Signs – M. Night Shyamalan / Vom Pseudo-Cineasten zum Filmvorführer

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  2. August 2012, 07:26  -  #Filme

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Was wir nicht sehen, macht uns am meisten Angst!

Nicht nur dieser alten Kinoregel folgt der US-amerikanische Filmregisseur! Shyamalan steckt in diesen Film von 2002 sein ganzes generisch erworbenes Filmwissen und  komponiert mit seiner raffinierten Erzählweise einen der besten und wichtigsten Filme des vergangen Jahrzehnts.

Ich habe den Film in den letzten 10 Jahren sechs Mal gesehen. Vor ein paar Tagen das erste Mal mit meinen Kindern. Lieblingsfilme oder Hassfilme mit seinen fast erwachsenen Kinder gemeinsam neu zu sehen, ist so, als wenn man diese Filme neuentdeckt.

Insbesondere die Reaktion „Angst“ und die Aufmerksamkeit „Suspense“ sind doch Attribute die junge Menschen in unseren gesellschaftlichen Lebensphasen kaum noch zu teil werden, da die Vermittlung des klassischen Kinofilms vom Fernsehen, von der Kultur oder von der Schulpädagogik kaum vorgegeben werden. Überlegen Sie mal selbst! Wann hat Ihr heranwachsendes Kind mal einen Hitchcockfilm oder klassischen Thriller gesehen.

Film findet nur noch zur Unterhaltung als Event statt. Filmkunst als Motor für die Erziehung findet weder in Schulen noch in der Freizeit statt. Nicht jeder Mensch ist ein Filmverrückter wie ich, der unruhig wird, wenn er nicht mindestens einmal in der Woche in eine Leinwandgeschichte involviert wird. Ich bin dabei ja kein Ignorant des modernen Kinos. Auch wir gehen uns die 3D-Blockbuster ansehen, auch ich mag aktuelle Pixarproduktionen etc. Aber ich bemängele auch den Verlust der Phantasie und den Gefühlen die daraus eben nicht abgeleitet werden und vermisse die Kreativität, die ein ‚richtiger‘ Film in einem jungen Menschen auslösen kann. Meiner Meinung nach, mehr als es jedes Buch, jedes Computerspiel oder eben jede moderne Hollywoodproduktion kann.

Nun glaubt man einem daher gelaufenen Blogger wie mir wenig und sicherlich bin ich auch (zum Glück) kein Meinungsbildner was die Erziehung unserer Jugend angeht! Interessiert Sie meine Theorie, kann ich somit nur folgendes Buch empfehlen, welches ich vor einiger Zeit besprochen habe: http://www.lomax-deckard.de/article-david-gilmour-unser-allerbestes-jahr-ein-richtiges-buch-gelesen-von-den-falschen-leuten-63838164.html

Gilmour beschreibt sehr genau, was Filme in heranwachsenden auslösen können und warum das wichtig ist!

Ob „Signs“ nun der richtige Filme für einen 10 jährigen ist, muss jeder selbst entscheiden. Dieser Weltuntergang als Kammerspiel verkraftet sicherlich nicht jedes Gemüt und löst vielleicht einige Traumata aus. Es liegt auch an der Konstitution und intellektuellen Reife  eines jeden Einzelnen und auch an der Fähigkeit der Eltern verschiedenes erklären zu können.

Krallenfinger unter einem Türspalt, fremde Tonsignale aus einem Babyfon, eine verbarrikadierte Familie in einem abgelegenen Farmhaus, ein Keller ohne Licht! Das alles sind Dinge, die aus der Sicht eines Kindes enorme Ängste auslöst. Aber ich frage Sie einmal ganz provokant: „Was ist schlimm an diesem Gefühl bei einem Kind?“.

Shyamalan beschreibt in einer Welt wachsender Komplexität lediglich grundsätzliche, menschliche Ängste, die in unserer Gesellschaft der Sicherheit keine Chance mehr bekommen. Unheimliche Atmosphären in Filmen oder Serien gelten heutzutage ehr als Nervenfutter für Freaks und Nerds. Fantasy-Geschichten wie „Harry Potter“ oder „Herr der Ringe“ sind in Kinderzimmern erlaubt. Weil sie eine Akzeptanz im Mainstream gefunden haben. Aber die Dramaturgie des Unheimlichen hat etwas verbotenes, was in einer beschleunigten, pragmatischen Gesellschaft keine Platz mehr haben darf.

Natürlich ist der Film „Signs“ mehr als eine gelungene paranoide Schreckensstudie. Der Film ist eine gehobene, dabei völlig nicht konstruierte vielschichtige Erzählung. Die auch von Metaphysik, von Spiritualität, Liebe und menschlicher Reaktion auf schwierige Situationen erzählt.

Dabei wählt der Filmmeister Shyamalan eine unfassbare und selten zusammengefügte visuelle Rhythmisierung. Nach beängstigenden Close-Ups folgen rasante Kamerafahrten. Beleuchtungen verweisen auf das gesamte Thema Licht der Filmgeschichte. Ich habe selten einen Farbfilm der letzten 30 Jahre gesehen, der das Lichtsetting logischer und sinnvoller einsetzt.

Doch neben der ganzen überfrachtenden Filmkritik die kaum jemanden interessiert, sollte man auch die Empathie des Regisseurs zu seinen Hauptdarstellern nicht vergessen. Die Besetzung Joaquin Phoenix als Bruder und Rory Culkin und Abigail Breslin als Kinder von Graham Hess, gespielt von Mel Gibson ist nicht nur gelungen, sondern fordernd an Verstand und Sympathie des Zuschauers. Kinder finden in Rory und Abigail als Morgan und Bo hervorragende Identifikationsfiguren. Ein Wort zu Mel Gibson, den ich im allgemeinen nicht für den besten Schauspieler halte:

Gibson erinnert mich in diesem Film sehr an Joseph Cotten. Cotten ist es in seinen großen Filmen „Der dritte Mann“ , „Im Schatten des Zweifels“ und „Citizen Kane“ stets gelungen die Position des Publikums einzunehmen. Eine solche präsente Leistung ist nur mit sehr viel menschlichen und nicht überfrachteter Mimik im richtigen Moment möglich. Das kann durchaus ‚overactet‘ dargeboten werden, muss aber immer glaubwürdig bleiben. Gibsons Leistung als Witwer und gottverlorener ehemaliger Pfarrer ist famos. Seine innere Zerrissenheit, treibt mir gerade noch die Tränen in die Augen. Seine Performance mit dem unter einem an Asthmaanfall leidenden Sohn im Kohlekeller ist atemberaubend. Seine inneren nonverbalen Bitten an Gott „nicht schon wieder“ und sein zeitgleicher Glaube der wieder erneut entflammt nicht nur ganz, ganz großes Kino, sondern eine Höchstleistung von der Darstellung menschlicher Gefühle. Meisterlich!

Meine jugendliche Tochter Miss Lomax baut der derzeit eigenhändig ihr Kinderzimmer in ein Jugendzimmer um! Beim Zerlegen einer alten Kommode in ihre Einzelteile, sagte sie zu Mrs. Lomax: „…lass uns die einzelnen Bretter doch aufheben, damit wir etwas zum Zunageln der Fenster und Türen haben, falls es bald zur Invasion kommt!“. Es ist genau dieser Instinkt, aber auch der Humor der dahinter steckt, denn ich bei Menschen die sich mit dem Kino nicht beschäftigen immer wieder vermisse!

Aus Pennsylvania!

Alan Lomax (Filmvorführer)

http://www.lomax-deckard.de/article-33491853.html

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