FIRST BLOOD (RAMBO) von Ted Kotcheff - Teil V der Retrospektive

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  15. Juli 2019, 07:58  -  #Klassiker

FIRST BLOOD (RAMBO) von Ted Kotcheff - Teil V der Retrospektive

Es war der Anfang einer neuen Zeitrechnung. Die Siebziger Jahre waren Geschichte, New Hollywood war Geschichte, die Ära der Blockbuster hatte begonnen, Spielberg und Lucas hatten das Kino für immer verändert.

War Hollywoods filmische Auseinandersetzung mit Vietnam bis dato geprägt von einer kritischen Haltung dem Establishment gegenüber, mit politisch ambitionierten Filmen und schuf sie mit THE DEER HUNTER und APOCALYPSE NOW Meisterwerke der Filmgeschichte, so trat nun ein Italo-Amerikaner auf die Bühne, der zusammen mit Arnold Schwarzenegger ein ganzes Jahrzehnt prägen sollte: Sylvester Stallone machte mit FIRST BLOOD 1982 den Anfang. Erst schiessen, dann reden. Willkommen in den 80er Jahren!

Der Lonesome Cowboy wurde ersetzt durch einen wortkargen Vietnam Veteranen, der von Kriegserlebnissen schwer traumatisiert versucht, in der Heimat wieder Anschluss zu finden. Wer hier aber eine Reflexion wie COMING HOME von Hal Ashby erwartete, der sah sich getäuscht: Die Katharsis entlädt sich am Ende in einem Monolog, nachdem John J. Rambo, ehemaliger Elite Soldat der Green Berets, eine halbe Kleinstadt in Schutt und Asche gelegt hat, weil er vom ortsansässigen Sheriff gedemütigt wurde.

Das erlittene Trauma, der Ausschluss von der Gesellschaft, trotz Verdienste und schwerer persönlicher Verluste, dient hier lediglich als Aufmacher für einen gewalttätige Auseinandersetzung im Guerilla-Modus.

Die Frage im Rahmen der Retrospektive lautet: Funktioniert der Film auch heute noch?

Die Antwort lautet: Ja.

Das mag überraschend klingen, doch auf den zweiten Blick, nach Änderung der Perspektive, überzeugt FIRST BLOOD als gut inszenierter Actionfilm. Der Typus des wortkargen Helden, der sich im Alleingang (gegen eine Überzahl) wehrt, war nicht neu. Clint Eastwood und Charles Bronson waren Vorreiter. Stallone und Schwarzenegger traten in ihre Fußstapfen. Method Acting war gestern, was zählte waren lakonische Einzeiler und Action. 

Ted Kotcheff inszenierte einen packenden und hervorragend fotografierten Reißer. Stallone redet so viel nötig und überzeugt mit physischer Präsenz. Dass sich der Zuschauer mit dem Underdog sympathisiert, beliebt nicht aus, wer lässt sich schon gerne demütigen. Dass Rambo den Zuschauer auf seine Seite zieht, liegt aber nicht an der erlittenen Demütigung, sondern erfolgt ganz zu Beginn, in der Eröffnungsszene, in der Rambo auf der Suche nach alten Kameraden ist.

In dieser Opening Sequence zeigt sich die ganze Qualität und das Können eines Jerry Goldsmith, der mit seinem im Main Title erklingenden Thema "Home Coming" einen seiner schönsten Titel schrieb (siehe unten). Diese Exposition lässt dem Zuschauer gar keine andere Wahl, als mit dem Heimkehrer zu sympathisieren.

Filmmusik-Fans sei in diesem Zusammenhang auch Goldsmith's Partitur zu der Fortsetzung empfohlen: Der für seine Toleranz für Filme jedweder Art bekannte Komponist schrieb für RAMBO II eine berauschende Filmmusik, Action-Scoring nicht von diesem Planeten. Doch auch seine Vertonung von FIRST BLOOD ist und bleibt ein Filmmusik-Klassiker.

FIRST BLOOD (RAMBO) von Ted Kotcheff - Teil V der Retrospektive

Erstaunlicherweise überzeugte der Film auch einen Großteil der Kritiker. Hätte man erwartet, dass das Feuilleton entrüstet Sturm läuft, so wurde man eines Besseren belehrt. Gelobt wurden der Inszenierungsstil und erst im Nachgang sein Status als wegweisender Actionfilm.

Das war FIRST BLOOD ohne jeden Zweifel. Er führte zu einer Flut an, meist schlechteren als besseren, Nachahmungen und lockte B-Stars wie Steven Segal und Jean-Claude van Damme ins Scheinwerferlicht. Die "Ein-Mann-Armee" wurde zum Stereotyp, "Rambo" als Wort sogar in den Duden aufgenommen und ist bis heute ein geflügeltes Wort der 80er Generation:"In Rambo-Manier". 

Ich fühlte mich prächtig unterhalten. Audio-visuell ist der Film nach wie vor beeindruckend. Im Kino durfte ich ihn damals nicht sehen, da erst ab 16, und ich im Rahmen meines "Kinder"geburtstages auf RÜCKKEHR DER JEDI-RITTER ausweichen musste. Der Groll über die "Ewoks" klingt heute noch nach.

FIRST BLOOD hält seinen Status als Klassiker aufrecht. Als Actionfilm brillant inszeniert, versehen mit einer hervorragenden Filmmusik erfreut er das Herz aller Genrefans.

Aus Hope,

Rick Deckard

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