Primavera Sound 2016 - Festspiele not Festival - Tag 1

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. Juni 2016, 13:52  -  #Konzerte

Foto by jbenden!

Foto by jbenden!

„Und warum seid Ihr hier?“ Erst ziemlich verwundert über die Frage, dann schnell antwortend: „…weil es das beste Festival Europas ist!“, später immer noch verwundert, über die banale Frage, dann aber nach etwas Zeit, festgestellt, das die Frage eines zufälligen Bekannten aus Köln, den ich vor dem Einlass des Primavera Sound Festivals 2016 getroffen habe, doch fragiler ist als gedacht….

Insbesondere jetzt wo ich hier Mittags beim Frühstück sitze, meine Knochen schmerzen, meine Füsse brennen, mein Rücken den Körper verlassen hat und mich auch meine inneren Organe die mich aufgrund der Tapas und zu vielen holländischen Kaltgetränken fragen warum ich ihnen das antue, mein Verstand, Hirn, Seele und Herz (Sie können überall ein musikalisch(es) oder (er)) aber direkt antwortet, weil es befriedigend ist und für die musikalische persönliche Begeisterung kaum eine optimalere Veranstaltung, wie das PRIMAVERA SOUND in Barcelona gibt.

Wenn es Sie interessiert, wie großartig die Organisation ist, dass dort mehr als 200.000 Menschen an 3 Tagen waren, wie unglaublich monumental die umliegende Skyline ist, wie nett die Menschen sind und wie alles so läuft, muss ich sie nun leider enttäuschen. Es gibt auch keine Bühnenlogistik Themen in diesem kommenden Blogeintrag, womit ich Sätze meine wie „…und dann haben wir es gerade noch geschafft Beirut zu sehen (die letzten 3 Minuten des letzten Liedes) bevor wir zu Radiohead sind, die dann aber scheiße waren, wir nach 2 Stücken wieder gegangen sind um noch den Rest von Dinosaur jr. zu sehen; …blablabla!) Solche Gespräche verfolgte ich oft und lese auch Berichte in einschlägigen Musikzeitung, wobei es sich hauptsächlich um die Zeitliche- und Wegstrecken bedingte Abwicklung und das Sammeln von Bandsichtungen handelt, aber eben nicht um die ganze Komplexität eines Auftrittes, den eigentlich jeder Künstler verdient hat.

Soviel dazu als Einleitung! Hier die Bands die ich gesehen (*leider zu spät gekommen, zufällig dagestanden oder früher gegangen)  habe:

 
http://www.primaverasound.es

http://www.primaverasound.es

Tag 1

Daughter*

Air

Floating Points*

John Carpenter

Mowabke Star

Tag 2

Cabaret Voltaire

Savages*

Beirut

Radiohead*

Tortoise

Animal Collective*

Tag 3

The Chills*

Brians Wilson

Pusha T. 

Venom*

Action Bronson

by alomax foundation

by alomax foundation

Summa summarum eine höchst interessante qualitative Ausbeute, aber auch eine quantitativ geringe, wenn man die Möglichkeiten des Machbaren in Betracht zieht. Aber auch hier bei ist es so, dass jeder Besucher sich seines eigen Glückes Schmied ist und so handeln sollte wie er es am besten verträgt.

Denn die Möglichkeiten diese persönlich von mir selektierten Küstler zu sehen sind ja fast unendlich. Insbesondere weil sich das Festival in Barcelona mehr und mehr ausbreitet, um den Barcelonès auch etwas zurückzugeben. Bereits Montag haben PSYCHIC TV gespielt, Mittwoch gaben SUEDE ein Umsonst- und Draußen Konzert und bei unserem Abflug gestern Abend, fingen gerade die alten Helden von MUDHONEY an zu spielen. Parallel läuft noch ein Kongress für das Musikbusiness und natürlich gibt es Hidden Stage Auftritte, DJ Sets etc.

Ich glaube auch grundsätzlich, dass das Wort „Festival“ in der Entwicklung der deutschen Sprache, durch den gebräuchlichen Vorbau „Rock“ eine falsche Bedeutung bekommen hat.

Denn natürlich ist ein Rockfestival erstmal ein Rockfestival wo Bands hintereinander auftreten. Bei den meisten (und ich will nich den moralischen Zeigefinger heben oder doch!) deutschen Festivals hat die künstlerische Zusammenstellung doch ehr etwas mit dem aufziehen von bekannten Bandnamen zu tun, aber nicht’s mit gesellschaftlicher Bedeutung, musikalischer Vielfalt oder mutigem Entdeckertum. Sicher muss man einen Rahmen des Genres abstecken, aber dann sollte doch die ganze Vielfalt- und Breite des Genres angeboten werden.

Das PRIMAVERA zeichnet sich eben dami aus, dass es neben den notwendigen Headlinern -um das Festival zu finanzieren- auch Entdeckungen und Reminiszenzen gebucht werden. Und es ist eben auch sehr gut wenn der eigenen musikalische Anspruch abgeholt wird, der gerne mal eine große Band auf einer großen Bühne mit einer großen Produktion sieht, hauptsächlich aber ja (als Speerspitze der Kölner Independent Kultur ), Bands in den kleinen, schönen Clubs der Stadt sieht.

Und genau das ist dann auch der Grund für dieses Festival, dass es dann zu Festspielen wird, wenn z. B. Namen wie John Carpenter, Kamasi Washington oder Mbongwana Star ins Spiel kommen oder es Erlebnisse wie im konzertanten Musiksaal L’Auditori  gibt, wo eine tanzend spanische Jugend den Elektropionier und britischen Komponisten Richard H.Kirk (Cabaret Voltaire) entdeckt und versteht, dass der Mann, die heutige Tanzkultur mit geprägt hat. Vielleicht kann man aufgrund der Tatsache, dass diese Festspiele mitten in Barcelona stattfinden und ja auch im eigentlich Sinne kein Camping- und Saufgelagefestival ist, sagen dass es sich tatsächlich in der Welt der alternativen Musik, um eine gesonderte und unikale Veranstaltung handelt. 

Lange Rede kurzer Sinn! Kommen wir zum zufällig couragierten Filmmusikabend des Festivals! Neben einem schönen transzendierenden und afrofuturistischen Soundtrack des siebenköpfigen Orchesters MBONGWANA STAR aus den Slums von Kinshasa, ist insbesondere der Auftritt meiner alten Lieblingsband AIR und die furiose Idee der Festivalmacher die amerikanische Regielegende JOHN CARPENTER auftreten zu lassen schon fast alles.

Auf geheimnisvolle Art und Weise fügten sich diese drei Formationen wunderbar zusammen. Die merkwürdig verzerrten Gitarren, die eigentlichen Rumba-Rhythmen, die zum Glück fehlende Sozialromantik und die schroffe Popästhetik des DRC Music Projektes könnte vieles verändern. Hauptsächlich aber bitte, dass Bands aus Afrika endlich ernstgenommen werden müssen und keiner mehr niemals mehr den Begriff WELTMUSIK (VERBOTEN!!!!!) benutzt.

Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin der Electronica Pionierre AIR aus Versailles wird das nicht weiter verwundern, da die ALLES bereits seit Jahrzehnten wissen. Das was an diesem Donnerstagabend aufgeführt wurde war alles andere als fahrig und beliebig. Dies wurde der oftmals etwas zu intellektuell wirkenden Band oftmals vorgeworfen. Wer die schönen früheren Song’s aber liebt, wurde mit einem aufgefeilten Auftritt belohnt, der die manchmal etwas langweiligen und zu soften  neueren Platten vergessen ließ. Allerdings dürften den meisten Zuschauern auch klar geworden sein, dass die künstlerische Intention von AIR im Gegensatz zu ihren Nachbarn PHOENIX wohl geringer und geringer wird. Mag es an der Inspiration liegen? Egal, natürlich freut man sich über Cherry Blossom Girl, Playground Love, Sexy Boy, Kelly Watch the Stars und zum Schluß über das überragende La Femme d’Argent. Aber eben auch, weil die Inspiration hauptsächlich (ich will den Übergang unbedingt) dem Film unterliegt. Playgound Love als Beweis zu nutzen, aber Phoenix und Thomas Mars und ihre/seine Nähe zum Coppola Clan zu nehmen um diese These zu untermauern, könnte helfen. Denn Filmmusik ohne Film ist meist sehr langweilig Herr Godin!

by alomax foundation

by alomax foundation

Ein Drehbuch schreiben, Kamera zu führen, Regie zu führen reicht IHM aber nicht aus! Und nur Musik zu machen, ohne Film auch nicht! Warum also nicht alles gleichzeitig machen, dann noch schnell und billig (Zitat Carpenter aus einem Interview, mit den Nachsatz: ….das gibt es in Hollywood selten…) und als Erfinder eines ganzen Filmgenres nämlich des neuzeitigen Horrorfilms zu gelten. Das ist ja wohl mal ausreichend um einen KULTstatus zu haben. Mit Halloween und The Fog hat er Filme gemachte die im Gedächtnis einer ganzen Generation verhaftet sind. Mit dem Philadelphia Experiment, Die Klapperschlange und Dark Star auch Filme, die länger nicht vergessen werden.

Mir bleibt seine Stimme immer im Ohr, weil er u. a. den Dokumentarfilm zu Spiel mir das Lied vom Tod auf der Sergio Leone DVD spricht. Was stimmlich eine Sensation ist und seine Meinung als Regisseur zu dem viele der mir so wichtigen Passagen auf den Punkt bringen.

