AVATAR - James Cameron

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  12. April 2010, 15:28  -  #Filme

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Nach langem zetern, höhnen und schmähen habe ich dann also gestern „endlich“ den Film AVATAR von James Cameron gesehen. Um die unglaubliche Spannung, direkt am Anfang dieses Eintrages abzubauen: …der Film ist Machwerk und unnötiger Zeitvertreib!

 

Nun ist es immer schwer solche vernichtenden Aussagen zu untermauern. Weil man a.) ganz viel Zeit dafür benötigt und b.) schon gute Gründe dafür haben muss. Ich versuche mich an Variante b.) in der kurzen Version:

 

1.) Die Handlung ist eine Adaption von zahlreichen Blockbustern der Filmgeschichte. Sich an Erzählungen wie „Der mit dem Wolft tanzt“, „Herr der Ringe“, „Braveheart“, „Pocahontas“ uvm. zu bedienen ist nicht nur plump, sondern einfallslos!

 

2.) Die Ausstattung des Filmes, gleicht dem Wohnzimmer eines in Köln-Chorweiler lebenden Konsum-Materialisten Ehepaars, welches gerade neue Neon-Leuchtröhrchen in der Stube aufgehängt hat und sich über ein neues 3D-Bild vom türkischen Einzelhändler freut. Motiv: Schwarzer Jaguar sprint aus einem silbrigen Gebirge.

 

3.) Die 3D-Effekte sind nicht nur sehr schlecht, sondern auch unnötig. Denn die dritte Dimension sollte eigentlich als Weiterentwicklung des Kinos dienen. Und nicht als überwältigende Tat, damit die Zuschauer wieder ins Lichtspielhaus kommen. Zugegebener Massen ist dies ja gelungen, jedoch muss ich an einen Spruch denken, den ich einmal auf einem Aufkleber in einer Kneipe an der Ostsee gelesen haben: „Fresst Scheisse, Millionen von Fliegen können sich nicht irren!“ 

  

4.) Der Film lässt dem Zuschauer keine Möglichkeit die Distanz zu bewahren. Fachleute sprechen in diesem Fall und in dem Zusammenhang 3D von virtueller Realität. Während den goldenen Zeiten des Kinos galt das als Tradition und ist Regisseuren wie Kubrick, Spielberg, Leone und Lean kongenial gelungen. Das Publikum damals war ein anderes. Die Zeiten waren anders. Heut zu Tage geht es um das schnelle abspritzen einer Geschichte auf die Häupter der Wegwerfgesellschaft. Filme wie AVATAR lassen keine Reflektion zu, genauso wenig wie es eben möglich ist, eine Distanz aufzubauen.

 

5.) Die Geschwindigkeit des Filmes ist fürchterlich langsam und das was man als Storytelling im Film bezeichnet (Schnitt, Dramaturgie, Musik, Kamera, agierende Schauspieler) wird völlig missachtet! Tomasso Schultze hat das in dem Musikmagazin SPEX sehr gut beschrieben: „Seitdem John McTiernan in »Stirb langsam – Jetzt erst recht« als erster Regisseur Action mit der Handkamera drehte und Michael Bay mit »Bad Boys« ein Jahr später die Ära des Stakkatoschnitts einläutete, ist Beschleunigung das Gebot der Stunde – das vom Videogame vorgegebene Bestreben, Action nicht nur zu zeigen, sondern erlebbar zu machen. Dass der nächste Schritt des Genres das Verlassen des zweidimensionalen Raums ist, erscheint logisch. Er hat aber auch die totale Entschleunigung zur Folge: Je schneller der Schnitt, desto weniger funktioniert der 3D-Effekt, weil sich das Auge nach jedem Schnitt erst wieder auf die Dreidimensionalität einstellen muss. Aus diesem Grund wird das stereoskopische Kino auch von den renommiertesten Action-Regisseuren abgelehnt. Michael Bay zum Beispiel, der Mann, dem es gelingt, in zweieinhalb- stündigen Zerstörungsorgien alles in Schutt und Asche zu legen, aber die Grundzüge dessen, was eine Geschichte ausmacht, völlig unangetastet zu lassen, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass sein Stil des Filmemachens völlig unvereinbar sei mit 3D."

 

6.) Es ist sehr ärgerlich, dass es kaum jemanden in der deutschen Presse gewagt hat, den Film inhaltlich und kinotheoretisch zu kritisieren. Und auch die internationalen Kritiker, verdusseln sich in merkwürdige Verstrickungen und Verwirrungen. Da wird Cameron z. B. vorgeworfen, dass der Film zum Rauchen animiere (S..Weaver ist einige Male mit Zigarretten zu sehen). Einigen anderen ist der Film zu amerikanisch. Die Russen haben entdeckt, dass die Story aus dem Roman des Autors Boris Strugazki (Die Unruhe) stammen soll und einige andere Medien werfen dem Film Rassismus und Frauenfeindlichkeit vor. Alles samt lächerliche Verkundungen.  Für mich als Renaissance Mensch ist das alles kaum nachvollziehbar, ist doch der schlimmste Vorwurf dem ich einem Film machen kann, dass er keine Eigenständigkeit besitzt. Selbst das wird von der sonst kritischen, linken Presse auf einmal als Vorteil für AVATAR gesehen. Lesen Sie hierzu: Georg Seesslen’s Bericht/Filmkritik unter taz.de: http://www.taz.de/1/leben/film/artikel/1/drogentrip-mit-pixelromantik/

 

Das alles, kurz zusammengefasst, macht diesen Film zu einem der schlimmsten Filme die ich jemals gesehen habe. Gespannt wäre ich auf andere Meinungen, da ich mich hier mal ausnahmsweise bewusst sehr subjektiv äußere.

 

Und um den Wind, für alle objektiven Gerechtigkeitsfanatikern, direkt wieder aus den Segeln zu nehmen: Vielleicht ist Cameron auch schlauer, als ich bisher gedacht habe? Er hat natürlich viele Fragen offen gelassen und ist zumindest in der Lage, große epische Sequenzen mit kleinen Hinweisen zu füttern. Zum Schluss führt alles zu einer simplen Fragen: Warum zerstört der Mensch immer wieder seinen Planeten!

Während wir Menschen scheinbar nur in der Lage sind mit Maschinen und Fortschritt unsere Macht unter Beweis zu stellen, haben unsere Kontrahenten nur Pfeil und Bogen zum Kampf. Sie siegen!

 

Aber (!), liebe Freunde und Cameron-Anhänger, wenn ich mich zu diesem Einwand gegen mich selbst hinreißen lassen darf; …dann muss es auch erlaubt sein zu fragen, warum Regisseure wie Cameron scheinbar nur in der Lage sind Filme zu machen, wenn sie eben genau diese Mittel zum Zweck nutzen und Handwerk, Cinematographie und den Zauber des Kinos mittels guter Geschichten und beeindruckenden Schauspielern mit eigenen maschinellen Waffen bekämpfen. Aber auch hier glaube ich an die Macht des Erzählkinos. Es wird gewinnen!

 

Alan Lomax

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