BUNNY LAKE IS MISSING - Paul Glass

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Juli 2019, 08:32  -  #Orchestrale Musik

BUNNY LAKE IS MISSING - Paul Glass

Ein gelegentlicher Nebeneffekt beim Hören von Filmmusik ist der, dass man auf Filme stösst, von denen man nie etwas gehört hat. So z.B. BUNNY LAKE IS MISSING (Bunny Lake ist verschwunden) von dem renommierten Regisseur Otto Preminger.

In dem mit Laurence Olivier und Keir Dullea prominent besetzten Film aus dem Jahr 1965 kommt die Amerikanerin Ann mit ihrer Tochter Bunny nach London, um ihren Bruder zu besuchen. Sie bringt Bunny in einem Kindergarten unter. Als sie ihr Kind später abholen will, ist es verschwunden.

Auf der Suche nach neuen Filmmusik-Komponisten stiess ich auf den 1934 geborenen Schweizer Paul Glass. Glass kam in Los Angeles zur Welt, studierte an der University Of Southern California und Princeton und lernte u.a. bei dem berühmten polnischen Komponisten und Dirigenten Witold Lutoslawsi. Er schrieb orchestrale Werke, Kammermusiken, eine Oper und einige wenige Filmmusiken, zu denen BUNNY LAKE IS MISSING gehört.

Das auf Filmmusik spezialisierte Label Intrada Records veröffentlichte 2016 die Musik auf CD. Die Produktion einer solchen Musik ist ein kleines Abenteuer. Man muss dazu wissen, dass zuerst die originalen Aufnahmebänder gefunden werden müssen, falls überhaupt archiviert; wenn man bedenkt, wieviele Filme jedes Jahr die Traumfabrik verlassen, kann man sich vorstellen, wie riesig das Archiv sein muss! Dann müssen die Bänder auch noch gut erhalten sein. Beides war im Falle von BUNNY LAKE der Fall. Der Sound ist unglaublich transparent und knackig.

Es handelt sich um eine monothematische Filmmusik. Glass verwendet ein 6-Noten-Motiv, dessen Melodie an ein unbeschwertes Kinderlied erinnert. Zu Beginn wird es von einer Flöte präsentiert, begleitet von einem Glockenspiel, um schliesslich von ganzen Orchester gespielt zu werden. Verschiedene Holzblasinstrumente mit Schlagwerk nehmen die Melodie auf und variieren sie leicht. Mit über 6 Minuten ist der Main Title erstaunlich lang.

Glass variiert dieses Thema, spielt es mal in einer leicht poppigen Version, mal als Walzer. Interessant wird es, wenn am Ende des 8. Tracks "A World Of Dolls" plötzlich dissonante Klänge vorherrschen und sich Tonalität und atonale Muster abwechseln. Das ist nicht leicht hörbar, aber durchaus ein willkommener und interessanter Kontrast zu der heiteren, manchmal "naiv" klingenden Melodie. Es wird laut, das Schlagwerk dominiert bisweilen, es wird disharmonisch, bis am Ende die bekannte Melodie uns wieder entlässt. Die Sixtiesband The Zombies steuerte 3 Tracks zum Soundtrack dazu.

BUNNY LAKE IS MISSING ist eine kleine, feine Filmmusik und Paul Glass eine Entdeckung wert.

Die enervierende Titelsequenz gestaltete kein geringerer, als Saul Bass.

Aus London,

Rick Deckard

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