THE SOUND OF MUSIC

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  3. Dezember 2023, 18:45  -  #Film, #Filme, #Filmkritik, #Klassiker

THE SOUND OF MUSIC

Es gibt im Leben manchmal schöne Überraschungen. Im Oktober dieses Jahres fuhr ich im Chiemgau, im Berchtesgadener Land, die Rossfeld-Panaromastraße hoch. Es ist das Ende der deutschen Alpenstraße, die auf 1600 m Höhe endet. Es war ein herrlicher Herbsttag mit tiefblauem Himmel, warmen Temperaturen und Sonnenschein. Radfahrer, Amateure und Profis, quälten sich den Berg hoch, Motorradfahrer in Kolonnen genossen den Ausflug sichtlich und oben am höchsten Punkt befand sich ein Aussichtspunkt mit einem sprichwörtlich atemberaubenden Blick auf die Bergwelt: Auf der einen Seite Österreich, auf der anderen Deutschland. Allein der Ausblick verschlug mir den Atem.

 

Auf einer kleinen Anhöhe waren zwei Tafeln in Hüfthöhe auf Metallpfeilern angebracht. Ich lief hoch, um mir einen Überblick über die Region zu verschaffen. Oben angekommen verschlug es mir ein zweites Mal den Atem. Ich hatte mit Informationen zur Bergwelt gerechnet, doch auf den Tafeln waren Texte und Fotos in deutscher und englischer Sprache zu einem der größten Filmerfolge aller Zeiten zu sehen:

 

THE SOUND OF MUSIC.

 

Erzählt wird auf diesen Tafeln, wie amerikanische Produzenten die Geschichte der Familie v. Trapp, nach Kauf der Filmrechte, in ein Filmmusical umsetzten. Am unteren Rand sind drei schwarz-weiß Aufnahmen von den Dreharbeiten zu sehen, allerdings ohne die Stars.

 

Es war ein unbeschreiblicher Moment.

 

Ich stand an der Stelle, an der vor fast einem halben Jahrhundert Julie Andrews und Christopher Plummer von Robert Wise Regieanweisungen entgegennahmen. Plötzlich bekam der Ausblick einen ganz anderen Stellenwert. Natürlich war die Naturkulisse imposant, aber unverhofft an einem Ort zu stehen, an dem auch amerikanische Filmstars standen, das gab dem Augenblick etwas mystisches. Ich atmete die frische Luft ein und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Es war nicht nur ein mystischer, es war ein magischer Augenblick.

THE SOUND OF MUSIC

THE SOUND OF MUSIC ist einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, was nicht automatisch eine Garantie für eine entsprechende Qualität sein muss, von der eigenen Rezeption, der subjektiven Empfindung, einmal ganz abgesehen. Ich wurde neugierig, auch im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, warum ich diesen Film bislang noch nie gesehen hatte, insbesondere, da Robert Wise Regie führte.

 

Ich wollte den diesen Augenblick wiederholen, zu tief war der Eindruck. Gestern Abend war es soweit.

 

Lassen Sie mich am Ende anfangen. Als der Abspann vorüber war, hatte ich das Bedürfnis ihn gleich nochmal zu sehen. Heute morgen wieder das gleiche Begehren und das, obwohl ich kein großer Freund des Musicalgenre bin, obwohl Hollywood einige großartige Filme in eben jenem Gerne auf die Leinwand gezaubert hat. Warum der Film mich aber sofort begeisterte, hatte einen einfachen Grund:

 

No one is comfortable with an excess of hearts and flowers, but there is no valid reason for hiding honest emotion. This has always been a major element in the theatre, and it's my conviction that anyone who can't, on occasion, be sentimental about children, home or nature is sadly maladjusted."

Richard Rodgers

 

Ehrlicher und direkter als Richard Rodgers kann man es nicht formulieren. So einfach ist das und mitunter ein Grund für den weltweiten Erfolg. Rodgers zeichnete sich mit seinem kongenialen Partner Oscar Hammerstein II für Musik und Lyrik verantwortlich. Der Film ist eine Interpretation ihres gleichnamigen Bühnenmusicals.

