Tinker Tailor Soldier Spy - Alberto Iglesias

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Februar 2012, 19:26  -  #Orchestrale Musik

Iglesias

Manchmal fällt es schwer über Musik zu schreiben.

Dann nämlich, wenn eigene Fähigkeiten, v.a. die zur Rezeption, an Grenzen gelangen. Ich glaube, ich würde Alberto Iglesias unrecht tun, schriebe ich es handele sich um eine schlechte Filmmusik. Denn dann würde ich das Gehörte nur abgleichen mit dem Speicher an Musik in meinem Kopf und v.a. meinen Erwartungen. Die Fähigkeit Musik zu analysieren und zu verstehen setzt einiges an Wissen voraus. Um selbstkritisch zu sein: dazu müsste ich Musik studiert oder über Jahre selbst musiziert haben.

Warum dieser Prolog?

Musik zu hören ist einerlei, sie aber kritisch, neutral und objektiv zu bewerten sehr schwer. Man neigt schnell dazu einen Verriss zu schreiben, nur um sich möglichst elegant aus der Affäre zu ziehen.

Was heisst das alles im Falle von 'Tinker Tailor Soldier Spy'?

Die Musik hat mich einiges an Geduld gekostet. Der erste Titel 'George Smiley' ist der beste und hörenswerteste Track der Musik. Schöne Musik mit dezenten Anleihen beim Jazz, kombiniert mit einem kleinen Streicher-Ensemble auf der Basis synthetischer Klänge. Das Stück (Suite) ist so gut, dass man sogleich auf repeat drücken muss. Doch mit diesem ersten beeindruckenden Stück Musik hat der Soundtrack sein ganzes Pulver bereits verschossen.

Ich schreibe bewusst Soundtrack, denn hier ist Filmmusik als das zu hören, was sie nach wie vor vornehmlich ist: Funktionsmusik. Musik geschrieben zu einem bestimmten Zweck. Die nun folgenden 55 min sind eigentlich nichts anderes als "durchschnittlich". Keine grossen Ausschläge nach oben oder unten, keine Musik reich an thematischem Material, keine Melodien, die einem nach dem ersten Hören im Kopf bleiben.

Doch genau hier kommen wir zum Ausgang des Beitrags zurück. Muss es deswegen gleich schlechte Filmmusik sein? Ich habe den Film leider noch nicht gesehen, werde dies aber definitiv nachholen, allein schon Gary Oldman wegen, könnte mir aber gut vorstellen, dass sie hervorragend zum Film passt, liest man um welches Sujet es sich handelt und dass John le Carré der Autor der Vorlage ist.

Haben Spionage-Thriller überhaupt einmal aussergewöhnliche Musiken hervorgebracht? Ich kann mich zumindest nicht erinnern. 'Der Spion der aus der Kälte kam', 'Lemmy Caution', 'Spione wie wir' etc. Eigentlich alles keine grossen Filmmusiken. Einzig die von Jerry Goldsmith zu 'The Russia House' ist dem Gedächtnis noch verhaftet, weil sie u.a. auch ein schönes und melodisches Thema hatte.

Iglesias Musik ist verhalten, hat beschreibenden Charakter, sorgt für eine bestimmte Stimmung und liefert so den fehlenden Baustein zum Ganzen. Das Klavier spielt hier und da eine Rolle, die Trompete im o.g. ersten Titel, dazu ein kleines Orchester. Sprichwörtlich ist Alberto Iglesias kein Verfechter der grossen Töne. Alles ist bedächtig und z.T. auch sehr behäbig.

Man muss es leider so formulieren: der Soundtrack als reines Hörvergnügen abseits der bewegten Bilder hat eher sehr begrenzte Qualitäten. Zudem ist er mit einer Stunde auch viel zu lang. Eine Tatsache, die immer lästiger und nerviger wird. Freut man sich einerseits darüber, dass immer mehr Filmmusik veröffentlicht wird, ist es auf der anderen Seite auch stets eine Qual.

'Weniger ist mehr', diese Devise hätte der Veröffentlichung (und vielen anderen) gut getan.

Ich freue mich sehr auf den Film.

Alberto Iglesias ist dieses Jahr einer der Nominierten für den Oscar in der Sparte 'Best Original Score'

Rick Deckard

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