Steven Spielberg - Die Verlegerin
Meine Euphorie klingt nicht ab! Die 2017/2018ner Filme, im Angesicht der Trump Ära, geben einem den Glauben an das Kino zurück. Sie alle (und auch wie ich sie hier besprochen habe) haben erstmal zwei Dinge gemeinsam: Sie brechen das Schweigen und verleiten den Zuschauer zum genauen beobachten. Ein Triumph, da beides wichtig ist. Einerseits werden wir aufgerufen den gedanklichen Richtungswechsel nicht nur theoretisch aufzunehmen, andererseits ist das was wir da aus Hollywood gezeigt bekommen natürlich auch eine Hommage an das was der Zuschauer liebt.
Eine der zentralen Bildfolgen in dem neuen Steven Spielberg Film sind die fast romantisierten Erinnerungen die beide Hauptfiguren haben. Da ist die Verlegerin Katherine Graham (Meryl Streep) die häufig wehmütig auf die Bilder in ihrem Räumen blickt, auf dem sie mit ihren politischen Freunden (Robert Strange McNamara) abgebildet ist. Auch Ben Bradlee (Tom Hanks) blickt häufig und bei allen Gelegenheiten auf eine schwarz-weiß Fotografie, die ihn mit seinem Freund JFK zeigt.
Spielberg zeigt uns hier, dass natürlich nicht alles schlecht war, was in der Vergangenheit war. Die immer unschuldiger wirkt als die Gegenwart und am Ende dieser Geschichte wird die Welt auch wieder eine Bessere sein, bevor die nächste Katastrophe kommt, die sich auch bereits am Ende des Filmes anbahnt.
Und das ist nicht schlimm, sondern es ist wichtig aus diesen Geschichten zu lernen, sie dauerhaft zu erzählen und wirken zu lassen. Selbstverständlich ist das in dieser Form kaum anders möglich als in der Kunstform Film und selbstverständlich ist das auch ein optimistischer Blick, denn wir alle haben so die Chance aus dem ganzen miesen Trash der uns in diesen Zeit, auch wegen Figuren wie Trump & Co. passieren, zumindest mental und temporär rauszukommen, wenn nur die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
Und hat man das verstanden wird dieser Film auf einmal zu einem kleinen Wunder, denn er schafft es unter extrem unterhaltsamen und spannenden Bedingungen aufzuzeigen, dass die erzählte Geschichte eine Botschaft hat und uns insbesondere konkret zwei Dinge ermahnend erklärt. Feminismus musste sich entwickeln und konnte nur funktionieren, weil Männer eitel und dumm sind und es Frauen wie die Verlegerin Graham gab, die schlau genug war, sich von „denen“ beraten zu lassen, aber auch verstanden hat, dass sie ihrer Intuition folgen muss.
Spielberg erinnert uns zudem vehement daran, dass Meinungen und Wahrheiten nicht das gleiche sind und vermittelt damit auch, dass das Motiv des Films, die Pressefreiheit, eine der Grundpfeiler der Demokratie ist.
Die Geschichte ist schnell erklärt! Chefredakteur Bradlee hat geheime Pentagon-Papiere, möchte diese gerne veröffentlichen, während die Herausgeberin Graham nicht nur private, sondern auch finanzielle Bedenken hat. Der Druck der Entscheidung steigt und wir erleben die Abfolge der Ereignisse vor der Entscheidungen im Morgengrauen, wenn die neuste Ausgabe der WASHINGTON POST, die Druckmaschinen verlässt und von den wartenden Fahrern verteilt werden will, mit voller Spannung auf die Schlagzeile.
Ich muss an dieser Stelle nicht erwähnen, dass ich ein verdammt großer Spielberg Verehrer bin, da er aus meiner Sicht, wie kein anderer Regisseur seiner Generation, das moderne Kino geprägt hat und dabei die alten Stilmittel nie vergessen hat und sich auch nicht davor scheut, sondern sich einen verfluchten Spaß daraus macht darauf hinzuweisen, dass es sie noch gibt. Natürlich sehen wir ständige Bezüge auf andere Klassiker der Filmgeschicht und anderen Zeitungsredaktionsfilmen wie DIE UNBESTECHLICHEN (1976) oder auch neueren Meisterwerken wie STATE OF PLAY oder ZODIAC - DIE SPUR EINES KILLERS.
Spielbergs immer noch fast kindliche Art, Geschichten zu erzählen und das Publikum davor zu schützen, sich zu langweilen, stellt er in diesem Streifen ganz wunderbar dar. Die wunderbare alte analoge Welt der Nachrichtengroßraumbüros, Rohrpost und Druckmaschinen, der Schreibmaschine im zentralen Mittelpunkt und Journalisten die ständig in völlig verqualmten Räumen, Donuts essen und sich über Politik, Gesellschaft und Mode (!) unterhalten ist sehr, sehr schön anzusehen. Nett und fast demütig charmant ist die kleine Nebengeschichte der Tochter des Chefredakteurs Ben, die bei dem entscheidenen Treffen der Redaktion im privaten Haus, Limonade an die Kollegen verkauft und viel Umsatz macht und den unaufmerksam gewordenen Zuschauer von den streckenweise langen Dialogen gekonnt ablenkt und amüsiert. Spielberg düpiert sein Publikum damit nicht, sondern lenkt es unterhaltsam und niveauvoll ab. Das ist die ganz große Kunst der wenig arroganten Inszenierung von ihm.
Es sind auch die weiteren Kleinigkeiten die DIE VERLEGERIN zu einem großartigen Film machen. Aber letztendlich sind es die beiden Faktoren MERYL STREEP und JANUS KAMINSKI die den neuen SPIELBERG zu einem seiner besten Filme überhaupt machen.
Und es ist schnell erklärt weshalb das so ist: Meryl Streep schauspielert in diesem FIlm nicht nur, sondern sie erklärt mit ihrer darstellerischen Kunst, den Feminismus und verleiht der Hauptfigur Katherine Graham die Bedeutung und Verantwortung auf eine herzzerreissende und wahrhaftige Art.
Wenn man sich für das Handwerk des Filmes interessiert wird der geneigte Zuschauer zu dem eine außerordentliche Freude daran haben die Kunst des polnischen Kameramanns Janus Kaminski zu beobachten. Es ist schlichtweg atemberaubend und zum Niederknien wie der Mann in diesem Film aus bekannten Meisterwerken zitiert und trotzdem in der Lage ist, Bildführung, Licht, Schnitt und Schauspielerführung in Einklang mit der Story zu bringen und so zu zeigen, dass ALLES richtig erscheint.
Dieser Film ist wie eine selbstbestimmendes Filmcomputerspiel, bei dem man keine Konsole und auch keinen Joystick benötigt. Denn Tempo, Unterhaltung, tief gehender Dialog und Montage arbeiten Spielberg und Kaminski permanent so auf, dass immer alles dann passiert oder pausiert, wenn man es sich als Zuschauer direkt oder indirekt wünscht. Wirklich großes Kino! Und perfekte Unterhaltung auf einem sehr, sehr hohen cineastischen Niveau.
Democracy Dies in Darkness
Alan Lomax