Kanonenboot am Yangtse-Kiang - Robert Wise

von Rick Deckard  -  1. April 2018, 17:54  -  #Filme

Kanonenboot am Yangtse-Kiang - Robert Wise

FERNSEHZEITSCHRIFTEN

In Zeiten, in denen es kein Internet und Fernsehen mit nur 5 Programmen gab, war man auf die Inhaltsangaben der Fernsehzeitschriften angewiesen. Die Sozialisation mit Kinofilmen begann eben dort und den in den Zeitschriften erscheinenden Kritiken ist es zu verdanken, dass die Leidenschaft für das Kino begann!

Epos - Abenteuerfilm - Steve McQueen - nominiert für mehrere Oscars ... . Das Schlagwort "Abenteuerfilm" reizte am meisten, denn alles andere sagte einem damals nur wenig.

KONTROVERSES HOLLYWOODKINO

The Sand Pebbles, so der Originaltitel, war beeindruckend. Ein Film von 3 Stunden Länge mit einer epischen Geschichte, tollen Bildern und einem Helden, der so gar nicht John Wayne oder Burt Lancaster gleichen wollte. Die Geschichte mit ihrem fatalistischen Ausgang und ein in sich widersprüchlicher Protagonist, das waren neue persönliche Erfahrungen mit Hollywood nach Humphrey Bogart, Alan Ladd, Jerry Lewis & Dean Martin. Das soll nicht missverstanden werden: Parallel zum Erwachsen werden wurde man mit Filmen konfrontiert, deren rebellische Helden Raum für Reflexionen boten. Doch auch jetzt, annähernd 3 Jahrzehnte später, waren die Eindrücke, die Steve McQueen und der Film von Robert Wise hinterliessen weitreichend.

KINO-NOSTALGIE

In den 60'er Jahren ging man nicht in ein Multiplex-Kino, sondern ins "Theater", um sich einen Film anzusehen. Bei Filmen mit Überlänge wurde der Zuschauer häufig mit einer Ouvertüre begrüsst, das Licht verdunkelte sich und die Musik sollte den Betrachter auf den kommenden Film einstimmen. Genauso verhielt es sich in der Pause (Intermission) und am Ende, als die Zuschauer aus dem Kino wieder entlassen wurden. Das war ein Erlebnis, fernab von Popcorn, Nachos und raschelnden Tüten. Wer das einmal erlebt hat oder im Rahmen einer Wiederaufführung erlebt haben sollte, wird das nachvollziehen können.

Wise' Abenteuerfilm spielt in den politischen Wirren der 20'er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in China, als das Land begann sich vom Feudalismus zu lösen und eine Revolution das grosse Reich spaltete, es herrschte Bürgerkrieg. Inmitten dieser Unruhen patrouilliert das Kanonenboot U.S.S. San Pablo am Yangtse Fluss und gerät in die Wirren der Umwälzungen. Der Kapitän muss äusserstes Fingerspitzengefühl beweisen, damit die Lage nicht eskaliert, denn der Krieg ist nur einen Schuss weit entfernt.

STEVE MCQUEEN

Wir sehen Steve McQueen als Maschinisten Holman, der auf der San Pablo anheuert. Er freundet sich mit dem Matrosen Frenchy an, gespielt von Richard Attenborough. Als ein chinesischer Kuli im Maschinenraum unglücklicherweise zu Tode kommt, lernt Holman den Chinesen Po-Han an, der sich mit ihm anfreundet. Die Stimmung gegen die in ihrem Land kreuzenden Amerikaner wird immer aggressiver und die Situation beginnt zu eskalieren. Die San Pablo sieht sich einer Blockade ausgesetzt und der Kapitän muss diplomatisches Geschick und taktisches Können aufbieten, um einen drohenden Krieg zu vermeiden.

McQueen war damals in seiner Rolle interessant und ist es auch heute noch. Sein Spiel ist nicht extrovertiert oder gar manieristisch, sondern geprägt von grosser Zurückhaltung und Sensibilität. Es bedarf einiges an Konzentration um das zu erkennen, denn er spielt sich nicht in den Vordergrund, beeindruckend ist es allemal. Auch der von ihm gespielte Charakter passt gar nicht in die Heldengestaltung von Hollywood. Vereinzelt erfährt der Zuschauer über die Vergangenheit des Matrosen aus Salt Lake City in Utah. Im Gegensatz zu vielen Helden aus unzähligen Hollywood Filmen bietet McQueen abseits der von seinem Charakter übermittelten Moralvorstellungen nur wenig Projektionsfläche für den Zuschauer. Gerade das macht seine Rolle so reizvoll und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

GANZ GROßES KINO

Technisch ist der Film beeindruckend. An erster Steller sei die prächtige Farbfotografie von Kameramann Joseph MacDonald genannt, das Panavision Format, aber auch das Produktionsdesign und die aufwändigen Kulissen. Das ist sprichwörtlich ganz großes Kino! Menschen, die heute überwiegend mit Marvels Cinematic Universe aufwachsen, werden sich kaum an den ruhigen Schnitt und die langsame Erzählweise gewöhnen können.

JERRY GOLDSMITH - MASTERPIECE

Jerry Goldsmith ... Wow! Der Film wäre, und das ist nicht übertrieben, nur halb so gut ohne die Musik des Maestros. Sein Score zu The Sand Pebbles ist eine seiner grössten Errungenschaften und eine der besten Filmmusiken, die je geschrieben wurden. Das wird bereits zu Beginn deutlich, als die Ouvertüre erklingt. Genial, wie es Goldsmith gelingt, die fernöstliche Aura und den emotionalen Ton des Films einzufangen. Das ist Filmmusik in Perfektion. Mit messerscharfer Präzision unterlegt der Komponist die Bilder, komponiert neben einem beeindruckenden Thema für die San Pablo lyrische Themen für die Liebesbeziehungen, "almost cantabile", und fungiert, und das ist seine Hauptleistung, als unsichtbarer Geschichtenerzähler. Das Liebesthema ist von einer kaum zu beschreibenden Schönheit!

KLASSIKER

Kanonenboot am Yangste-Kiang: Klassiker. Eine beeindruckende Produktion mit einem charismatischen Hauptdarsteller, einer epischen Geschichte und eine der besten Filmmusiken, die Jerry Goldsmith je komponiert hat. 60'er Jahre Hollywood Unterhaltung vom allerfeinsten!

Aus dem Maschinenraum,

Rick Deckard

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