Im Herzen der See - Ron Howard

von Rick Deckard  -  31. Juli 2016, 17:10  -  #Filme

Im Herzen der See - Ron Howard

Der Film erzählt die Geschichte der Besatzung des Walfängers Essex, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufmacht, um Wale zu erlegen und zu verarbeiten, weil die Industrie mit dem Öl viel Geld verdient.

Hauptdarsteller ist der von Chris Hemsworth gespielte Obermaat Owen Chase, der sehnsüchtig auf ein Kapitäns-Patent wartet, es aber trotz Zusage auch dieses Mal nicht erhält. So muss er sich Capitän George Pollard beugen, einem Sprössling einer Dynastie von Seemännern, ohne grosse Erfahrung.

Mit den beiden macht sich eine Mannschaft von erfahrenen Walfängern und jungen Seeleuten von Nantucket aus auf in den Atlantik und später in die Weiten des pazifischen Ozeans, in das Herz des Meeres, wo sie auf einen riesigen weißen Buckelwal treffen ... .

Im Herzen der See, von Ron Howard verfilmt, beruht auf Buch von Nathaniel Philbrick Im Herzen der See. Die letzte Fahrt des Walfängers Essex. Im Film wird geschildert, wie der Romanautor Herman Melville ein Mitglied der ehemaligen Besatzung aufsucht, um sich die Geschichte erzählen zu lassen. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, was sich seinerzeit auf hoher See ereignete. Zeitgleich lieferte die Geschichte die Grundlage für einen Jahrhundert-Roman: MOBY DICK.

Ron Howard gehört, wie z.B. Tony Scott, zu den Regisseuren, die Mainstreamkino ohne grossen Anspruch produzieren. Heraus kommen dabei meistens Filme mit grossem Unterhaltungswert, gelegentlich überdurchschnittlich, ohne dass sie jemals den Status eines Meistwerkes erreichten.

Ähnlich verhält es sich mit diesem Film. Im Herzen der See bietet zwei Stunden gute Unterhaltung mit soliden schauspielerischen Leistungen und einer fesselnden Dramaturgie.

Er zeigt, wie gefährlich und entbehrungsreich, und das ist das Positive, solche Reisen  für die Seeleute waren, welchen Gefahren und Strapazen sich Menschen ausliefern mussten, bei denen sie oft Jahre (!) von ihren Familen getrennt waren, ohne zu wissen, ob sie jemals heimkehren würden. Ausgeliefert der unbarmherzigen Natur und bei der Navigation angewiesen auf Sextant, Kompass, Karten, die Sonne und die Sterne. Das zu zeigen, gelingt Ron Howard und seinem Team mitreißend gut.

Der Kampf Mensch gegen Tier in den rohen Naturgewalten des Meeres. Diesem Höhepunkt steuert der Film konsequent zu. Wer wird am Ende gewinnen?

Augenscheinlich auffällig und negativ ist die technische Machart des Films. Ein episches Gefühl kommt zu keiner Zeit auf. Zu sehr gekünstelt und häufig auch billig wirken die zahlreichen Spezialeffekte, die sich nicht harmonisch in die Bildsprache einfügen, sondern immer wieder als solche zu erkennen sind, was in der Summe bei der Betrachtung des ansonsten sehr schön fotografierten Filmes stört, ebenso die Verwendung von Filtern. In diesem Punkt war Scott überlegen, denn er machte sich nie die Mühe, diesen Effekt zu kaschieren. Leider drehte Howard auch nicht im Scope-Format, so dass Im Herzen der See gelegentlich wie ein aufgeblasener Fernsehfilm wirkt.

Das alles trübt aber am Ende nicht die Qualität, was der Inszenierungskunst und dem Drehbuch geschuldet ist. Die Geschichte wird schnell vorangetrieben und straff erzählt und am Ende schafft es Howard jenen Mythos und das Interesse an diesem grossen weißen Wal wieder zu beleben, jenes Tier, was durch Melvilles Roman weltberühmt wurde. Man versprürt am Ende des Films den Wunsch MOBY DICK wieder in die Hand zu nehmen und zu lesen. Wenn das kein guter Nebeneffekt ist!

Der Roman inspirierte unzählige Schriftsteller, Künstler und auch Regisseure. Lesen Sie dazu den Beitrag von Alan Lomax weiter unten, den ich in seiner Aussage vollends zustimmen kann, insbesondere:

"Aber wer ein hoffnungsvoller Romantiker ist und sich für die Seefahrt begeistert kommt um diesen Stoff, ob im Roman oder als Film, nicht herum."

Auch wenn Im Herzen der See vermutlich nie einen Klassiker-Status erreichen wird, wie einst der Film von John Huston, so werde ich ihn dennoch in meiner Filmbibliothek archivieren, weil ich ihn mit Sicherheit ein zweites Mal werde sehen wollen.

Die Kunst eines Ron Howard!

Aus Nantucket,

Rick Deckard

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