Hatfields & McCoys - TV-Serie
Irgendwo zwischen West Virginia und Kentucky am Fluss des Tug Fork sehen wir einen schwarz gekleideten Mann auf einem Pferd reiten. Tief sitzt der Hut, der Qualm seiner Pfeife vermischt sich mit dem Morgenreif, sein Winchestergewehr hat er im Anschlag. Sein Körper ist angespannt, er ahnt, dass er beobachtet wird.
Der Mann ist William Anderson Hatfield, genannt Devil Anse. Devil Anse hat kein einfaches Leben. Er hat einen schwelenden Konflikt mit seinem Nachbarn Randolph Mc Coy, genannt Ole Ran, zu klären. Auch Ole Ran hat es nicht leicht. Beide Männer waren die Pioniere bei der Besiedlung des Tug Fork Deltas. Beide haben mehr als 12 erwachsene Kinder, viel Arbeit und die Eindrücke des Bürgerkrieges im Kopf zu verarbeiten. Ein Schwein war der Auslöser für einen Konflikt zwischen den Männern die einst Freunde waren. Der Zwist hat erste Tote gefordert, Devil Anse ist sensibilisiert. Der schroffe Familienpatriarch ahnt, dass sich diese Fehde ausweiten wird. Dass man allerdings noch 150 Jahre später von ihm und dem Konflikt sprechen wird, dass mehr als ein Duzend Menschen sterben müssen und das schließlich sogar die Nationalgarde entsendet wird, dass hatte Anse an diesem frischen Morgen nicht vermutet.
Der Konflikt der beiden Großfamilien zwischen 1878 und 1891 ist tief verankert in der amerikanischen Mythologie. Für eine lang anhaltende Fehde wird der Begriff „Hatfield & McCoy“ sogar umgangssprachlich verwendet.
Die Geschichte ist mehrfach verfilmt worden! Zuletzt 2012 mit Perry King und Jeff Fahey, sowie Christian Slater. Eine kommerzielle und künstlerische Katastrophe. Die Version von Clyde Ware (1975) ist ebenso wenig ruhmreich, obwohl die Besetzung mit John Calvin, James Keach und Jack Palance für Erinnerung sorgt.
Nun hat sich also Kevin Costner der Sache angenommen und einen aufwendigen 6-stündigen Fernsehfilm mit sich selbst in der Hauptrolle produziert. Der Dreiteiler läuft der derzeit bei RTL Crime und hat auf dem heimischen „History Channel“ in den USA mit vierzehn Millionen Zuschauer Quotenrekord gefeiert.
Warum? Nun Costner hat alles richtig gemacht. Alleine seine Darstellung als „Devil“ Anse Hatfield ist eine Zugabe für die schönsten Darstellung von Schauspielern in einem Film überhaupt. Man sitzt fast ehrfürchtig für der Mattscheibe, wenn Devil die Szenerie betritt. Was für eine Präsenz, es scheint als wenn Costner wirklich jede Bewegung einstudiert hat. Sein Gegenpart ist mir Bill Paxton bewusst drittklassig besetzt. Kostner ist diesbezüglich ein konsequenter Egoist, der es sich in diesem Fall nicht nehmen ließ sein Talent plus guter Geschichte, plus genügend Drehzeit, plus genügend Geld zu einem Meisterwerk der jüngeren TV-Geschichte zu machen.
Vergessen wir den ewig schlecht spielenden Paxton und wenden uns Powers Boothe zu, der bereits in der HBO-Serie Deadwood bewiesen hat, dass seine Rollen für eigene Serien ausreichen würden. Selbst der Clanchef Devil wird ruhig, wenn Boothe alias Richter Valentine (der mit beiden Familien verwandt ist) den Raum betritt und aufgrund seiner Physiognomie für kurzzeitige Entspannung sorgt.
Die tragische Geschichte fasziniert, nicht nur alte Westernfans wie mich. Sie ist tiefgründig und wirft viele Fragen zu den Themen Gerechtigkeit, Selbstjustiz, Bedeutung der Familie und dem Sinn des Lebens auf.
In einer ruhigen Minute und gleichsam Bill Paxton’s bestem Moment, fragt er seine Frau, was das alles für einen Sinn macht, nach dem ihn seine Söhne vor einer Schlacht nach Hause geschickt haben. Seine Enttäuschung und seine Angst vor dem Alter kaschiert er vor seiner Frau mit dem für diese Zeit starken Satz: „.ich wollte doch immer nur, dass Du glücklich bist“.
Kritiker werden Costner Fernsehfilm vorwerfen, dass der Anspruch des Bedeutsamen, wie bereits bei „Wyatt Earp“ und „Der mit dem Wolf tanzt“ wie Blei auf der Sache lastet und das Costner der Figur des Devil Anse epische Übergröße verleihen will.
Wir müssen endlich damit aufhören dem Western zu unterstellen, dass er Tod ist. Das Potenzial von Geschichten und Epik des uramerikanischste aller Filmgenres ist noch lange nicht ausgeschöpft und Kevin Costner beweist, dass insbesondere das Serienformat, das richtige ist. Die Western-Fernsehserie „Hell on Wheels“ hat diese Vermutung leider wieder vor den Anfängen des meisterlichen „Deadwood“ zurückgesetzt. Gleichzeitig erhebt sich dann auch die Frage, ob der Stoff immer düster erzählt werden muss? Eine grundsätzliche Frage, die im Zuge von John Sturges Remake von Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“ bereits diskutiert wurde.
Costner erzählt seine Geschichte klassisch linear und hat einen famosen Blick für die Öde Landschaft und den armseligen Lebensbedingungen, einzig und allein das digitale Bildmaterial unterdrückt die gesamte visuelle Anmutung. Dieses Kriterium bleibt allerdings ein Empfinden, da im Allgemeinen eine große Freude an der Farbe besteht. Mir geht es auch so, bei der gewählten subtraktiven Farbmischung entsteht aber wohl der vom Regisseur gewünschte Minuseffekt gleich Authentizität. Eine Geschmacksfrage!
Der Dreiteiler „Hatfields & McCoys“ ist kein Western der mit den Mythen aufräumt. Es ist ein bodenständiges, klassisches und spannendes Familiendrama. Ohne Kitsch, ohne Aufgeregtheit und ohne Pathos, schlicht, brutal und schauspielerisch Wertvoll erzählt. Wer das Genre aufgegeben hat, wird seine Meinung nach dem Film revidieren. Wer vom ewigen „aufräumen der Mythen“ im Genre Western gesprochen hat, wird umdenken. Insofern ein kleiner Meilenstein zur Reanimierung eines alten, aber immer noch glanzvollen Formates.
Alan „Clint“ Lomax