LICORICE PIZZA - Paul Thomas Anderson
Der junge Gary Valentine (Cooper Hoffman) verliebt sich in die Mittzwanzigerin Alana (Alana Haim). Paul Thomas Anderson will einen Traum vermitteln, keine komplizierte Geschichte!
Cooper Hoffman ist der Sohn des früh verstorbenen Philip Seymour Hoffman, und die Musikerin Alana Haim spielt in der Geschwisterband Haim. Beide Darsteller sind im aller besten Sinne ehr unkonventionell, als gecastete glatte Jungstars, tatsächlich ehr durchschnittlich.
Wie häufig bei Anderson wird die Geschichte als Plansequenz erzählt! Also episodenhaft! Die Wahl dieser Methode, charakterisiert den Wert der Erzählung. Die erstmal nur und absolut als filmisch zu beschreiben ist. Der Vermittlung eines Gefühls und einer Zeit, die wie ein Traum der unendlichen Leichtigkeit wirkt und dem Zuschauer in jeder Sequenz zu ruft, sieh hin, verlier Dich, mach Dir keine Gedanken über das Jetzt, lass Dich bitte Fallen und gib Dich 128 Minuten diesem unglaublichen Rausch der Leichtigkeit und seiner Schönheit hin.
Anderson zieht uns ins San Fernando Valley der Siebziger Jahre ein! Wir taumeln in einem warmen kalifornischen Licht und lassen uns berauschen von dem Easy Living dieser Zeit. Als scheinbar alles möglich, nichts verboten war. Als uns politisches Tagesgeschehen fremd war und wir nicht wussten was ein Ölembargo ist und schon gar verstanden haben was das Wort Impeachment bedeutet! Netzwerke funktionierten zwar und vielleicht wurden sie, wie wir diese heute kennen, damals in Hollywood sogar erfunden! Aber wir mussten dafür mit Menschen sprechen und nicht schreiben, sondern waren naiv, selbstbewusst und hoffnungsvoll! Der einzige Humus den wir kannten waren Nährböden aus Alkohol, ungesunden Essen, Legenden und Geschichten!
Eine der besten ist die Sequenz in einem Golfclub als Alana auf die Hollywoodlegende William Holden trifft und von einem recht zweifelhaften Knaben (Marc Robson, wer kennt ihn?) zu einem Stunt motiviert wird! Gespielt von Sean Penn und Tom Waits. Diese Sequenz entwickelt sich zu einer der besten Filmszenen der letzten Jahre und hat jetzt schon zu recht den Anspruch auf einen Platz in Rick Deckards Top5 KULT Tagebuch! Abgesehen von dem Dilemma das sich auftut in der Darstellung der Erwachsenen Welt, die aus der Perspektive der Jungen immer falsch und verlogen sein mag.
Licorcice Pizza bedeutet Lakritz Pizza und ist zeitgleich ein Slangsusdruck für Vinyl Schallplatten! Aus heutiger Sicht eines Plattensammlers muß die Auswahl des Soundtracks als Pop- und Rockklassiker bezeichnet werden. Aber im Gegensatz zu dem zeitlich gleich spielenden ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD für den Tarantino ehr die geforderten und unbekannten Tracks des Sammlers zusammengefunden hat, hören wir in dieser Geschichte die Musik, die tatsächlich gespielt wurde! Und das schöne -von Kameramann Michael Baumann- orange funkelnde Licht unterstreicht!
In anderen Zeiten könnte dem Film ein oberflächlicher Hang zur Nostalgie und eine zweischneidige Ignoranz von Rassismus, Frauenfeindlichkeit und ausgelassener Kritik vorwerfen! Aber nicht in diesen Zeiten, denn wir alle brauchen solche Filme. Das Kino wurde mal als Flucht erfunden! Der Film sollte die Menschen ablenken, ihnen frohe 2 h verschaffen und Träume bieten!
Paul Thomas Anderson erinnert daran, wie es einst war, zu träumen, sich gehen zu lassen und auch einfach mal nicht darüber nachdenken zu müssen ob ein Cheeseburger mich direkt morgen tötet oder ob ich den Martini nicht auch direkt mit Gin und Wodka trinke. Oder ob ich nicht einfach auf die Straße gehe und anfange wegzulaufen, vor diesen ganzen verlogenen Scheiss und davon weiter träume diese amerikanische Leichtigkeit und ertragbare Oberflächlichkeit endlich zu leben und mir keine Gedanken mehr machen zu müssen!
In der besten Episode des Filmes lernen wir den Liebhaber von Barbara Streisand (bitte auf die Aussprache achten) kennen. Bradley Cooper erreicht hier darstellerische Höhen, die in die Geschichte eingehen! Bei einem Fluchtversuch in den Hollywood Hills unserer Helden, muß Alana einen LKW rückwärts steuern! Genial! Anderson gibt uns Zuschauern in der bewusst spannenden, aber unspektakulären und viel zu langen Sequenz, die Gelegenheit nachzudenken und selbst zu überlegen, wie die Geschichte ausgeht! Aber es ist egal. Denn der Film soll gar nicht zu Ende gehen! Bitte mach weiter wollen wir rufen: Als Zwischenergbnis und Anderson gibt uns noch die Chance auf zwei extra Runden! Und dann, wird dieses Meisterwerk mit einem der schönsten „Ich liebe Dich“ aller Zeiten beenden! Und das ist kein Spoiler, sondern eine Hommage an das Leben!
Aus Hollywood
Alan Lomax