Die Unbestechlichen - Alan J. Pakula

von Rick Deckard  -  11. Mai 2016, 20:05  -  #Klassiker

Lomax & Deckard bei der Arbeit

Lomax & Deckard bei der Arbeit

Woodward & Bernstein. Lomax & Deckard. Ob ich grössenwahnsinnig bin? Nein. Aber ich entdecke Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Reportern der Washington Post und den beiden Schreibern dieses Blogs. Akribisch sind wir nicht, professionell auch nicht, leidenschaftlich alle mal. Gerade letzteres ist es, was die beiden Journalisten schlussendlich zum Erfolg führte. Diese Eigenschaft fiel mir gestern das erste Mal auf, als ich den spannenden Politthriller von Alan J. Pakula sah und die legendäre Paranoia Trilogie damit nach KLUTE und THE PARALLAX VIEW abschloss.

Ein Thriller, der vom Anfang bis zum Ende fesselt und das, obwohl kein einziger Schuss fällt, keine Special Effects-Orgien wüten und kein Comic Helden Duo vor moralische Fragen gestellt wird. Nur mal zum Vergleich, auch wenn das inflationsbereinigt anders aussähe und zu der damaligen Zeit auch sehr viel Geld war: Die Produktionskosten beliefen sich auf 8 Mio Dollar. Der letzte Bond und andere Filme dieser Grössenordnung kosten derzeit etwa eine 1/4 Milliarde Dollar. Wahrscheinlich kostet die Produktion eines Films in 50 Jahren 100 Milliarden Dollar, weil an Originalschauplätzen auf dem Mars gedreht wird.

Ich weiche ab.

Das Drehbuch zum Film schrieb kein geringerer als der brillante William Goldman, dessen Bücher  "Wer hat hier gelogen" und "Das Hollywood Geschäft" ich Film-Interessierten ans Herz legen kann. Man muss sehr genau aufpassen und zuhören, denn es fallen eine Unmenge an Namen und Institutionen, die Handlung schreitet schnell voran. Die Geschichte der US-Amerikanischen Politik muss man zwangsläufig nicht kennen, auch nicht die politischen Zusammenhänge der damaligen Zeit.

Trotzdem der Film dialoglastig ist, ist er ungeheuer spannend und das ist das grosse Verdienst des Regisseurs, seines Drehbuchautoren und der beiden exzellenten Hauptdarsteller Robert Redford und Dustin Hoffman, die perfekt harmonieren, mit einer schauspielerischen Leichtigkeit, als würden sie sich seit Kindesbeinen an kennen. Das nennt man perfekte Chemie zwischen Darstellern!

Als in das Gebäude der Demokraten eingebrochen wird, fällt der Bruch auf und die 5 Täter werden inflagranti ertappt sowie kurzerhand dem Richter vorgeführt. Die Washington Post schickt einen Neuling, Bob Woodward, gespielt von Redford, zu dem Prozess, in der Annahme es sei eine Randnotiz. Als die Angeklagten dem Richter vorgeführt werden, kommt es zu dem berühmten Moment, der den Stein ins Rollen bringt. Einer der Verhafteten gibt an bei der CIA tätig gewesen zu sein. Diese eher beiläufig von den anderen Anwesenden vernommene Bemerkung ist es, die Woodward stutzig macht. Warum sollte ein ehemaliger Mitarbeiter des CIA in das Gebäude der Demokraten einbrechen, zumal die Wiederwahl von Präsident Nixon ansteht?

Die Verantwortlichen bei der Post belächeln die vermeintliche "Story" und winken ab, doch Woodward bleibt hartnäckig. Carl Bernstein, ein erfahrener Kollege, fängt an die Texte von Woodward zu korrigieren und so finden beide zunächst widerwillig zueinander. Als der verantwortliche Herausgeber ein Potential erkennt, setzt er beide auf die Geschichte an und nennt beide fortan "Woodstein".

Die beiden Journalisten gehen mit ungeheurem Fleiß, Leidenschaft und einer unbestechlichen  Aura ans Werk und entdecken mehr und mehr Ungereimtheiten, je tiefer sie in das Dickicht eines Netzwerkes aus Politik, Geheimdienst und Justiz vorstoßen. Sie sind sich v.a. unklar bezüglich des Motives: Warum bricht jemand in das Wahlkampfbüro der Demokratischen Partei ein?

Sie kommen nicht voran, als unverhofft ein Informant namens "Deep Throat" Kontakt mit Woodward aufnimmt und ihn auf die richtige Spur bringt ... .

Technisch ist der Film überragend inszeniert. Der geniale amerikanische Kamermann Gordon Willis (die Pate-Trilogie, später Stammkameramann bei Woody Allen), setzte den Inhalt des Filmes, die Verlorenheit- und Machtlosigkeit des Individuums vor einem gigantischen Machtapparat perfekt in Bilder um. Sowohl die Kamerafahrten, als auch sein berühmtes Spiel mit Licht & Schatten ist nicht nur sehenswert, sondern trägt zu einem grossen Teil zum Erfolg des Filmes bei. Die Aufnahmen in der Redaktion sind grell, hell, lichtdurchflutet und mit enormer Tiefenschärfe, die Bilder ausserhalb der Gebäude spielen meistens im Dunkeln, Gesichter sind nur spärlich beleuchtet zu sehen. Meisterhaft!

Da der Film über eine stringente eigenständige Dramaturgie verfügt, ist eine zusätzliche Untermalung mit Musik kaum notwendig und auch nicht förderlich und dementsprechend spartanisch fällt die Musik von David Shire aus, die aber punktgenau und kurz einige wichtige Szenen untermalt.

Der Film ist ein seltenes Beispiel für eine mehr als gelungene Verfilmung eines Tatsachenberichtes und filmhistorisch einer der besten Filme als auch Politthriller aller Zeiten.

Man mag mir und Lomax gelegentlich vorwerfen in Bezug auf Filme nostalgisch zu sein, aber "All The President's Men" (so der wunderbare Originaltitel) zeigt, warum wir ein Faible für solche Filme haben: Sie sind von zeitloser Qualität, von einer beeindruckenden Ästhetik und grossem filmischen Gewicht.

Klassiker.

Hollywood ist nicht in der Lage solche Filme zu produzieren, wobei ich "Spotlight" von Tom McCarthy noch nicht gesehen habe, zu häufig und zu schnell verpuffen in letzter Zeit viele Politthriller, weil sie nach dem schnöden Mammon gieren und Sensationslust generieren wollen, statt Qualität.

Welche Möglichkeiten hätte die Wikileaks Affäre geboten und wie nachlässig und oberflächlich wurde mit dem Thema filmisch umgegangen (den Bill Condon Film mit Cumberbatch werde ich mir nicht ansehen)!? Das ist traurig. Da hätte es eines Oliver Stone bedurft, wie zu seinen besten Zeiten, oder auch eines Constantin Costa-Gavras.

"Die Unbestechlichen" hat Lust gemacht auf noch mehr Thriller aus dieser Zeit und ich liebäugele demnächst mit "Der Marathon Mann" von John Schlesinger.

Ausserdem sehr zu empfehlen, da ähnlich bestechend inszeniert: Zodiac von David Fincher.

Aus der Lomax & Deckard Blog-Redaktion

Rick Deckard

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