Gone Girl - David Fincher
Um es gleich vorweg zu nehmen: Der neue Fincher Streifen GONE GIRL ist ein atemberaubendes Meisterwerk und sein bester Film seit SE7EN. Und es wird Zeit, dass wir (Deckard und ich) diesen Ausnahmeregisseur und Cineasten auf eine Ebene mit TERRENCE MALICK, MARTIN SCORSESE (Mentor) und MICHAEL CIMINO heben, um von den lebenden Meistern zu sprechen und ihn weiterhin vormerken, eines Tages ALFRED HITCHCOCK vom Thron zu stossen.
Es müsste eigentlich auch so sein wie zu HITCHs Zeiten. Die Städte müssten zu plakatiert sein, mit dubiosen Plakaten und reisserischen Aufforderungen und Ankündigungen versehen, dass demnächst der neue FINCHER ins Kino kommt. Die Kino-Säle müssten voll sein, die Zeitungen darüber schreiben, dass Frauen, sowie Männer heulend und geschockt aus den Theater kommen und morgens in den U-Bahnen und Büros dieser Welt, ist das Thema des Tages nicht die Grippewelle, sondern der neue Fincher.
Heutzutage ist das natürlich alles anders. Die Presse und die Kinomedien berichten lieber über REESE WITHERSPOON die sich schon sehr früh die Filmrechte an dem Buch von GILLIAN FLYNN gesichert hatte und auch DAVID FINCHER begeistern konnte, allerdings nicht mit ihrer Idee die Hauptrolle zu spielen. Eitelkeiten, Juristereien, dreckige Wäsche waren die Folge. Und nur alleine aus dem Grund, weil Fincher sehr früh verstanden hatte, dass die weibliche Hauptrolle wie die von Madeleine Elster anzulegen ist. Mit Rosamund Pike hat er dann auch die Schauspielerin gefunden, die nicht nur die gleichen Gesichtszüge wie Kim Novak hat, sondern auch ihre Fähigkeit zwischen unnahbarer Schönheit und tragischer Figur zu pendeln, ohne den Film so stark zu belegen, dass es ihre Show wird. Für diese Leistung wird sie heute Abend in L. A. den Oscar erhalten. REESE WITHERSPOON nimmt die Rolle der Tippi Hedren ein. Mit Ben Affleck hat Fincher übrigens eine ebenso tolle Idee gehabt. Er spielt den typischen Beau der in eine Geschichte gerät, die er sich nicht mal in seinen schimmsten Alpträumen hätte vorstellen können. Affleck macht das gut, obwohl er kein guter Schauspieler ist. Denn er sieht gut aus, das reicht. Gary Cooper hat in vielen seinen Filmen für Hitch keine andere Rolle gespielt.
Ich erwähne das bewusst subjektiv und bewusst respektvoll: Fincher hat sich an den Meister getraut, zitiert VERTIGO an vielen Stellen, ohne ihn zu kopieren, sondern im Prinzip auf eine nächste Stufe zu führen. Und zwar nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich, was die Romanvorlage und somit die Themen Partnerschaft, Hörigkeit, Ehe und Liebe angeht.
Die Vorlage des Buches scheint epochal zu sein! Ich habe den Roman bisher nicht gelesen. Was nach dem Film aber übrig bleibt, ist ein lautes BOAH und zwar darüber, wie FLYNN es schafft ein neues fragiles Bild der Ehe zu schaffen und zum Teil tatsächlich noch nie gestellte Fragen stellt, zynisch abhandelt, aber ganz bestimmt die Architektur und Sinnhaftigkeit einer solch langen Beziehung in Frage stellt.
Die Geschichte zusammenzufassen wäre von anfang an gespoilt. Jedes Wort zu viel! Die Wendungen sind geschickt und absolut notwendig um die komplexe, geheimnisvolle und doppeldeutige Geschichte am laufen, am funktionieren zu halten.
Wie das Fincher gelingt, wie er ganz nebenbei, weitere Themenläden (Medienkritik) aufmacht, wie er mit Geschwindigkeiten in einzelnen Szenen und Schnittfolgen spielt, wie er das Publikum an der Nase rumführt und wie er Trent Reznors mutigen Score vernetzt als Mittel zum Film einsetzt und überhaupt verstanden hat, dass SUSPENSE nicht bei HIGHSMITH und HITCHCOCK geendet hat, ist mit einem Wort FASZINIEREND.
Ich hebe alle meine Kinoarme, steige als erster auf den Stuhl, halte ein Plakat in die Luft und rufe: Dieser Film ist ein MASTERPIECE!
Alan Lomax
P.S.: Am liebsten würde ich den ganzen Tag über diesen gestrigen tollen Kinoabend berichten, eben weil es den so selten gibt, weil es solche Filme nur alle paar Jahre gibt! Ich bin voller Euphorie und würde am liebsten die ganze Welt umarmen vor Glück! Daher musste ich mich auch gerade zurückhalten. Gespoilert wird hier nicht und anders lässt sich dann die Länge der Besprechung nicht bewerkstelligen!