Das Konzert fängt an mit dem Main Title: Escape From New York aus „Die Klapperschlange“. John Carpenter steht hinter einem kleinen Keybord. Die Band setzt sich zusammen aus einem Schlagzeuger, 2 Gitarristen, einem Bassisten und einem weiteren Keyboarder. Ein klassisches Rock Line-Up also Im Hintergrund der Bühne laufen auf einer Leinwand, Ausschnitte aus dem jeweiligen Film, zu dem die Band, live meist die Main Titel spielt. Es folgt „Assault on Precinct 13“ einem Actionfilm von 1976, der später mit Ethan Hawke neu verfilmt wurde. Es wird noch besser: Zunächst aber fällt die analoge Bildübertragung auf. Während man auf den anderen Bühnen die allerneusten digitalen Leinwände bewundern kann und jedem kleinen Eiterpickel des letzten Bongospielers einem Namen geben kann, kommt dieser Auftritt mit einer klassischen weißen Leinwand und einer Beamerübertragung, weil die meisten Filme gar nicht digital vorliegen und letztlich, von ihrer grundsätzlichen Ästhetik auch nicht zu dieser Kunst gehören.

Und so bleibt die Übertragung der Filme lichttechnisch, aber VHS relevant, etwas diffus. Trotzdem schreit die Hälfte des Publikums, als man den Nebel über der Antonio Bay sieht und etwas später schemenhaft das Junge Gesicht von Jamie Lee Curtis in The Fog - Nebel des Grauens.

Der Meister selbst erfreut mit kurzen lustigen Ansagen, die eigentlich jedem klar sein sollten, wie: „I Like Horrormovies and here ist one from the Year 1978“. Was folgt ist das legendäre Halloween Theme, aus dem wohl kommerziell erfolgreichsten Film des Regisseurs. 

Der Amerikaner hat musikalisch viel mit Jean-Michel Jarre gearbeitet, zeitgleich aber auch immer wieder mit Bands aus dem härteren Hardrockbereich Musik gemacht. Und letztendlich darf man sich als nun verwunderter Leser die Musik genauso vorstellen Somit ist musikalische Seite des Alleskönner ehr weniger epochal (obwohl er für diese Kunst eine Ausbildung hat) als die für den Film. Zwischen den üblichen Synthesizerschwaden und -pads, gibt meist einfach Meldodien, gefolgt von ein paar harten Gitarrenriffs zu hören. Aber wenn interessiert das schon, wenn man zum Schluß der gefühlten fünf Minuten, in Wahrheit aber über einer Stunde Auftritt „Christine Attacks“ (Plymouth Fury) aus der Stephen King Verfilmung Christine hört. Nichts! All’ das zählt nichts, wenn da so eine Ikone ein paar Meter vor einem steht. Der sich freut von einem großen Publikum abgefeiert zu werden und von einem der besten Booker der Welt auf dieses Festival exklusiv und einmalig eingeladen worden zu sein. Damen und Herren ich spreche hier von JOHN CARPENTER dem Regisseur und Filmmusikkomponisten. 

Ein Beweis, dass dafür das Carpenter nicht irgendein daher gelaufener B-Movie-Filmer ist, bekommt man wenn man sich etwas mit dem Werk des Meisters auskennt. In der Mitte des Sets spielte er das Main Theme „Desolation“ aus dem Film The Thing. In dem Streifen hat er mit Ennio Morricone zusammengearbeitet, hat aber die Musik des Meisters überarbeitet, da er nicht zufrieden mit der Umsetzung war. Überhaupt ist der Film vielleicht der beste Einstieg in die facettenreiche Welt der Filmlegende. Was wohl Morricone dazu sagen würde?

Und natürlich gibt es aktuell schöne Bezüge und Querverweise zu Tarantinos Film "The Hatefull Eight". Postapokalypse könnte das Stichwort sein und Kurt Russell ist ja auch nicht so weit weg bzw. sein liebster Schauspieler.

Ach was könnte man nicht noch alles in diesen Auftritt reininterpretieren. Wieviel Bücher könnte man über die Wichtigkeit dieses Auftritts schreiben, wenn man sich für alte, neue Musik interessiert, das Kino liebt und noch immer dieses Gefühl eines 15-jährigen Teenagers verspürt, wenn man als Fan vor der Bühne steht und diesen unsichtbaren, nonverbalen und telepathischen Kontakt zu seinen Helden aufnimmt.

Und das war das erste John Carpenter Konzert in Europa, sein zweites weltweit überhaupt. „Yep!!! MY NAME IS JOHN CARPENTER!“ Kaugummi kauend, mit erhobenen Armm breit grinsend und in dem Bewusstsein jedem der das gesehen hat, einen unvergesslichen Moment beschert zu haben, verlässt der Meister die Bühne. Fassungslos, ergriffen, abwartend was da noch kommen soll an diesem Wochenende und mit dem Bewusstsein etwas erlebt zu haben, von dem wir noch unseren Urenkeln berichten können, stehen wir vor der Bühne und beenden den wundervollen ersten Tag in Barcelona. Müde, betrunken, glücklich und seltsam berührt!!!

Die Besprechung zum PRIMAVERA Freitag und Samstag folgt in den nächsten Tagen!

 

Aus einem 195834 Plymouth Fury

Arnie Cunnigham 

äh quatsch 

Alan Lomax

 
two friends

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https://www.youtube.com/user/TheOneAndOnlyReno

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