Flight – Robert Zemeckis

von Alan Lomax  -  17. Juni 2013, 10:33  -  #Filme

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Ganz ehrlich! Diesen Film hätte ich dem Regisseur und Produzenten Zemeckis nicht (mehr) zugetraut. In meiner Erinnerung ist Zemeckis ehr der Filmemacher für das ganz großen und bleibenden Familienkino der Neuzeit. „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“, „The Frighteners“, „Cast Amway“. Alles solides Kino mit einigen unvergesslichen Momenten. Auch das ist bereits eine Auszeichnung, wenn man bedenkt, wie wenig Männer dies quantitativ gesehen hinbekommen haben!

„Flight“ ist ein überragendes Melodram und vielleicht so etwas, wie das Alters-Meisterwerk des ewigen Blogbuster-Regisseurs, der bestimmt so einige Kompromisse in seinem Berufsleben eingehen musste. Bei diesem Geniestreich aber konnte er seinem, offensichtlich „düsteren“ Talent freien Lauf lassen. Wir sehen einen famosen Denzel Washington, dessen Darstellung als arroganter, alkoholkranker Pilot der Bezeichnung „Detailbeobachtung bei einem Schauspieler“ eine neue Bedeutung gibt. Diese Schauspielerleistung ist meisterhaft, überragend und so plausible in Darstellung, dass sie im Prinzip den ganzen Film auf ein Level des Nichtvergessens erhebt. Und ganz ehrlich: Es ist eine sensationelle Frechheit, dass Washington nur nominiert war!!!

Aber es ist auch die finstere Milieuzeichnung die uns Hollywood erneut zeigt. Filme, egal welchen Genres, zeigen derzeit gerne den amerikanischen Durchschnitt, wenn man so will die andere Seite Amerikas. Weit weg von den sauberen Vororten und tollen Landschaften, sauberen Familienzuständen und anständigen Mittelklassewagen, sehen wir wieder mal die Hinterhöfe, die Probleme der Gesellschaft und die ehr braune bis graue Tristes, als den bürgerlichen US-Himmel voller Geigen. Mir gefällt das. Außerdem unterstützt dieses gesamt Sujet, das geniale Ensemble, welches sicherlich nicht Hollywoods „First Choice“ ist, aber durch ein einfühlendes Casting überzeugt. Hier muss allen voran das Beispiel Kelly Reilly (Nicole) und Bruce Greenwood (Charlie Anderson) genannt werden.

"Washington ist der Flugzeug-Captain Whip Whitaker, der mit einem schier unglaublichen Manöver die Kontrolle über sein Passagierflugzeug zurück erhält, während dieses mit der Nasenspitze voran richtung Erde abstürzt. Durch das auf den Kopf stellen seines Flugzeuges schafft er es, in den Schwebezustand zu gelangen. So kann er das Flugzeug wieder in seine normale Position bringen und mit einer Notlandung viele Menschenleben retten. Whip wird als Held gefeiert. Niemand außer ihm hätte das Flugzeug so landen können. Doch die Untersuchung des Crashs bringt neue Fakten an die Oberfläche. Offenbar war der Pilot betrunken, hat das Leben der Passagiere gar aufs Spiel gesetzt. Ihm werden unangenehme Fragen gestellt, bei denen er sich entscheiden muss: Zwischen der Lüge, mit der er seinen Ruf und seinen Job retten kann – oder aber mit der Wahrheit, die viel Mut erfordert und ihn ins Gefängnis bringen wird."

Diesmal ist es nicht, das oftmals, von uns auf diesen Seiten als Zentrum des Films betrachtete Drehbuch. Es ist ehr die subtile Geschichte die dahinter steckt, die diesen Film zu einem tatsächlich großen Film macht.

Klar, ich höre sie schon wieder wettern und ich kann mir die Kritiken zu diesem Film förmlich vorstellen. Drehbuchschwächen, Langatmigkeit, ein verkrampft agierender Hauptdarsteller etc.! Ist mir egal!

Mich spricht dieser Film aus zwei Gründen sehr tief an und rechtfertigt damit subjektiv auch die künstlerische Umsetzung: Beruflich fliege ich sehr viel! Ein- bis Zweimal im Monat. Obwohl eine gewisse Gewohnheit im Spiel ist, denke ich mir bei jedem Flug wieder: Ich möchte den Piloten nicht sehen! Und so formuliert es Autor John Gantins auch völlig richtig: „Der Pilot eines Flugzeuges ist ein unsichtbarer Ritter, der mit gehobenen Schwert   gegen Technik. Zeit und Wetter in den täglichen Kampf zieht. Dabei die Verantwortung für eine Vielzahl von Menschen trägt. Da möchte man nicht wissen, ob der Mann gerade in Scheidung lebt, sich neu verliebt hat, gestern einen Saufen war oder er morgen in den Urlaub mit seinen Schwiegereltern fährt. Ein Pilot muss unsichtbar bleiben! In Flight ist das natürlich nicht der Fall und das macht diesen Film einerseits so gewaltsam ehrlich. Der zweite Grund für meine euphorisierte subjektive Meinung ist die Art und Weise, wie es Zemeckis schafft uns, dem Zuschauer, die allgegenwärtige Problematik des Alkohols zu zeigen. Einer Drogen mit der wir alle in ständigem Kontakt sind und mit der wir alle fahrlässig bis unterhaltsam umgehen. Was für eine geniale Idee, dem Drehbuch dafür eine richtige Stelle und einen glaubwürdigen Charakter in Form von Dealer Harling Mays (John Goodman) ein zu räumen. Aus meiner Sicht gelingt Zemeckis hier der schmale Grad zwischen Unterhaltung und Drama auf sehr furiose Art und Weise.

Hinzukommt der Mut einen drastischen, düsteren Film zu machen, der trotzdem unterhält, spannend ist, weil unvorhersehbar und irgendwie unprätentiös, weil überraschend daher kommt.

Außerdem -aber das ist super, super subjektiv- ist das Ende unvergesslich! Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein Regisseur in den letzten Jahren geschafft hat, Wahrhaftigkeit, Pathos und Kitsch so wunderbar zu vereinen.

Ein absolutes MUSTSEEMOVIE, welches vor 20 Jahren die Chance gehabt hätte als unvergesslicher Klassiker zu überstehen.

Alan Lomax  

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