Glen Campbell...I'll Be Me - Film und Soundtrack

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  22. August 2017, 13:45  -  #Filme

Glen Campbell...I'll Be Me - Film und Soundtrack

Auch diesen Blogeintrag aus dem letzten Jahr stelle ich noch einmal zur Verfügung. Meine Anteilnahme an die Familie von Campbell und den Tipp sich diesen Film anzusehen...

 

„Ich weiß gar nicht wer Du bist, aber ich finde Dich sehr nett!“ Diesen Satz sagte meine Mutter zu mir, als mir das erste Mal schlagartig bewusst wurde, dass es diese gemeine Alzheimer Krankheit tatsächlich gibt.

Das wirklich gemeine daran ist, dass dem an Demenz erkrankten Menschen, jegliche Erinnerungen genommen werden! Und letztendlich sind es doch die Erinnerung an unser Leben, die wie Szenen in einem Film, mit Musik, Geräuschen und Gefühlen in unserem Kopf ablaufen und somit das auch das Einzige ist was bleibt.

Auf einer großen Leinwand laufen verwackelte Super-8 und Videoaufnahmen. Wir sehen glückliche Menschen, Kinder, wie sie spielen und gemeinsam rumalbern. Dann sehen wir Glen Campbell mit seiner Frau in einem Kinosaal sitzen. Beide sehen sich die Familienfilme an. „Wer ist das?“, „Das ist Deine Tochter!“, „…und wer ist das?“, „dass bist Du!?“, „Wirklich!“, „ich sehe nicht schlecht aus!“, scherzt Campbell seiner Frau halb verlegen, halb belustigt zu. 

Campbell sieht die Erinnerungen an sein Leben diffus vorbeiziehen. Er wirkt konzentriert, erkennt aber keine einzige Person auf der Leinwand. Er hat Alzheimer! Die Sequenz ist das bewegende Intro zu dem zutiefst ergreifenden Dokumentarfilm „I’ll be me“, der den Campbell Clan auf der Farewell-Tour durch Amerika begleitet, um der Nachwelt ein ruhmreiches Legat zu schenken, aber auch um eine Lobby für die Krankheit Alzheimer zu schaffen, um der Politik erneut klar zu machen, wie wichtig Gelder für die Erforschung der Krankheit sind und um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass erkrankte so lange wie möglich einem normalen Leben nachgehen sollten. In diesem Fall die Routine der Arbeit bzw. des Musik spielen und regelmässigen auftreten.  

Campbells Frau und Kinder haben sich gegen jegliche Kritik gestellt und den großen Entertainer und Sänger nicht bei der Abschiedstournee nicht vorgeführt, sondern alles so belassen, wie ihn die Menschen lieben: Als großen starken Countrystar mit Ausstrahlung, Humor und der Leidenschaft eines erbarmungslos genialen Musikers, der eine Krankheit hat, die jeder Mensch bekommen kann, die aber auch regulativ aufgehalten werden kann, wenn der Patient die Liebe und Zuneigung seiner Familie und Freunde erhält die erforderlich ist, seiner Arbeit nachgeht und die abendliche Bestätigung eines begeisternden Publikums erhält.

Es gibt sehr viele erstaunliche Dinge in diesem Film zu sehen, aber das Erstaunlichste ist wohl, das Campbell vieles Vergisst, aber nicht seine Musik! All‘ abendlich liest er die Text vom Prompter ab. Es gibt bei den weit über 100 Auftritten Höhepunkte, aber auch echte Niederlagen. 

Somit wird er den Abend im Ryman Auditorium, dem Tempel der Countrymusik in Nashville, zu einem der besten Auftritte seines Lebens zählen, nimmt aber auch Niederlagen wie den letzten Auftitt in Napa (Cal.) mit Würde hin oder stolpert völlig orientierungslos bei den Grammy Awards rum. Klinisch interessant und gleichwohl sensationell dabei. Er vergisst nie die Akkorde und Riffs fe auf seiner Fender Stratocaster und kann seiner Band jederzeit erklären wie die komplizierten Songs funktionieren.

Der Film ist dabei niemals tragisch, kitschig oder peinlich, sondern würdevoll, aufklärend, unterhaltsam und (wie gesagt!) sehr ergreifend!

Lesen Sie auf diesem Blog mehr über Glen Campbell. Er gehört zu meinen und Rick Deckards Superhelden.

Glen Campbell...I'll Be Me - Film und Soundtrack

Wenn man sich leidenschaftlich mit Musik beschäftigt, MUSS man diesen Film gesehen haben, nicht zuletzt, weil er die Sinnhaftigkeit des Musikhörens und –machen erläutert und auf einem ziemlich einfachen, aber nicht immer jederzeit erkennbaren Nenner, reduziert.

Biographie ist das eine, was zählt ist die Musik. Und da kann man direkt anschließen und den wirklich unfassbaren, bisher völlig übersehenen Soundtrack zu dem Film empfehlen. Ich habe mir die Scheibe eben das erste Mal in Gänze angehört und musste mehrfach das Taschentuch zücken.

Direkt der Opener „I’m Not Gonna Miss You“ lässt einen zergehen.

Nicht zuletzt, weil Campbells verbliebenen Freunde von der „Wrecking Crew“ die Nummer begleiten. Fulminant sind aber natürlich die Live-Mitschnitte aus dem Ryman Auditorium in Nashville!

Ich schreibe das Folgende nicht aus angeberischen Gründen, sondern weil ich nicht glaube, dass es noch einen Menschen neben mir gibt, der alle wichtigen WICHITA LINEMAN Version gesammelt, archiviert und umarmt hat. Jimmy Webbs mystisch-schöner Song ist aus meiner Sicht, einer der komplexesten und vielschichtigsten Songs der jemals geschrieben worden ist! Freunde von mir wissen, dass ich das bereits seit Jahrzehnten plädiere und erinnern sich vielleicht noch an meine Wichita Lineman CD Compilation von vor ein paar Jahren!

Umso erstaunlicher müsste meine nun Folgende Aussageist wirken, dass diese späte Live-Version der Nummer, wahrscheinlich die beste jemals aufgenomme Version ist und somit für die Musikwelt einen echten historischen Nachlass darstellt. Hier haben sich die Campbells gemeinsam ein Denkmal gesetzt und Musikhistoriker werden noch in 4000 Jahren mit den Nachfahren von den Zuschauern sprechen, die an diesem Abend in Nashville dabei waren.

Die Platte hat aber weiterhin viele Überraschungen zu bieten. Natürlich das Featuring seiner Tochter und seiner beiden Söhne und die Entdeckung der Gruppe "The Band Perry".

Film und Platte haben eine ebenso große Bedeutung wie die diesjährigen Feierlichkeiten zu Brian Wilson’s Pet Sound’s, an der ja Glen Campbell maßgeblich mitgewirkt hat. Wilson sagt über Glen Campbell, dass er wahrscheinlich der kreativste Gitarrist seiner Zeit gewesen ist.

Mit der Wrecking Crew hat Campbell über 40.000 (!!!) Titel aufgenommen, als Fernsehentertainer und seiner „Glücklichen Stunde“ hat er ganz Amerika unterhalten. Campbell hat über 50 Millionen Platten verkauft. Musiker jeder Generation und jedes Genre beziehen sich inzwischen auf den Musiker und mit einer Handvoll anderer, wgehört er zu den unvergesslichen Ikonen des American Songbooks. 

Vergessen wird ihn wohl niemand! Aber Glen Campbell vergisst ungewollt! Wir vergessen oft gewollt bzw. unmotiviert und mit einer egalen Haltung, dass es kaum zu ertragen ist! Mit diesem Film, der wunderschönen Musik und der erneut aufgerufenen, selbst erlebten Alzheimer Erkrankung meiner Mutter, wurde mir erneut bewusst, worum es wirklich geht: 

Erinnerungen zu schaffen und sich diese so lange wie möglich zu bewahren! Deswegen mache ich das alles hier!

Aus der Erkenntnisshöh(l)le

Alan Lomax

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