LE MANS 66 - GEGEN JEDE CHANCE
Von 0 auf 100 in die persönlichen Charts.
Der neue Film von James Mangold thematisiert die Rivalität zwischen Ford und Ferrari Ende der 60er Jahre.
Nachdem die Verkaufszahlen bei der Ford Motor Company einbrechen, weil die Nachkriegsgeneration schnelle Autos fahren will, beauftragt Henry Ford II seine Marketingabteilung damit, neue Ideen zu entwickeln. Zudem wurmt es die Amerikaner, dass Ferrari Jahr für Jahr das 24-Stunden-Rennen in Le Mans gewinnt.
Der Versuch die Italiener aufzukaufen scheitert kläglich. Also setzt Ford alles daran, einen bereits entwickelten Protoypen so zu modulieren, dass man am Rennen teilnehmen kann.
Ford v Ferrari, so der Originaltitel, ist ein mitreißender Film mit sehr vielen und gelungenen humorigen Momenten. Wer meint, er müsse etwas von Sportwagen oder der Kultur des Rennsports verstehen, liegt falsch. Regisseur und Drehbuchautoren verstehen es, die Faszination für den Rennsport und die historische Rivalität zweier namhafter Autoproduzenten in eine packende und bewegende Geschichte einzubinden, die jeden begeistert.
Der Film ist eine leidenschaftliche Hommage an den Rennsport vergangener Tage und ein Buddy Movie zugleich. Die Chemie zwischen Matt Damon und Christian Bale funktioniert von der ersten Sekunde und beiden Schauspielern merkt man die Freude am Spiel an. Damon wirkt in seiner Darstellung sehr erdgebunden und organisch, Bale ist sehr professionell bei der Sache, in der deutschen Synchronisation gelingt es nicht, mit seiner Mimik im Gleichklang zu sein, was vermutlich daran liegt, dass er im Original einen Briten spielt (Ken Miles war Brite). Aber das ist nur eine Randnotiz, denn beide Schauspieler verstehen es trotz der dominierenden Technik und den Autos stets Herr der Lage zu sein, sie verschwinden nicht hinter ihren Boliden.
Das Herzstück des Film sind die furios fotografierten und geschnittenen Rennszenen. Der griechische Kameramann Phedon Papamichael Jr. liefert mit seiner Kamera sensationell fotografierte Sequenzen von der Rennstrecke, in denen er äusserst effektiv von der Strecke ins Cockpit auf die Gesichter und Bremse/ Gaspedal hin- und her wechselt. Mit dieser Dynamik gelingt es ihm, den Zuschauer voll ins Geschehen hinein zu ziehen. Man fiebert mit den Rennfahrern mit!
Dass das gelingt, ist dem kunstvollen Schnitt geschuldet. Die Cutter Andrew Buckland und Michael McCusker sind Künstler und zeigen mit diesem Film auf, wie wichtig der Schnitt in der Postproduction ist. Unglaublich gut geschnittener Film, der aufzeigt, dass es nicht 100 Schnitte in einer Minute braucht, um Dynamik zu kreieren! Das ist ein eminent wichtiger Verweis auf viele Filme der Neuzeit, in denen Dilettanten meinen, mit Stakkatoschnitten überzeugen zu wollen, kaschieren sie damit doch nur ihre nicht vorhandenen Fähigkeiten. "Old School" hat seine Berechtigung (wenn man sie beherrscht).
Zu Recht erhielt der Film zwei Oscars für den besten Schnitt und Tonschnitt.
Le Mans 66 hat eine Lauflänge von epischen 153 Minuten und es gelingt dem Film das Kunststück, in keiner einzigen Sekunde zu langweilen, im Gegenteil, ich habe selten dermaßen mit den Hauptdarstellern mitgefiebert. Auch die Musik von Marco Beltrami mit ihren zum Teil "jazzigen" Einlagen weiss zu überzeugen.
Von Null auf Hundert: Gemessen wird die Zeit, in der ein Auto aus dem Stand 100 km/h erreicht. Le Mans 66 braucht dazu 153 Minuten, die schneller vergehen.
Anwärter auf den Film des Jahres!
Regisseur James Mangold ist auf dem Weg zum Helden.
Aus Le Mans,
Rick Deckard
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