für die künstlerischen Fähigkeiten von Menschen. Es waren zutiefst ergreifende und bewegende Momente an diesem Abend.
Als das Konzert zu Ende war, wollte ich gleich wieder in das nächste, so schnell war der Abend vorüber, viel zu schnell!
Rudolf Buchbinder und die Lucerne Festival Strings genossen sichtlich den Applaus, bevor sie die Bühne verließen.
Ich habe die Eintrittskarte und das Programmheft aufgehoben und werde jedes Mal an diesen wunderbaren Abend im Mai zurückdenken, wenn ich sie ansehe.
Ich empfehle auf Instagram Buchbinder und den Berliner Philharmonikern zu folgen.
Ich empfehle auch einen Besuch der Philharmonie Berlin.
Ein einmaliges Erlebnis.
Wahrscheinlich jedes Mal aufs Neue.
Rick Deckard