Hoffnung
Gäbe es Hollywood nicht, so hätte ich weder von Harvey Milk, noch der Schwulenbewegung der 70'er Jahre in San Francisco erfahren. Soviel zum Thema 'Bildung' durch das Kino. Vor einigen Jahren hatte Ang Lee mit 'Brokeback Mountain' versucht, sich dem Thema Homosexualität mit den Mitteln des Mainstream zu nähern, was meines Erachtens vollständig und katastrophal scheiterte. Ich war also etwas skeptisch und voreingenommen diesem Film gegenüber, umso mehr, als dass ich ein reaktionärer Heterosexueller bin. Aber Gus van Sant der sich in den 80'er Jahren selbst als Homosexueller offenbarte näherte sich, vielleicht auch bedingt durch seine eigene Homosexualität, vollkommen anders an das Thema heran. Die ersten Minuten des Filmes machen es einem aber auch nicht leicht, in der Milk in einer U Bahn Station in New York Bekanntschaft mit seinem zukünftigen Partner macht. Schon da war ich geneigt den Film abzuschalten aber hielt durch und wurde belohnt. Nichts gegen die Liebe und in welcher Form und wer mit wem auch immer, aber es ist genauso, als würde man einem Menschen der im Rollstuhl sitzt ständig auf die Schulter klopfen und sagen es sei nicht so schlimm, dass er behindert sei.
An diesem Punkt muss ich inne halten und Sean Penn würdigen. Der Macho schlechthin spielt einen Schwulen. Das allein war schon ein Signal in Hollywood und nicht umsonst wurde der Film und sein Inhalt in Zusammenhang mit der liberalen Obama Ära in Verbindung gebracht. Aber zurück zu Penn. Ich liebe das Kino nicht nur wegen der Geschichten die es erzählt, sondern auch wegen der Verwandlungen der Schauspieler und die Art und Weise wie Sean Penn Harvey Milk spielt ist absolut beeindruckend und der Oscar mehr als verdient. Penn setzt alles ein um die Figur auf der Leinwand zum Leben zu erwecken: Seine Mimik, seinen Körper, seine Stimme. Eine Glanzleistung. Denke ich an den Film zurück, dann kommt mir immer wieder dieses riesige Grinsen vor Augen, der Witz in Penn's Augen und sein jungenhafter Charme. Würde Laurence Olivier noch leben, er würde auf die Knie fallen.
Was wir zu sehen bekommen ist das Leben des homosexuellen Bürgerrechtlers und Politaktivisten Harvey Milk, der in den 70'er Jahren von New York mit seinem Partner nach San Francisco zieht, dort in der Castro Street oder Viertel, damals der Anziehungspunkt für Homosexuelle aus ganz Amerika, ein Geschäft aufmacht und sich nach und nach für die Rechte der Schwulen und gegen Diskriminierung andersartiger einsetzt. Er schafft es in den Stadtradt gewählt zu werden. van Sant zeigt dies alles ohne den pädagogischen Zeigefinger, mit sehr viel Witz, Ironie und etwas Pathos, aber auch mit der nötigen Sorgfalt und porträtiert somit ganz im Stile der Filme der Siebziger Jahre ein politisches Bild der Vereinigten Staaten. Das Drehbuch von Dustin Lance Black, der ebenfalls einen Oscar erhielt, ist sehr gut recherchiert und schafft es den Zuschauer bis zum Ende zu fesseln. Der Film nimmt in der 2. Hälfte an Fahrt auf und endet mit einer unglaublich schönen und bewegenden Sequenz. Das was Sean Penn aka Milk aus dem Off sagt hat seine Gültigkeit bis heute nicht verloren. Es ist allen Beteiligten an diesem Film zu danken, denn im Grunde ist es unabhängig von der filmischen Form eines Biopic nichts anderes als Erinnerung und Aufforderung zu Toleranz und zur Akzeptanz von "Andersartigen" ohne Vorurteile. Wahnwitzig in diesem Zusammenhang die Argumentation der politischen Gegner von Milk. Was da an Erklärungen gesucht wird und wie 'Andersartige' in der Öffentlichkeit diffamiert wurden ist beispielhaft für die Bigotterie einer Gesellschaft.
Josh Brolin spielt erst den Freund, dann den politischen Widersacher von Milk und verkörpert das, was im Grunde noch immer den Zwist in der amerikanischen Gesellschaft ausmacht: Freiheitsdrang versus Moral. Interessant übrigens wie Brolin, den ich für einen aufsteigenden und sehr talentierten Schauspieler halte, seine Rolle spielt!
"Hoffnung ist wie ein Pfad. Am Anfang existiert er noch nicht, er entsteht erst, wenn viele Menschen den gleichen Weg gehen."
Lu Xin
'Milk' ist ein sehenswerter Film.
Bildquelle: Copyright Focus Features und Constantin Film