Alles Geld der Welt - Ridley Scott

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  19. August 2018, 12:30  -  #Filme

Alles Geld der Welt - Ridley Scott

RIDLEY SCOTT

Der Regisseur begleitet mich seit Beginn meiner kulturellen Sozialisation im Zusammenhang mit der Filmkunst. Die erste Begegnung war epochal: A L I E N übte nicht nur einen immensen Einfluß auf das Kino aus, auch mich prägte Scott mit diesem furchteinflößenden Meisterwerk: Einer der verstörendsten und besten Horrorfilme aller Zeiten. A L I E N setzte Maßstäbe, die bis heute erkennbar sind. Wenige Jahre später drehte er mit B L A D E  R U N N E R einen Film, der gar über die Begrifflichkeit Meisterwerk stieg und zum Kunstwerk wurde. Er zählt für mich zu meinen absoluten Favoriten, erlangte Kultstatus und beeinflusst mich noch heute im Alltag. Sir Ridley ist 81 Jahre alt (!) und weiterhin aktiv. Mit John Williams ist er einer der letzten lebenden Titanen.

ALLES GELD DER WELT

In ALL THE MONEY IN THE WORLD (Alles Geld der Welt) erzählt Scott eine Geschichte nach einer wahren Begebenheit: In den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird ein Enkel des Ölmagnaten, Milliardärs und damals reichsten Menschen der Welt entführt: Jean Paul Getty. Die Entführer verlangen 17 Millionen Dollar Lösegeld, doch Getty weigert sich das Lösegeld zu zahlen.

Aus dieser Ausgangssituation drehte Scott einen sehenswerten, spannenden und sehr interessanten Film. 

BILDER

Lomax und ich sind aufgewachsen mit Filmen der Goldenen Ära, v.a. des New Hollywood, der Nouvelle vague, den Blockbustern der 70'er und 80'er Jahre. Diese Filme hatten eine ganz eigene Bildsprache und Ästhetik und auch das Selbstverständnis des Kino war ein anderes. Das muss man wissen und damit muss man aufgewachsen sein, um auch die Filme eines Ridley Scott bewerten zu können. Scott ist ein Ästhet durch und durch, der sich der Kamera wie eines Pinsels bedient. Fast jedem seiner Filme ist diese malerische Schönheit anzusehen. Alan Lomax spricht oftmals vom "Renaissance Menschen". Genau das ist Scott. Er liebt die Schönheit. Fast jeder Einstellung von ALL THE MONEY IN THE WORLD ist das anzusehen. Der polnische Kameramann Dariusz Wolski fängt opulente Bilder von Wüsten, Städten, Landschaften ein, erschafft auf der anderen Seite kleine Kunstwerke in wunderschön ausgeleuchteten Innenräumen. Lomax und ich legen grossen Wert auf die Kameraarbeit, sie können das in diversen Beiträgen auf diesem Blog nachlesen, siehe zuletzt Lomax' Beitrag zu dem neuen Film von Spielberg, in dem er interessanterweise auf einen weiteren polnischen und hochbegabten Kameramann hinweist:

http://www.lomax-deckard.de/2018/06/steven-spielberg-die-verlegerin.html

Allein diese opulenten und zum Teil rauschhaften Bilder machen den Film zum Erlebnis, deswegen ist er sehenswert.

OLD SCHOOL

ALL THE MONEY IN THE WORLD ist ein "Old School Film". Der Begriff "alter Schule" ist nicht genau definiert, meist assoziiert man damit einen Stil der 60'er und 70'er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In diesen "Old School Filmen" wurde die Geschichte langsam, aber nicht (!) langweilig aufgebaut. Es gab keine hektischen und schnellen Schnitte und keine verwackelten Bilder. Der Erzählrhythmus folgte einem bestimmten Tempo, einem gewissen Takt. Über diese langsame Erzählweise baut Scott kontinuierlich Spannung auf, bis zum packenden Finale. 

Interessant ist der Film deswegen, weil er in der Zeit, die er zum erzählen hat, einen Charakter präsentiert - eine kleine Studie betreibt - der faszinierend und abstoßend zugleich ist. Einen Menschen, der nach moralischen Maßstäben lebte, die nicht nachvollziehbar, aber auch nicht pauschal zu verdammen sind. Der kanadische Schauspieler (und Achtung: "ewig unterschätzte!") Christopher Plummer porträtiert den Geschäftsmann Getty mit einer fabelhaften Leistung als eine Mischung aus einem kalten, skrupellosen, moralisch verkommenen Menschen, der einem eigenen Kodex folgt, den man vielleicht verstehen, aber keineswegs als ehrenwert bezeichnen kann. 

Sein (schauspielerischer) Gegenpart ist die Mutter seines Neffen, ebenso grossartig verkörpert und gespielt von Michelle Williams, die den Schmerz, die Ängste um ihr Kind, aber auch die Abneigung gegen Ihren Schwiegervater mit Hingabe darstellt.

BIBLIOTHEK

Wenn man die Kritiken zu dem Film im Internet bei den gängigen Zeitungen liest, so fällt auf, dass kaum einer eine Ahnung oder ein spezielles Interesse vom oder für das Kino besitzt. Jeder schreibt das Gleiche, alle beziehen sich auf den Skandal mit Spacey und kaum einer macht sich die Mühe, ernsthaft und detailliert mit Scott und dem Film auseinander zu setzen. Leidenschaftslos wird ein Beitrag geschrieben und ins Netz gestellt.

Ich werde ALL THE MONEY IN THE WORLD in meine persönliche Filmbibliothek aufnehmen und in der Scott-Sammlung diesem Film einen besonderen Platz einräumen. Der Grund: Er beschäftigt mich weiterhin und das ist ein ganz gewichtiges Kriterium. Mit Sicherheit werde ich dem Film in einigen Jahren einen erneuten Besuch abstatten.

"Ganz großes Kino!"

Für Lomax & Deckard aus Rom,

Rick Deckard

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: