Ben Folds Five –Live

von Alan Lomax  -  17. Juni 2013, 09:47  -  #Populäre Musik

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Es folgt (mal) ein klassischer Blogeintrag: Es ist Samstag! Eine aufregende Woche mit wenig Schlaf und vielen neuen Erfahrungen liegt hinter mir. Ich gönne mir einen Samstag für mich. Rumliegen, Musik hören, nichts tun!

Gerade höre ich die das aktuelle Livealbum der Band Ben Folds Five und überlege wie es kommen konnte, dass die Platte in Deutschland völlig unerwähnt bleibt und Ben Folds Genie, mehr und mehr in Vergessenheit gerät.

2YMzkacwgbG-5rFgvXVACJKR0XIS6utIcJ1lhNZi-MA.jpgBei „Selfless, Cold and Composed“ sehe ich aus dem Fenster, betrachte die Rosenzucht von Mrs. Lomax und denke bei Folds Worten nicht nur an die davor liegende Katze, sondern auch über darüber wie wir Musik hören, auf der Suche sind und wirklich kaum noch in der Lage sind zu filtern, zu komprimieren und zu selektieren und ganz besonders wichtig „zu bewahren“.

Womit nicht das allgewärtige Sammeln gemeint ist, sondern das Bewahren in Kopf und Herz. Ben Folds höre ich nun seit dem Erscheinen des ersten Albums (Whatever and Ever Amen) im Jahre 1995. „Selfless, Cold and Composed“ , „Kate“, „Smoke“ und natürlich „Brick“ wurden direkt zu den Songs meines Lebens erhoben. In der damaligen jugendlichen Gewissheit, dass der erste Funken, auch gleichzeitig das ewige Feuer sei.

Und so war es ja auch! Die Fackel wurde übergeben, andere Feuer wurden angesteckt und Ben Folds wurde so etwas wie der Joe Jackson unserer etwas nachgerückten Generation. Pathetisch gesagt er schrieb den Soundtrack meines Lebens. „Still Fighting It“ wurde die Geburtshymne für meinen Sohn. „Gracie“ die für meine Tochter. „Late“ der Song der mich aus einer karnevalistischen Stimmung direkt zum Weinen bringen kann usw.! Aber was soll es. All‘ das wurde hier schon verewigt und falls es in 50 Jahren doch mal jemanden interessiert, so kann man dies auch hier nachlesen: http://www.lomax-deckard.de/article-ben-folds-the-best-imitation-of-myself-a-retrosprective-86222918.html

Was ist also heut zu tage los mit Ben Folds? Nun bekannter Weise hat er sich wieder, nach einigen schwächeren Alben, mit seinen Kumpels auf vergangen Jahren zusammengetan und mit er „klavierdominierende Rockband“ erneut eine gute Platte (The Sound of the Life of Mind) rausgebracht, eine Tour (fast nur US) gespielt und nun eben die besagte nicht beachtete Live-Platte rausgebracht.

Sein letztes Meisterwerk liegt etwas zurück. „Songs For Silverman“ waren auch die letzten persönlichen Texte und Partituren, bei denen er sich mit seinem Leben beschäftigt hat, bevor er sich von seiner damaligen Frau scheiden ließ und er selbst in ein depressives Loch gefallen ist. Mit „Way To Normal“ hatte er es nicht geschafft, die Probleme künstlerisch aufzuarbeiten und obwohl „Lonely Avenue“ ein wunderbares Album geworden ist, hat er nicht zu seiner Größe von früher zurückgefunden. Vielleicht aber auch den Kontakt zu seinem alten Publikum verloren.

Wie hart solche daher geschriebenen, unüberlegten Aussagen und Worte eines Bloggers oder Musikjournalisten sein können, kann man als normaler Mensch gar nicht nachvollziehen. Wie wütend muss einen Künstler so etwas machen, wenn völlig unbekannte Menschen so über einen schreiben? Aber das ist nun mal die Zeche für den Ruhm. Insbesondere wenn man ein Künstler ist, der seine persönlichen Gefühle und sein Innerstes, seinem Publikum als Text und Musik zur Verfügung stellt.

Ben Folds war immer meisterhaft, wenn er selbst tief emotional auf der Suche war. Ansonsten glitt er schnell in die Oberflächlichkeit oder ins Unberechenbare ab.

Dies alles fällt mir auf wenn ich die Zusammenfassung. „Ben Folds Five Live” höre. Es ist so als wenn man einen alten, sehr wichtigen Freund trifft. Mit dem man sich sofort wieder versteht und man sich fragt, warum man sich so selten getroffen hat, obwohl doch nur ein paar 100 Kilometer zwischen einem liegen?

Dazu gibt es eine sehr einfache Antwort:  Der Mensch neigt doch zum Bewahren, obwohl er sich natürlich weiter entwickelt. Ich glaube, dass gerade wir Menschen zwischen 40 und 50 Jahren in diesem seltsamen Zustand stecken. Sich damit abzufinden, dass auch beides funktioniert scheint schwer. Folds setzt bei diesem Livealbum auf das Festhalten an alten Gefühlen einer Lebensphase, obwohl diese längst beendet ist. Und natürlich ist das trotzdem gelungen und als alter Fan muss man das dankbar, aber überlegt annehmen.

„Narcolepsy“ ist ein aufrüttelndes Beispiel dafür! Aber auch das warnenden „Erase Me“ . Eine der großen neueren Nummern (2012) von Ben Folds Five. Insbesondere bei dem Stück wird der geneigte Hörer doch nochmal an die unfassbare Kompositionskraft und dem lebendigen, intensiven Pianospiel von Folds erinnert! Auch wenn das Lied für nicht Folds-Affinicados sehr fern klingen wird.

„Landed“, „Brick“, „S,S&C“, „Underground“ und „Song for the dumped“ nehme ich dankbar, erinnernd an und freue mich über Spielwitz und Würde zu den alten Hits.

Wie geht es weiter? Die Metapher mit dem eigenen Leben, den Rosen, der Katze und dem privaten täglichen persönlichen Spiel erspare ich mir.

9yoc6qkpxr7ry9cr.jpgDürfte ich mir von Ben was wünschen, würde ich mir im nächsten Schritt eine Instrumentalplatte von ihm wünschen, bei der er den Mut hat, sein wunderbares Klavierspiel ins Zentrum zu stellen. Dabei dürfte er aber keine großen Experimente geben oder versuchen die amerikanische Musik der letzten 40 Jahre künstlerisch aufzuarbeiten. Vielleicht könnte der Jazz ein kurzweiliges zuhause sein. Danach MUSS sein Alterswerk erscheinen. Mit Songs die Allgemeingültigkeit haben und den Menschen zeigen, dass Lyrik, Witz und schöne Melodien diese Welt besser machen können. Und danach…!? Ich weiß es nicht, habe aber Angst, dass sein Batterie so leer wird, wie die des genialen Joe Jackson oder ähnlichen Fällen.  

It‘ s easy to be, easy and free, when it doesn’t mean anything

Alan Lomax

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