Motorpsycho - Roadwork Vol. 4 - Intrepid Skronk

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  21. Dezember 2011, 19:56  -  #Populäre Musik

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Ich und Motorpsycho haben eine lange, tiefe und intensive Beziehung. Ich trage meinen Teil durch ständiges Fantum und Zuhören bei. Die Band liefert den ihrigen Teil in Form von dauerhaft steigernder musikalischer Qualität und extrem hohen Sympathiewerten. Die Attribute der Sympathie bestehen aus Werten, die mir sehr wichtig sind: Authentizität, einer Form von Rotzigkeit (die ich gleich gerne näher erklären werde) und einer extremen Form von Darbietung handwerklicher, beständiger und leidenschaftlicher Schaffenskunst, die mich dauerhaft in den Bann zieht. 

Roadwork Vol. 4 ist ein 2011er Album welches kaum Beachtung gefunden hat. Der kleine Kreis der ewigen Fans ist von dieser Annahme natürlich ausgenommen. Die Platte ist übrigens nicht das vierte Live-Album der Trondheimer, sondern das Erste. Das Motorpsycho eine Familie sind, unterstreichen sie auch mit diesen neueren Aufnahme, weil es sich nur um Aufnahmen handelt bei den der Ausnahmeschlagzeuger Kenneth Kapstad an den Drums zu hören ist. Seitdem das der Fall ist, hat Motorpsycho als Trio das nächste Level der ihrer Musik gefunden. 

Bent Saether und Hans Magnus Ryan spielen seit 1989 zusammen. Die müssen nicht mehr miteinander sprechen. Ihre Dialoge sind musikalisch ein kompaktes Klangspektrum geworden. Die logische Fusionierung von zwei Menschen die sich nicht nur menschlich, sondern über den Weg der Töne, Harmonien und der Interpretation verstehen. Umso schwieriger muss es also gewesen sein, einen Mann wie Kapstadt zu finden. Also einer der in das musikalische Monster Ryan/Saether reinwächst, gedeiht und den dritten Kopf aus dem Vortex Surfer wächsen lässt. Es hat geklappt. Fans, Band, ich und Kenneth Kapstadt sind glücklich. Dieses Album erzählt auch von diesem Bandmeilenstein. 

Die Band legt mit der Aufnahme ein nächstes experimentierfreudiges Werk ab, das natürlich auch ein Geschenk für Fans ist. Gleichzeitig aber auch ein Test für Quereinsteiger, denn natürlich sind die sechs Liveaufnahmen genau das was Motorpsycho seit Jahrzehnten repräsentieren: 

In einem klassisch besetzen Rocktrio (Gitarre, Bass und Schlagzeug) zwanzig Minutenlange Nummern zu spielen, hört sich zunächst mal abstoßend an. Und für wahr so was kann man nur machen, wenn man musikalisch etwas zu erzählen hat. Wenn man eine Geschichte hat, die wahrscheinlich auf alternativen Metal basiert, sich über progressiven Rock, psychedelischen Experimenten, Pop und am wichtigsten! im abstrakten aber nahe liegenden Jazz seine Entwicklung gefunden hat. Die Spannung des Livesets wird Atem beraubend und permanent aufrecht gehalten! In den Spannungsmomenten findet jeder konzentrierte Zuhörer seine unterschiedliche Befriedigung! 

Wer schon einmal bei einem Motorpsychokonzert war, kennt diese Anspannung und tiefen Konzentrationsmomente des Auditoriums. Jeder Besucher eines Motorpsychokonzertes sucht nach seinem persönlichen Moment. Wahrscheinlich hat jeder Zuschauer diesen einen kurzen Moment an unterschiedlichen Punkten. Auferlegt nach persönlichem Gusto und Bevorzugung. Sei es das musikalische Selbstverständnis, die lyrische Auslegung oder eben die Suche nach dem Moment des heiligen musikalischen und nicht notierbaren, magischen Kral. Die Norweger kennen ihre Fans, suchen sich weiter selbst und geben geballt immer wieder neue Rätsel, aber auch Motive auf.  Allerdings finden sie im Vergleich zu anderen Bands, genau diese manchmal minimalen Momente oder das kollektive Maximum. 