 

THE SOUND OF MUSIC, was für seine Qualität spricht, ist ein so leichter, eine so gute Laune verbreitender, gefühlvoller und unbeschwerter Film, dass sein Klassiker-Status und immenser Erfolg am Box-Office nicht verwundert. Filme, Musicals mit solchen Themen, können schnell in Kitsch abgleiten, aber dieser Film hat etwas, was genau das verhindert: Stil.

 

Um das mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Nach einer Weile kommen sich die Hauptdarsteller näher, die von Julie Andrews gespielte Erzieherin Maria und der von Christopher Plummer (galant, würdevoll und mit Noblesse) gespielte Baron von Trapp. Diese Szene ist ein mustergültiges Beispiel für ein Höchstmaß an Professionalität. Obwohl dem Zuschauer klar ist, dass die beiden sich finden werden, wird mit einem perfekten Timing die Zeit bis zum erlösenden Kuss mit Spannung überbrückt. Kameraeinstellung, Ausleuchtung, Schauspiel, Musik, alles von einer beeindruckenden Perfektion. Wunderschön müssen solche Momente auf der großen Kinoleinwand gewesen sein!

 

Der Film eröffnet mit beeindruckenden Panoramaaufnahmen der Alpen. Erzählt wird eine Episode der Familie von Trapp, die es auch in Wirklichkeit gegeben hat. Erfolglos versucht der verwitwete Baron eine Gouvernante für seine Kinder zu finden, bis Julie Andrews in Gestalt von Maria erscheint und alles auf den Kopf stellt. Maria, die Nonne werden will, verlässt das Kloster auf Geheiß der Oberin, um dem Baron vorübergehend zu helfen.

 

Natürlich ist der Ausgang der Handlung klar, aber es geht weniger um die Handlung, als vielmehr um das wie.

 

Julie Andrews ist ein Ausbund an Lebensfreude und Positivität, die sich sofort auf den Zuschauer überträgt. Ihr in ihrer Nonkonformität und positiven Lebenseinstellung zu folgen, ist eine wahre Freude. Die (so eminent wichtige) Chemie zwischen Andrews und Plummer funktioniert, vor allem durch das gut austarierte und sehr gefühlvolle Spiel der beiden.

THE SOUND OF MUSIC

Die Musik und Songs (man sollte den Film unbedingt im Original sehen) sind auch nach fast 50 Jahren sofort eingängig. Die Symbiose der Musik von Rodgers mit den Texten von Hammerstein gelingt auf fabelhafte Weise. Man hat das Gefühl die Melodien zu kennen.

 

Regisseur Robert Wise drehte über 70 Jahre Filme mit einigen Höhepunkten in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, WEST SIDE STORY (mit der Musik von Leonard Bernstein!), THE SAND PEBBLES und THE ANDROMEDA STRAIN (einer der besten Science Fiction Filme überhaupt). Genauso, wie beide Schauspieler, gehörte er in der goldenen Ära Hollywoods zu den sogenannten versatile artists, die in nahezu jedem Genre zu überzeugen wussten. Grosse Künstler!

 

Dieses Jahr war das Jahr der sich schließenden Kreise und einhergehend damit der Eröffnung neuer Welten, neuer Verbindungen. Der magische Augenblick auf der Rossfeld-Panoramastraße wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben. THE SOUND OF MUSIC spielt in großen Teilen in und um Salzburg, einer Stadt, in der ich wenige Tage später einen äußerst berührenden und bewegenden Moment erleben durfte. Doch dazu mehr im bald folgenden persönlichen Musik-Rückblick 2023.

 

THE SOUND OF MUSIC ist ein Klassiker, ein Evergreen und ich werde Julie Andrews wieder und wieder genießen, wenn sie tanzend und singend die Berge zu Leben erweckt. Fürwahr großes Kino. Die Antwort, warum ich den Film bislang noch nie gesehen habe ist einfach, wie immer menschlich und wie immer falsch: Vorurteile.

 

Passend zu dem Thema kam die Nachricht, dass die Filmmusik im Dezember dieses Jahres in mehreren Editionen neu veröffentlicht wird.

 

“The hills are alive with the sound of music with songs they have sung for a thousand years. The hills fill my heart with the sound of music. My heart wants to sing every song it hears.”

Maria aka Julie Andrews.

 

Aus Österreich,

 

Rick Deckard

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