Der musikalische Rückblick 2023 - Teil II: Bruce Springsteen

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. Januar 2024, 21:01  -  #Klassiker, #Populäre Musik

Der musikalische Rückblick 2023 - Teil II: Bruce Springsteen

Boris Becker und Steven Moody.

 

Ich habe versucht mich daran zu erinnern, wie ich zu Bruce Springsteen gekommen bin? Können Sie sich an ihre erste Begegnung mit ihrer Lieblingsmusikerin, -musiker erinnern?

 

In der Nachbarschaft wohnte ein Junge, mit dem ich damals befreundet war, Steven Moody. Moody ließ sich erst von Elvis Presley beeindrucken und dann von Bruce. Seine leidenschaftlichen Hymnen über den „Boss“ klingen bis heute nach.

 

So war es auch Springsteens masterpiece NEBRASKA, dieses berühmte Album aus dem Jahr 1984, welches er alleine mit Gitarre einsang, das einen tiefen Eindruck auf mich hinterließ, wenn auch ich weder die Lyrics noch Springsteens Ansinnen verstand. Erst jetzt, erneut 40 Jahre später, begriff ich die Geschichten und ihre Bedeutung.

 

Boris Becker und sein erster Titel in Wimbledon.

 

Interessiert über den Werdegang dieses damals jungen Sportlers las ich in einer Gazette ein Interview mit dem 17-jährigen aus Leimen, der gefragt wurde, welche Musik er abseits des Courts hören würde?

 

Seine Argumente bezüglich Springsteen und seiner Musik weckten die Neugier und  klangen plausibel. Die Worte „roh“, „Rock“, „klar“ oder so ähnlich kommen mir in den Sinn, mit denen Becker die Musik des US-Amerikaners beschrieb.

 

Damals gab es kein Internet. Keine Streaming-Dienste. Der Gang in die Innenstadt und in die Plattenläden waren unumgänglich. Ein Mann in einem weißen T-Shirt in Blue Jeans und einer roten Kappe in der hinteren rechten Hosentasche vor einem Teil der amerikanischen Flagge stehend.

 

Jon Landaus berühmtes Zitat über die Zukunft des Rock n’ Roll traf auch für mich zu. Ich sah auch die Zukunft des Rock n’ Roll und ihr Name war Bruce Springsteen.

 

Parken, Kopenhagen, 13. Juli 2023.

 

Am Ende des Konzerts saß Bruce auf einem Stuhl, alleine im Spotlight mit Gitarre und sang ohne Begleitung „I’ll see you in my dreams!“ Er deutete auf uns, bevor er den Song beendete. Wer ist diesem Moment keine Tränen in den Augen hatte, war kein Mensch.

 

Leonardo Colombatis’ Magnum Opus „Like A Killer In The Sun“ (erschienen im Reclam Verlag) setzt sich intensiv mit den Songtexten von Springsteen auseinander und erörtert die Lieder in verschiedenen Kontexten. Ein Füllhorn an Informationen und Erkenntnissen, welches ich nach dem Konzert gezielt zu lesen begann.

 

2023 schloss sich ein weiterer Kreis, der annähernd 40 Jahre zuvor seinen Anfang genommen hatte. Ausgehend von BORN IN THE USA erschloss ich mir Schritt für Schritt (erneut) das Werk dieses grossen amerikanischen Sängers und Komponisten.

 

Nach 1984 folgten TUNNEL OF LOVE und seine weiteren Alben. Bis heute war kein einziges schlechtes dabei, nicht ein einziges.

 

Prof. Marcus S. Kleiner bringt es auf den Punkt:

Für die Vereinigten Staaten von Amerika hatte ich aus kultureller Sicht immer schon ein Faible. Mit Walt Disney und Howard Hawks begann die Leidenschaft für das Kino und seine Geschichten.

 

Und genau das war und ist Bruce: ein großartiger Geschichtenerzähler und Chronist der Vereinigten Staaten. Das wurde mir dieses Jahr erst nach der intensiven Auseinandersetzung mit seinen Texten bewusst. Was für wunderbare, schöne, heitere, traurige, ehrliche, düstere, liebevolle Geschichten dieser Mann zu erzählen weiß und vor allem in welch einem musikalischen Gewand!

 

THE GHOST OF TOM JOAD ist zum Beispiel eine dieser Geschichten, in der Springsteen eine vergangene Welt sehr intensiv, bedrückend und plastisch vor Augen führt.

 

2010, während eines Aufenthaltes in New Jersey, besuchte ich den Ort, der Springsteens erstem Album seinen Namen gab, dem Kult-Klassiker GREETINGS FROM ASBURY PARK. An diesem sonnendurchfluteten Ort unter strahlend blauem Himmel klang sein Album in meinen Ohren, ein ebenso magischer Augenblick, wie ein weiterer, der 2023 noch folgen sollte, aber im Zusammenhang mit einem anderen Musiker.

 

DEVILS AND DUST und THE RISING.

 

Mit seinen Alben flossen die Jahre und Jahrzehnte 2023 an meinem Augen vorüber. Welche Bedeutung Bruce Springsteen in Amerika hat und welchen Status er (nicht nur dort) erreicht hat, zeigte sich nach 9/11, als er auf einer Fahrt zurück vom Meer (von dem aus er den Zusammenbruch der Zwillingstürme sah) von einem vorbeifahrenden Mann erkannt wurde und dieser ihm zurief: “Bruce, wir brauchen Dich jetzt!“.

 

In RENEGADES, einem wirklich wunderbaren Buch, bin ich Barack Obama und Bruce Springsteen gefolgt, zwei Männer, die viel zu sagen haben und denen ich gerne zugehört und von denen ich gelernt habe.

 

Authentizität und Empathie, Worte, die im Zeitalter des plebejischen Absolutismus durch inflationären und unsinnigen Gebrauch bis zu Unkenntlichkeit verwässert wurden, zeichnen Bruce Springsteen aus.

 

Wenn er auf der Bühne steht und singt, dann glaube ich ihm. Jedes Wort. Das darf nicht in einem pseudoreligiösem Zusammenhang missverstanden werden. Ich meine damit, dass er nicht gekünstelt erscheint und wirkt. Kein Gebaren eines Showmeisters oder Entertainers, sondern jemand, der mit Leib und Seele seiner Musik, seiner Kunst verhaftet ist. Deswegen lieben ihn die Menschen, weltweit.

 

2023 fand eine musikalische, vor allem aber eine lyrische Begegnung mit Bruce Springsteen statt und folgerichtig, zumindest für mich, ist DARKNESS ON THE EDGE OF TOWN sein Album des Jahres 2023.

 

Rick Deckard

Der musikalische Rückblick 2023 - Teil II: Bruce Springsteen
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