THE WORLD OF HANS ZIMMER: World Tour 2024 - 10.03.2024 - Barclays Arena - Hamburg

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  11. März 2024, 20:37  -  #Filmmusik, #Konzertbereicht, #Konzerte, #Filme, #Popmusik, #Popkultur

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

Es gibt wohl kaum einen zeitgenössischen Filmmusik-Komponisten, der Filmmusik-Fans derart polarisiert hat und es noch immer tut, wie Hans Zimmer.

 

Während Maurice Jarre, Ennio Morricone, John Barry, Jerry Goldsmith und John Williams in den filmmusikalischen Olymp katapultiert wurden, rümpfte man bei Hans Zimmer stets ein wenig die Nase. Sein Stil fand nicht immer Anklang, insbesondere seine Cluster, seine Synthesizer generierten Klangteppiche, hatten für viele nichts mit klassischer („orchestraler“, „symphonischer“) Filmmusik gemein.

 

Auch ich muss gestehen, dass ich zu denjenigen gehört habe, die diese Art Filmmusik, nun ja, sagen wir „nicht gemocht“ haben. Das geschah aus einem falsch verstandenen Purismus heraus, einem Konservatismus, der alles neue oder andersartige in dieser Gattung mit Skepsis betrachtete.

 

Es passte nicht in das Verständnis von „guter“ Filmmusik, also konnte es nicht gut sein. Wie viele Fehler und Unklarheiten in dieser Schlussfolgerung stecken, erahnt man bereits beim Lesen. „Gute“ und „schlechte“ Musik gibt es nicht, sondern nur tolerante und intolerante Hörer. Die eigene Auffassung muss nicht der anderer entsprechen. Das mag für viele schlüssig und offensichtlich klingen, ist es oftmals in der Realität aber nicht.

 

Im Alter wird man nicht nur (hoffentlich) klüger, sondern auch weiser und ist eher in der Lage sich selbst Fehler einzugestehen, als in der Jugend.

 

Es war andererseits – zu meiner Verteidigung – aber nie eine vollständige Ablehnung der Musik eines Hans Zimmer, immerhin zieren viele seiner Musiken wie beispielsweise PACIFIC HEIGHTS, HANNIBAL oder BLACK RAIN die eigene Sammlung.

 

Dieser Vorlauf dient nicht als Rechtfertigung für den gestrigen Konzertbesuch, sondern als ein Appell an die Jugend in der Kunst, Musik, Kultur immer offen und neugierig zu bleiben, auch wenn das Gesehene, Gehörte und Erlebte nicht in die eigenen Schablonen passt.

 

THE WORLD OF HANS ZIMMER.

 

Es war ein schöner, sehr unterhaltsamer und gelungener Konzertabend. Das faszinierende für mich war zu beobachten, dass ein Filmmusik-Komponist in der Lage ist, eine Halle mit über 10 000 (!) Menschen zu füllen. Die Barclays Arena war ausverkauft. Genau, dazu sind meistens nur Popbands und Popmusiker in der Lage und genau, das ist Hans Zimmer mit seiner Musik: Ein äußerst erfolgreicher und guter Popmusiker.

 

Es muss ja irgendetwas in seiner Musik sein, das so viele Menschen dazu motiviert, sich an einem Sonntag Abend Filmmusik live anzuhören.

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

Das Konzept der gestrigen Show bestand darin, die Kompositionen eines Hans Zimmer in ein berauschendes audio-visuelles Gesamterlebnis einzubetten. Nicht, dass seine Musik das nötig hätte, aber die visuellen Effekte und Spezialeffekte untermauern die eigentümliche Qualität seiner Musik.

 

Auf der Bühne waren die Streicher wie ein U angeordnet, rechts und links von Ihnen auf einem Gerüst der Chor. In der Mitte waren einige Saiteninstrumente (Gitarre, Bass) sowie Holz- und Blechbläser und ethnische Instrumente platziert. Hinten-oben  in der Mitte spielte das wuchtige Schlagwerk-Ensemble.

 

Nachdem Dirigent Gavin Greenaway den Abend mit MAN OF STEEL eröffnete, leitete Hans Zimmer in einer Videoaufzeichnung den Abend auf einer riesigen Leinwand ein, begrüßte das Publikum und erzählte fortan den Abend hindurch einige Anekdoten und Geschichten zu den einzelnen Stücken, mal humorvoll, mal nachdenklich, mal euphorisch, mal verträumt und, etwas skurril, mal in Deutsch, mal in Englisch (wahrscheinlich ein Zusammenschnitt).

 

Diese kurzen, mal mehr, mal weniger informativen, Einschübe waren unterhaltsam und belustigend zugleich, insbesondere dann, wenn Produzenten-Legenden wie Jerry Bruckheimer oder Regisseure (wie der vollkommen lustlose) Guy Ritchie mit von der Partie waren.

