Jerry Lewis – King of Comedy
Ein Sonntagabend!
Ich sitze auf meiner Terrasse und lese, dass Jerry Lewis gestorben ist. Ich öffne Facebook und sehe, dass ich nicht der erste bin den diese traurige Nachricht erreicht hat. Ich denke sofort: „Das ist der Mann der mir das Lachen beigebracht hat!“ und verzweifele daran, dass es nur noch Daumen hoch und traurige runde Gesichter gibt, mit denen die Menschen ihre Anteilnahme bekunden. Und das meist bei vorgefertigten Artikeln und Nachrufen, die bei den Redaktionen schon seit Jahren in den Schubladen auf Halde liegen.
Dann muss ich lachen! Denn ist es nicht genau die Absurdität die der geniale Entertainer Jerry Lewis immer forciert hat? Komik die ohne Worte auskommt und Situationen, Gestik und Mimik als zentralen Bestandteil des Spaßes beinhaltet. Übrigens im wahrsten Sinne eine Kunst die ihren Ursprung nicht etwa in den Stummfilmen eines Hal Roach‘s oder in Hollywood hatte, sondern im Commedia del’arte des 16. Jahrhunderts.
Lewis der auch als Kontrollfreak und Perfektionist bekannt war, steht bestimmt für diese Kunst als Handwerk. „Weil wir es gut können…“ fasst er auch im Prinzip alles zusammen, als ein Reporter ihn danach fragte, warum er das denn überhaupt alles (und noch immer!) mache.
Und wie immer im Leben, macht die Einfachheit am meisten Sinn, um eine komplexe Popkulturelle Rolle wie des Jerry Lewis, zu erklären. Man muss sich einmal vorstellen, was für eine unvorstellbare Popularität Dean Martin und Jerry Lewis in den Zeiten ihres Wirkens gehabt haben. Und es waren nicht nur die zahllosen Fernsehshows und Liveauftritte, sondern natürlich auch die unendliche Zahl von Filmen die Lewis alleine oder mit dem gegensätzlichen Charakter Martin (13 Stück) drehte. Das waren Rockstars.
Viele Menschen haben Jerry Lewis Filme vielleicht als robusten Klamauk in Erinnerung. Aber überlegen Sie doch mal, wann Sie das letzte Mal tatsächlich einen dieser Streifen gesehen haben. Wenn ja, kürzlich?; …dann wird Ihnen aufgefallen sein, mit was für einem perfekten Timing und streng kalkulierter Witzarchitektur, subversiver Kraft, Körperbeherrschung hier eine einmalige Kunst, eines einmaligen Komikers entstanden ist.
Und schauen wir doch mal auf die zeitgemäßen Komiker der US Unterhaltungskultur: Kevin James, Adam Sandler, Chris Rock, Jason Sudeikis, Charlie Day, Zack Galifianakis die alle lustig sind und die ich auch alle sehr gerne mag, aber leider keinen eigenen Stil haben. Was zum größten Teil daran liegt, dass der Slapstick und die heutige Komik in amerikanischen Komödien meist auf gegenseitige Beleidigung oder dem Spiel mit einer Minderheit, ohne subversiv persönlich zu werden angelegt ist.
Klar, sieht man sich Live-Shows des Rat Packs oder / und Lewis an, ist Homophobie, Antisemitismus, frauenfeindliche Gags und Rassismus auch immer ganz weit vorne, aber irgendwie auf die nette, charmante Weise. Wobei man den Kollegen Derbheit unterstellen und sich auch ständig selbst erklären muss, weshalb man sich so etwas ansieht. Und meine starke Zuneigung zu Peter und Bobby Farrelly Filmen, will ich hier noch nicht mal erklären (müssen).
Oft wird bei Komik auch davon gesprochen, dass die Grenze des guten Geschmacks überschritten wurde. Ich unterstelle mal, dass diese Feststellung bestimmt erst Mitte der 1970ziger Jahre entstand.
Lewis war dennoch ein Anarchist. Handlungen und Logik wurden zuerst zerstört und dann alles was in der Nähe stand. Es passte zu der Zeit. Und überhaupt erinnert mich mein Verstand gerade: Hat nicht jede Zeit, den Komiker den sie verdient? Eine weitere Phrase fällt mir ein, die in Zusammenhang mit Humor oft gesagt wird: „Damals als Komiker noch lustig waren!“. Auch totaler Quatsch. Das hat natürlich immer was mit der sozio-kulturellen Zumutung, Erträglichkeit und Kolorit zu tun.
Denn, betrachtet man sich nur mal jenen Trump als Präsidenten: es ist unmöglich den zu parodieren. Er tut es selbst! Ich habe erst kürzlich wieder einige Folgen SNL gesehen, in denen selbst Legenden wie Alec Baldwin und Jimmy Fallon daran gescheitert sind.
Jerry Lewis ist daran schuld, dass mein älterer Bruder und mein Vater mich niemals ernst genommen haben, wenn es um das Thema Fußball ging und geht! Denn in den 1970ziger und frühen 1980ziger hatten die Programmplaner von ARD und ZDF eine große Freude daran, parallel zu Fußballübertragungen und der Sportschau, Jerry Lewis Filme zu zeigen. Ich war eigentlich ein recht ruhiges Kind und habe selten Bedingungen gestellt, bei diesem Fernsehproblem (wir hatten nur einen Apparat) aber gab es ständigen Krieg und viele Beleidigungen, auch Jerry Lewis gegenüber. Mir ist diese Ausgrenzung erst vor kurzem bewusst geworden. Auch habe ich verstanden, was für ein Bild die Männer in meiner Familie von mir gehabt haben müssen: Nämlich die eines debilen Schwachkopfs, den aber z. B. Lewis gerne dargestellt hat. Was bleibt einem Kind also, sich mit dieser albernen Rolle abzufinden. Denn sind wir doch mal ehrlich (man!), in der Hochkultur und auch nicht unbedingt im deutschen Mainstream: Jerry Lewis fand dort doch nicht statt. Sondern nur bei uns Jugendlichen. Und das ist keine arrogante Sicht oder bestätigt gar die Medienplanung der damals größten beiden TV Sender, sondern belegen auch zahllose Kinobesuche, bei denen ich nie Erwachsene gesehen habe.
Der deutsche Erwachsene lachte in dieser über die Fernsehserie Nonstop Nonsens oder der vom WDR produzierten Sendung Klimbim (ist unser Leben). