Nightcrawler - Dan Gilroy

von Rick Deckard  -  11. September 2015, 11:35  -  #Filme

Nightcrawler - Dan Gilroy

Ein beeindruckendes Regiedebüt mit einer beängstigend-intensiven Leistung von Jake Gyllenhaal.

Dass unser Gehirn evolutionsbiologisch immer noch auf dem Stand ist, wir seien in der Steppe, im Dschungel und meterhohen Gras unterwegs ist bekannt, wie auch die Tatsache, dass es in besonderem Maße für "Sensationen" und negative Ereignisse sehr empfänglich ist. Das verwundert nicht, denn vor tausenden von Jahren war das überlebenswichtig. Das Gehirn war ein Gefahrensensor im Überlebenskampf, ständig darum bemüht unser Überleben zu sichern.

Unsere Denke und unsere Umwelt hat sich verändert, nur leider unser Gehirn nicht. Dieser Tatsache ist sich die Nachrichtenbranche durchaus bewusst und beliefert uns daher auch tagtäglich mit Schreckensberichten, Mord, Totschlag und Katastrophen. Die Welt sei so sagt man uns, das sei Realität. Dem könnte man entschieden widersprechen, aber das gehört in einen anderen Beitrag.

In dieser Welt der nach Sensationen gierenden Nachrichtenbranche spielt das Debüt des Regisseurs Dan Gilroy, Bruder des erfolgreichen Regisseurs und Drehbuchautoren Tony Gilroy (Bourne Filme, Michael Clayton).

Jake Gyllenhaal spielt einen Dieb, der sich mit Einbrüchen und dem Verkaufen von Diebesware über Wasser hält. Er lebt in einer kleinen, akkurat gehaltenen Wohnung und versucht an Jobs heranzukommen. Mehr wissen wir über ihn nicht. Seine Quelle ist das Internet.

Eines nachts beobachtet er einen Unfall auf einem Highway und sieht, wie ein Freiberufler den Kampf der Insassin um das Überleben filmt, als Polizisten sie aus dem Wrack befreien. Er bekommt mit, dass dieser Freelancer das Filmmaterial an die meistbietende Fernsehstation verkauft. Hieraus ergibt sich für ihn eine neue Einnahmequelle und fortan setzt er alles daran um einen örtlichen, mit schlechten Quoten kämpfenden Nachrichtensender mit Filmmaterial zu versorgen. Bilder des Grauens, die sich gut verkaufen und präsentieren lassen.

Der Film regt zum Nachdenken an und macht den Zuschauer zum Komplizen des Protagonisten. Ein raffinierter Schachzug. Vouyerismus wurde ja bereits durch Hitchcock früh in der Filmhistorie beleuchtet.

Stellt sich die Frage nach der Moral: Ist der von Gyllenhaal gespielte Louis Bloom skurpellos, niederträchtig und böse, oder ist es die Welt um ihn herum, die ihm das erst ermöglicht? Die Nachfrage bestimmt das Angebot, gibt er an einer Stelle zu bemerken.

Unrecht hat er nicht, denn die Nachrichten und auch die Sensationsmeldungen werde ja gerne gesehen, wie anhand der Quoten bekannt ist, sonst würden uns die Sender aufklären, uns Sachverhalte erklären und auch zeigen, was es gutes, fortschrittliches und bemerkenswertes in der Welt gibt, nur wer will das sehen, bzw. welches Gehirn?

Gyllenhaal spielt den Soziopathen mit einer erschreckenden Intensität, eine wirklich fabelhafte schauspielerische Leistung. Es gibt immer wieder Momente, in denen er an den jungen Robert de Niro aus 'Taxi Driver' erinnert und einer weiteren famosen Leistung desselben aus dem leider vergessenen, überaus sehenswerten 'King of Comedy', beides Filme von Martin Scorsese. Bewusst wird das, wenn man der vordergründig logischen und brillanten Argumentation des Louis Bloom folgt, seiner Sprache, Sprachmelodie und Mimik, so z.B., als er Verhandlungen mit einer Nachrichtenchefin oder seinem Assistenten führt.

Wer Urbanität liebt, der wird sich an den Bildern des Kameramanns Robert Elswitt nicht satt sehen können. Die Szenen in Innenräumen sind wunderschön ausgeleuchtet und die Aufnahmen von Los Angeles in der Nacht und in der Dämmerung sind grossartige Einstellungen und Bildkompositionen. Immer wieder kommen Erinnerungen hoch an '8 MM' und siehe da, auch dieser Film wurde von Elswitt fotografiert. Hier und dort erinnern sie auch an die Bilder eines Michael Mann.

Routinier James Newton Howard lieferte einen passenden, in Teilen minimalistischen und auf Elektronik basierenden Score, der allerdings in der Wahl der Instrumente, siehe den trashigen Track im Abspann, nicht ganz zu überzeugen vermag.

Neben Gyllenhaal spielen Rene 'Lethal Weapon' Russo und Bill Paxton.

Nightcrawler ist ein überaus sehenswertes Debüt und schürt die Hoffnung, dass die Brüder Gilroy das Kino auf eine Ebene hieven könnten, die wünschenswert wäre:

Anspruch und Unterhaltung.

Aus dem nächtlichen L.A.,

Rick Deckard

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