 

Eines wurde am gestrigen Abend offensichtlich (und es lohnt sich Musik wirklich von Zeit zu Zeit live anzuhören): bei Hans Zimmer dominiert der Sound und es liegt Wahrheit in der Aussage, dass viele seiner Musiken mehr mit Sound Design, als mit ausgetüftelten Kompositionen gemein haben.

 

Dass seine Musik, sein Sound Design aber auch abseits der Bilder für sich alleine stehen können, bewies der gestrige Konzertabend in Hamburg.

 

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

Bildquelle: Rick Deckard Foundation

INCEPTION mit seiner kolossalen Klangarchitektur, der wuchtig-treibende Beat von THE DARK KNIGHT (Christopher Nolans Meisterwerk!) und die mystische Klangcollage von INTERSTELLAR waren gestern im wahrsten Sinne des Wortes sinnbildliche Beispiele für die Wirkmächtigkeit der Musik eines Hans Zimmer. Es ist die besondere Atmosphäre, die seine Musik kreiert, auch das wurde gestern deutlich. In der Zusammenschau mit den Videoprojektionen wurde das besondere Element an Zimmers Musik verdeutlicht.

 

Dass aber nicht nur dröhnende Soundteppiche sein Markenzeichen sind, sondern Hans Zimmer ebenfalls in der Lage ist Musik zu komponieren, die besonders die Gefühle anspricht, verdeutlichten seine Kompositionen zu NO TIME TO DIE (Zimmer erwähnte in seiner gestrigen Videobotschaft, welcher Adelsschlag es ist, zu dem erlesenen Kreis derjenigen gehören zu dürfen, die Musik für James Bond Filme komponieren), KUNG FU PANDA und THE PRINCE OF EGYPT.

 

Der von Billie Eilish mit dem Oscar gekrönte Song NO TIME TO DIE (Daniel Craigs Schwanengesang) wurde gestern auf einem Cello dargeboten und führte dadurch nicht nur den schönen, besonderen Klang dieses Instrumentes vor Augen, sondern auch die Schönheit der Komposition von Billie und Finneas Eilish. Warum der Track MATERA sich nicht in gestrigen der Set List befand, ist unerklärlich.

 

Die Musik aus KUNG FU PANDA machte deutlich, worin das Erfolgsrezept eines Hans Zimmer besteht: Die Kombination folkloristischer Instrumente, elektronischer Musik und Orchester zu perfekten Arrangements. Besonders gelungen in diesem Zusammenhang war gestern die Suite aus SHERLOCK HOLMES (Guy Ritchie).

 

Diese stilistischen Fusionen sind die grosse Qualität eines Hans Zimmer und sein Alleinstellungsmerkmal.

 

Bei PRINCE OF EGYPT dürften die Herzen klassischer Filmmusik-Fans höher geschlagen haben. Die opulente Suite mit süffiger Musik aus dem Animationsfilm zeigte auf, welche kompositorischen Qualitäten in Zimmer stecken. „Ganz grosses Kino“.

 

Den Schlusspunkt des gestrigen Abends bildeten Vocals und Suiten aus DER KÖNIG DER LÖWEN (was von den Hamburgern und dem Publikum besonders goutiert wurde) und natürlich als Encore eine Suite aus dem Johnny Depp Klassiker PIRATES OF THE CARRIBEAN.

 

Wie viele andere vor ihm (KRAFTWERK, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, DEPECHE MODE) betrachtet Zimmer den Computer, den Synthesizer als ein Musikinstrument der Moderne. Zimmer ist ein Künstler, der experimentiert, der tüftelt, der ausprobiert. Er passt nicht in das Schema des klassisch ausgebildeten Komponisten, der auf eine Musikhochschule geht, der den klassischen Werdegang durchläuft. Er ist eher der „Punk“ unter den Filmmusik-Komponisten, wenn auch diffiziler und melodischer als die klassischen Vorbilder.

 

Viele dürfte es gefreut haben, dass LISA GERRARD (GLADIATOR, Ridley Scotts spektakuläres Monumentalepos) und LEBO M (THE LION KING) live performten. Besonders hervorstechend war gestern aber PEDRO EUSTACHE, der sehr einnehmend die klangliche Vielfalt von folkloristischen Holzblasinstrumenten vorführte, wunderschön insbesondere bei DUNE: PART TWO.

 

THE WORLD OF HANS ZIMMER wurde gestern zur berühmten Wall Of Sound, zum unverkennbaren SOUND OF HANS ZIMMER.

 

Ein gelungenes Konzert, ein sinnliches audio-visuelles Erlebnis.

 

Vielen Dank von dieser Seite an die beiden Personen, die mir gestern dieses tolle Erlebnis durch das Geschenk einer Konzertkarte ermöglichten.

 

“You can only make a good noise on the guitar if you're committed. Little careful noise doesn't work. You have to be bold.” 

 

Hans Zimmer

 

(„Nur wenn man engagiert ist, kann man auf der Gitarre einen guten Sound erzeugen. Kleiner sorgfältiger Lärm funktioniert nicht. Man muss mutig sein.“)

 

Rick Deckard

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: