Zodiac – David Fincher
Kürzlich erwähnte Rick Deckard, im Zusammenhang des von uns beiden sehr verehrten Filmes ALL THE PRESIDENTS MEN von Alan J. Pakula, den Film ZODIAC von David Fincher. Und obwohl ich ZODIAC bereits zwei Mal gesehen habe, so habe ich den erzählerischen Perspektivvergleich Bernstein/Woodward – Graysmith/Avery noch nie so gesehen.
Da ich momentan obsessiv versuche hinter das Geheimnis der perfekten Erzählstruktur von Filmen zu kommen, ich noch mal die wunderbaren Bücher von William Goldman „Wer hat hier gelogen?“ und „Das Hollywood-Geschäft“ quer gelesen habe, mir zudem ZODIAC nochmal angesehen habe, ist mir dieser sekundär Hinweis von Deckard, doch jetzt erst in mein cineastisches Mark vorgedrungen.
Ausgehend davon, dass der Film über die Taten des Serienmörders, Ende der 1960er Jahre in Kalifornien erzählt und somit bestätigend, dass er im höchsten Maße verstörend, Angst einflößend und meisterhaft ist und auf diesen Seiten längst besprochen werden gemusst hätte, gibt es einige weiterführende Gedanken, denen ich mich hier kurz als Notiz und öffentlichen Eintrag an mich selbst widmen möchte:
Notiz 1
Lomax! Wenn es neben Deinem Alfred Hitchcock Lieblingsfilm „Im Schatten des Zweifels“ einen weiteren Film gibt, der den Zuschauer couragiert die Rolle des Beobachters und Entscheiders zuweist und ihm die Möglichkeit offen lässt eine der möglichen Beobachterperspektiven anzunehmen, dann ist es David Finchers ZODIAC!!
Randbemerkung zu Notiz 1
Es ist unglaublich und fängt damit an, dass Fincher auf keinen Fall will, dass man sich einen Feel-Good-Modus begibt, weil der Streifen hauptsächlich in San Francisco spielt. Ständig denkt man an modernere Serien wie THE WIRE, TRUE DETECTIVES oder AMERICAN CRIME an irgendwelche amerikanischen Durchschnittsindustriestädte, wie Detroit oder Boston. Selbst Hitchcock hat es bei VERTIGO nicht geschafft, San Francisco so bedrohlich wirken zu lassen. Und das obwohl Finchers Film hauptsächlich in der Hippiezeit spielt, wo doch angeblich alles entspannt, bunt und blumig war?!
Wenn man sich für Amerika und die jüngere Geschichte des Landes interessiert, sind die Bilder in diesem Film, die kleinen technischen Spielerein (Entstehung des Hochhauses) und Anspielungen auf die Alltagsrealität (z. B. Dirty Harry Film) echt unterhaltsam.
Notiz 2
Wir sind täglich auf der Suche nach Meisterwerken, dem Film der alle anderen in den Schatten stellt, das epochale Werk welches besser ist als all‘ die anderen! Bei ZODIAC ist mir klar geworden, dass es Filme gibt, die von uns verehrte Attribute wie Suspense, Action und Technik nicht neu definierten, sondern spielen den Zuschauer in seinen Sehgewohnheiten komplett zu irritieren.
Notiz 3 …an Rick Deckard
Alter, Du hast Recht! Die idealisierenste Perspektive ist nicht die Täterperspektive bzw. die des zum Teil mitleidenswerten Kommissar Dave Toschi (Mark Ruffalo), sondern die des manipulativen Medienspiels bzw. die Ausnutzung des Nachrichtenapparates des Täters und die Ohnmacht des Journalisten Paul Avery (Robert Downey jr.) und des Karikaturisten Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal). Die dabei entstehende dokumentarische Qualität des Alan J. Pakula „Die Unbestechlichen“ von (1976) ist nicht von der Hand von zuweisen, sondern führt das Thema Manipulation und Journalismus auf eine persönlichere Ebene als es der 1970ziger Streifen geschafft hat. Insofern geht die Geschichte von Graysmith als Identitätsfigur auch mehr zu Herzen. Ob das nun im direkten Vergleich zu Bernstein/Woodward gut ist, wäre zudem interessant zu hinterfragen. Obwohl es aus meiner Sicht nur noch ein 1:2 Vergleich wäre, da Avery durch mangelnde Selbstachtung ausscheidet.