Dieses Unterscheidungsmerkmal kann während eines der unfassbaren, immer melodischen, aber auch immer verstörenden Gitarrenläufen von Hans sein. Es kann der Faktor bei Bents grandiosen infernalischen Zuordnungen von Bassläufen oder die Verbundenheit der schlagenden Schattenrisse von Kenneth sein. Erstaunlicher Weise fusioniert dabei immer die Komposition oder die kreativen Suche aus dem scheinbaren Nichts. 

Rotzigkeit wird dann zur Erhabenheit. Motorpsycho waren niemals studierten Jazztheologen. Sie vertreten ehr den Habitus des bodenständigen Rockmusikers. Allerdings einer Typologie von Rockmusiker, dem die normalen musikalische Zusammenhänge zu langweilig geworden sind. 

Sympathisch dabei aber die Haltung Musik als Musik zu verstehen, nicht ermahnend den erhobenen Zeigefinger zu strecken, sondern leise, scheinbar aber rufend zu sagen: „Leute so geht das eben auch!“ 

Ich persönlich glaube immer an das Gute im Menschen und leiste gerne ab und zu missionarische musikalische Aufklärungsarbeit. Denn die Band benötigt dringend Nachwuchs in der Zuhörerschaft. Das Publikum wird sichtbar älter. Mit gängigen Musikmarketingmethoden haben die Norweger nichts am Hut. Die Bandhomepage gleicht einem unaufgeräumten Rockmuseum von 1998. SocialMedia, PR und unterstützende Promotion sind kaum existent. Motorpsycho sind eine Liveband geworden. Vielleicht die härteste europäische Touringband. Die Fans kommen. Noch! Gleichwohl ist es mit den Fans, die einen scheinbar ähnlichen Habitus haben. Schwer ist es gute Fanseiten, Youtube-Einträge, Foren oder blogs über Motorpsycho zu finden.„Gott sein Dank“, wird sich der sich nun angesprochene Fan sagen. Ich aber habe Angst um diese Band. Angst davor, dass es finanziell irgendwann nicht mehr hinhaut! Hoffentlich ist das unberechtigt! Denn auf Motorpsycho kann ich nicht verzichten, niemals! 

Meinen persönlichen Motorpsyho Moment auf dieser Scheibe, habe ich bei dem neueren Lieblingssong „Kill Devil Hills“. Gewohnt treibend und als schöner, scheinbar einfacher Rocksong fängt es an. Nach ca. vier Minuten geht es in den unendlichen Gitarrenkosmos von Hans Magnus „Snah“ Ryan über. 

snah1Snah ist einer der Gitarristen auf dieser Welt, der in Lage ist, dass derzeitige Optimum aus dem Instrument zu holen. Dabei ist natürlich nicht das billige Runterholen von verzerrten atonalen Tönen, sondern auch das ständige theoretische aufklappen des Gitarrengeschichtsbuch. Die Suche nach dem göttlichen Klang, nach dem nie gespielten Akkord, der unverfälschten Bridge. Dazu dieser Gestus, inzwischen mit meterlangen Kopf- und Gesichtshaaren, umgeben von über 40 jährigen Gitarrengroupies, die danach lechzen die Reihenschaltungen seiner Effektpedale zu verstehen und diese auf Notizblöcken notieren . Gleichzeitig davon träumend ein ebenso perfekter Musiker zu sein. Natürlich spreche ich von mir! 

Der Grund meiner Bewunderung dabei ist die Bandbreite seiner musikalischen Sprechweise die explizit auf dieser Scheibe Vorrang hat. Dabei ist er mal brutaler Zerstörer und seit 1994 (Timothy’ Monster, The Tussler) sowieso glorreicher, spontaner Melodienentwickler. 

Motorpsycho zu beschreiben endet immer in einem Bekenntnis. Vielleicht auch in einer Gewissheit der musikalischen Glaubensausrichtung. 

Alan Lomax  

P.S.: Motorpsycho spielen am 17.04.2012 im Kölner Bürgerhaus Stollwerk!

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