Alan Lomax: „Die Bands und Musiker stehen hier Schlange und wollen rein!“ Die ersten Alben des Jahres 2013 – YO LA TENGO / HAIM / NEW ORDER

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Januar 2013, 13:57  -  #Populäre Musik

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Ist mir heute Morgen noch bei einem kurzen Schriftverkehr mit Rick Deckard aufgefallen, dass ich die letzten 14 Tage ununterbrochen Kraftwerk’s Musik gehört habe, ändert sich nun schlagartig alles:

Vor der musikalischen Neujahrestür klopfen viele alte Helden und Neue an, die es noch werden wollen!  Einige haben sogar schon ihre Campingstühle aufgebaut und sich mit Tee und Keksen versorgten, weil Ihnen kalt und langweilig geworden ist. Der Frühling ist noch in weiter Ferne und trotzdem habe ich ein Herz und öffne zumindest einen kleinen Spalt.

Direkt an erster Stelle mogeln sich die drei ewigen Freunde aus Hoboken in meinen Flur. „Verdammt kalt“, sagt Ira Kaplan während er seinen viel zu langen Schal abwickelt. „Yo la Tengo“ sage ich und meine damit, dass ich ihn gehört habe, diesen ewigen, lässigen Charme der wohl ältesten und beständigsten Indiependentband  überhaupt.

Es ist immer so mit Yo La Tengo. Höre ich sie, bin ich glücklich und fühle mich geehrt mit dieser Musik erwachsen geworden zu sein. Zu dem freue ich mich diebisch darüber, dass die drei Musiker aus New Jersey es kultiviert haben „Noise“ und „Zufriedenheit“ mit einander zu verbinden. Es gibt auf der neuen Scheibe FADE keine Fragen und man sucht auch keine Antworten. War das letzte Album POPULAR SONGS http://www.lomax-deckard.de/article-35946051.html noch voller Hinweise, Zitate und Bemühungen sich selbst neu zu finden, ist FADE so was, wie der Einklang des Universums Yo La Tengo im Jahre 2013. Ähnlich wie es Dinosaur Jr. im letzten Jahr mit ihrem famosen und für die Ewigkeit herausgebrachtes  Album geschafft haben.

Irgendwie ist es schön Yo La Tengo so poppig, sommerlich, unkompliziert, frisch und aufgeräumt zu hören. Aussteiger und Neueinsteiger werden überrascht sein! Zum Beispiel über die beiden Sonnennummern IS THAT ENOUGH und insbesondere über WELL YOU BETTER. Natürlich werden diese beiden Songs den Sommer 2013 überleben. Und so soll es ja auch sein.

Kurz muss ich an Collegerock denken, während ich mit meiner Teetasse meine Katze im Garten betrachte, wie sie den Schneeengel macht. An der Haustür klingelt es. Die Schlange ist schon wieder länger geworden. Ein Imbisswagen hat sich in meiner Straße positioniert. Das Geschäft läuft gut. Popstars und Musiker mögen Currywurst. Ich bin beruhigt, dass für sie gesorgt wird. Etwas besorgt bin ich allerdings um die drei sehr dünn, aber hübsch aussehende amerikanischen Mädchen, die bereits im letzten Jahr für einen kleinen Sturm im Wasserglas der Popmusik gesorgt haben.

HAIM aus L.A. werden die musikinteressierten Menschen des Jahres 2013 in zwei Lager spalten. In Fans und Missgünstige. Die drei sehr hübsch anzusehenden Schwestern werden von Ihrer Plattenfirma vorbildlich gehypt. Kaum ein Magazin, Festival oder Musiksendung wird an ihnen vorbeikommen. Musikalisch sind sie zwischen irgendwelchen Americana Bands und aktuellen alternativen Acts wie Alt-J oder meinetwegen Vampire Weekend anzusiedeln. Ira Kaplan ruft noch „Goodbye Alan“, „bis demnächst!“, während sich Danielle Haim meine Telecaster schnappt und leicht mürrisch neustimmt.

Im Flur stehen bereits meine Lebenshelden Bernard Sumner, Gillian Gilbert und Stephen Morris und halten ihre aktuelle Platte LOST SIRENS hoch. Während Phil Cunnigham feststellt, dass das Cover der Platte, das gleiche Muster hat, wie der Teppichläufer den Mrs. Lomax vor einiger Zeit ins Wohnzimmer gelegt hat. Ich würde mich gerne noch länger mit Danielle beschäftigen, denn im Gegensatz zu Frauen, die ja -bekannter Weise- mehr auf Bassisten stehen, stehe ich  auf Gitarristinnen. Und ja ich mag auch Haim. Ich mag auch z. B. das Frauenduo AZURE RAY sehr gerne, aber Haim gefallen mir besser!

Während Haim mit den restlichen Musikern, der sich nun auflösenden Menschenschlange vor der Tür, in die städtische Disko verziehen -bevor sie in den nächsten Tagen bestimmt wieder kommen- bin ich mit den vier Helden (einer fehlt, denn Peter Hook ist immer noch sauer!) alleine. Was soll man sagen?

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Bernard bricht das Eis! Er macht mir und sich eine Flasche Becks auf und fragt mich, während er mir die Flasche reicht, wie ich die neue Zusammenstellung finde? Er sagt, bewusst Zusammenstellung, weil es sich bei den acht Songs um teils unveröffentlichte Songs handelt, die es bereits gab.

„Hellbent und I told you so kannte ich ja bereits, die übrigen Nummern finde ich extrem gelungen, da sie nur zeigen, dass ihr nicht nur die tollste Band der Welt seid und ein Grund dafür, dass ich überhaupt noch Popmusik höre, sondern es zeigt auch wie wichtig und unterbewertet das 2005er Album Waiting FOR THE SIRENS CALL tatsächlich gewesen ist. Ich liebe das hymnische an dieser Platte und die vergessenen Songs, die nun erschienen sind, zeigen nur, wie groß das Potenzial wirklich gewesen ist, wenn Ihr die damals einfach weggelassen habt. RECOIL z. B. bestimmt alles was Peter Hook in Verbindung mit „seiner“ Band je ausgezeichnet hat. SUGARCANE könnte 1970, 80, 90, 2000, 2010, 2020…in allen Mainstream Radios laufen. Niemand würde fragen, was ist das denn? Ein Welthit zum Tanzen, Mitsingen und sich wohl fühlen. Der perfekte Popsong. Kein wenig elitär und doch so eitel. Und echt, Bernie, ich bin erschüttert, wenn ich diese Platte höre. Weil ich aus den Angeln gehoben werde und ich aufrichtig sagen kann: … ich bin immer noch ein so großer, stolzer und ewiger Fan Eurer Musik und freue mich verdammt nochmal sehr über diese Platte, die bestimmt nur ein Übergang zum nächsten großen Moment New Order sein wird.“

Alle vier sehen mich an, schlucken kurz und sagen dann, tja, danke Lomax! Danke, dass wir durch diese winterliche Musiktür zu Dir kommen durften und wir mit Yo La Tengo und Haim die ersten im Jahr 2013 waren, die Du rein gelassen hast.

„So soll es sein“, sage ich abwesend. Dann schreie ich noch „….und nichts steht geschrieben!“ die Straße runter. Der Imbisswagenverkäufer schließt gerade seinen Verschlag, sieht mich fragend an. New Order haben mich nicht mehr gehört…

Alan Lomax

 

 

 

 

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