Der musikalische Rückblick 2023 - Teil I: Depeche Mode

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. Januar 2024, 16:03  -  #Popkultur, #Popmusik, #Konzerte, #Elektronische Musik

Der musikalische Rückblick 2023 - Teil I: Depeche Mode

Eine Schalmei.

 

Ein mittelalterliches Blasinstrument mit einem doppelten Rohrblatt war verantwortlich für den charakteristischen Sound in „Everything Counts“ auf dem legendären Album CONSTRUCTION TIME AGAIN.

 

1983 war der markante Sound dieses Instrumentes ein Echo aus der eigenen Vergangenheit, ein neuartiges Klangerlebnis und ein Fingerzeig in die Zukunft zugleich.

 

2023 hörte ich den Song im Münchener Olympiastadion live. Das Konzert von Depeche Mode im Sommer dieses Jahres auf der MEMENTO MORI Tour war das Ende und der Beginn sich schließender und neu öffnender Kreise.

 

Musikalisch war 2023 eine sehr emotionale, aufwühlende Rückbesinnung in die Zeit der Jugend. Nach einem Winterschlaf von 40 Jahren und Verneblung der Sinne durch Verführung und mangelndes Selbstbewusstsein glich das Konzert einem Urknall.

 

Seit Dienstag, dem 20. Juni 2023 lief Depeche Mode ununterbrochen, Tag und Nacht auf allen verfügbaren Kanälen, Fernsehern, Laptops, Smartphones, Tablets. Es war eine multimediale Expansion, wie nach dem Urknall mit der Entstehung des Universums.

 

Wer sind Depeche Mode?

 

Woher kommen Sie?

 

Wie sind zu dem geworden, was sie sind?

 

Martin L. Gore ist das Mastermind hinter Depeche Mode und Dave Gahan sein kongenialer Partner.

 

Die Symbiose der künstlerischen Fähigkeiten des genialen Komponisten, Songwriters und Texters Martin L. Gore mit dem samtweichen Bariton von Dave Gahan ist für mich in der Gesamtschau die größtmögliche Resonanz in der Popmusik.

 

Es begann eine aufregende Zeitreise zurück zu Beginn der 80er Jahre (und damit auch in die eigene Vergangenheit).

 

Rough Trade und Mute.

 

Die Entdeckung der Band durch den visionären Daniel Miller.

 

Das Synclavier II mit dem Quincy Jones das bahnbrechende Album Thriller von Michael Jackson produzierte.

 

Die Reise der Band nach Bangkok, die Gore zu dem Kapitalismus kritischen Song EVERYTHING COUNTS inspirierte.

 

Der legendäre Produzent Gareth Jones, der die Post-Punk-Avantgardisten EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN bewunderte und deren – sensationelle – Methodik als Industrial Pioniere eigens erzeugte Geräusche aufzunehmen und zu sampeln übernahm (der Anfang von PEOPLE ARE PEOPLE!). Der einem wie ein Manga Held vorkommende Blixa Bargeld.

 

Berlin. Die Hansa Studios. David Bowies Trilogie. Die geteilte Stadt. Die Nachtszene in Berlin. Gores extravaganter Kleidungsstil.

 

DAF und ihr grandioses Album DIE KLEINEN UND DIE BÖSEN (ich habe noch nie soviel gelacht, wie bei diesem Album. Ein Meisterwerk und ein All-Time-Favourite. Von Null auf Hundert).

 

KRAFTWERK mit ihren phänomenalen Alben AUTOBAHN, TRANS-EUROPE EXPRESS und DIE MENSCH-MASCHINE.

 

Ein weiterer, genialer Visionär: Ralf Hütter:

 

„Wir können eine Idee mit ein oder zwei Noten rüberbringen, und das ist besser, als es mit etlichen Hundert Noten zu versuchen. Bei unseren Musikmaschinen kommt es nicht darauf an, sie mit Virtuosität zu bedienen – alle Virtuosität, die wir brauchen, steckt in den Maschinen. Also konzentrieren wir uns bei unserer Arbeit auf einen sehr unmittelbaren Minimalismus.

 

Steve Malins, Depeche Mode – Die Biografie, Hannibal, 2014.

 

In diesem Spannungsfeld zwischen Klassik und Elektronik bewegte ich mich 2023. Ein aufregendes musikalisches Jahr! Ein wegweisender, denkwürdiger Gedanke.

 

All das und noch so vieles mehr waren Inspiration und Quell für nicht nur für Martin L. Gore und Daniel Miller, Gareth Jones, sondern die ganze Band.

 

SOME GREAT REWARD und BLACK CELEBRATION: Die ersten Meisterwerke.

 

Gore über Black Celebration:

 

„Es hat nichts mit schwarzer Magie zu tun, wie viele Leute zu glauben scheinen – es geht eigentlich darum, dass die meisten Menschen in ihrem Leben nichts zu feiern haben. Sie gehen jeden Tag zu Arbeit, danach gehen sie in die Kneipe und ertränken ihre Sorgen. Darum geht es: Sie feiern das Ende eines weiteren schwarzen Tags.“

 

Steve Malins, Depeche Mode – Die Biografie, Hannibal, 2014.

 

Ich musste über die Wahrhaftigkeit dieser Aussage lange nachdenken.

 

Ich war im absoluten Rausch.

 

Ich bin es noch.

 

MONUMENT wurde zur Bibel.

 

DEPECHE MODE BY ANTON CORBIJN zum Kopfkissen.

 

DEPECHE MODE - LIVE zum Fenster.

 

MARTIN L. GORE zum Seelenverwandten:

 

„Meine Theorie ist es, dass man immer mehr Illusionen verliert, je älter man wird, und dass es Höhepunkte des Glücklichseins nur gibt, wenn man noch in seinen Teenagerjahren ist. Wenn man älter wird und dazulernt, schleifen sich die Kanten Deines Lebens ab.“

 

Steve Malins, Depeche Mode – Die Biografie, Hannibal, 2014.

 

Die Jahre 10 bis 20, 20 bis 30, 30 – 40 sind die schönsten Jahre eines Lebens.

 

Zu der Euphorie mischte sich 2023 aber auch große Melancholie und Trauer über so viele verpasste Möglichkeiten, mangels nicht stattgehabter Sozialisation.

 

Doch ein sich schließender Kreis eröffnet einen neuen sich öffnenden und so setzte ich die musikalische Reise 2023 an der Stelle fort, die in Freiburg 1983 auf einem Sony Walkman mit EVERYTHING COUNTS und CONSTRUCTION TIME AGAIN begonnen hatte.

 

Von VIOLATOR bis MEMENTO MORI.

 

2023 war das Jahr von Depeche Mode.

 

EXCITER war die Wiederentdeckung des Jahres 2023 und unterlag einer Heavy Rotation. Das Album ist für mich die Synthese elektronischer Musik von Depeche Mode. Diese am Computer, Laptop, generierten Sounds sind mit das Beste, was ich je von dieser Band gehört habe. SHINE ist ein unglaublich atmosphärisch dichter, dunkler, betörender, zartbitterer Song, unnachahmlich von Dave Gahan gesungen. EXCITER ist voll von schönen Melodien und Texten. Das Gegenteil eines "Aufregers". FREELOVE, was für ein Song. I FEEL LOVED - mehr in die Beine geht nicht. GOODNIGHT LOVERS - Der Übergang in eine andere Welt.

 

Rick Deckard

ALBUM DES JAHRES 2023.

ALBUM DES JAHRES 2023.

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