Graysmith Kontrollbedürfnis steht somit nicht nur für den spannenden Charakter des Filmes in Form von Selbstverzweiflung bzw. sogar Selbstzerstörung (Avery), sondern steht auch stellvertretend für unsere Zeit mit der Mehrzahl der Menschen, die im Prinzip einer gewissen Hilflosigkeit unterliegen. Sei es nun gesellschaftlicher, beruflicher oder privater Natur, wobei das Thema Kontrollverlust eine zentrale Rolle spielt.
Und Fincher ist zu dem natürlich ein Zyniker. Selbst den ständig ruhigen, ausgleichenden, neugierigen und klug agierenden Kommissar Toschi, der eigentlich der Held in der Geschichte ist, wenn man danach fragen würde, scheitert und hinterlässt uns Zuschauer mit einer einfachen Botschaft, überhaupt nicht offen und verstörend wie es der Regisseur bei Se7en tat, sondern aufgeklärt besonnen zurückhaltend („Haben Sie zufällig eine Packung Kekse“).
Notiz an Alle
Wenn es nur Filme auf diesem Niveau geben würde, wäre dieser Film nicht unter den Top 10 besten Filme aller Zeiten. Da es aber nicht mal Ansatzweise eine Handvoll Filme gibt, die sich auf diesem Niveau in dem Genre bewegen, gehört er zu den besten. Und das liegt diesmal nicht an einer Schauspielleistung, einer Kameraführung, einer genialen Schnitttechnik (die hier wirklich genial ist, weil Fincher erstmalig ein digitales Cutterprogramm verwendet hat, was ihm schnellere Schneidetechniken und –Entscheidungen, wahrscheinlich auch zu einigen Spielerein veranlasst hat), der Musik, der Wirkung des Filmes oder der des künstlerischen Ansatzes, sondern an der Möglichkeit die hier genutzt wurde, einen zeitlosen, anspruchsvollen Klassiker gefilmt zu haben, der nach 2007, nur noch David Fincher selbst übertroffen wurde und zwar mit Gone Girl (2014), der nicht nur an Hitchcocks „Suspicion“ (1941) erinnert, sondern auch auf Hitchcock grundsätzliche psychologischen Nuancen Anspruch setzt.
Ach, es macht doch immer wieder Spaß den alten Helden Respekt zu zollen. Und gerade bei dem unumstrittenen Meister des Kinos Alfred Hitchcock weht ja inzwischen ein Hauch von Unerreichbarkeit.
Der Unterschied zu Fincher, bei allen Hitchcock Epigonen der Vergangenheit, ist der, dass er kein Epigone sein möchte und Hitchcock wenig zitiert und motivisch wenig variiert. Man merkt das auch bei jeder einzelnen Einstellung von ZODIAC. Aber David Fincher ist wohl der erste der mehr will und durch seinen Versuch der Irritation, des Verdachtes und der Manipulation mehr als ungewöhnliche Wege geht, sondern es mit zusätzlichem Vermögen, der vielleicht größte lebende Regisseur der Gegenwart wird.
Aus einem ökologisch, orangenen kleinen Golf 1!
Alan Lomax
Gone Girl - David Fincher - www.lomax-deckard.de
Um es gleich vorweg zu nehmen: Der neue Fincher Streifen GONE GIRL ist ein atemberaubendes Meisterwerk und sein bester Film seit SE7EN. Und es wird Zeit, dass wir (Deckard und ich) diesen ...
http://www.lomax-deckard.de/2015/02/gone-girl-david-fincher.html
Die Unbestechlichen - Alan J. Pakula - www.lomax-deckard.de
Lomax & Deckard bei der Arbeit Woodward & Bernstein. Lomax & Deckard. Ob ich grössenwahnsinnig bin? Nein. Aber ich entdecke Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Reportern der Washington Post und den
http://www.lomax-deckard.de/2016/05/die-unbestechlichen-alan-j-pakula.html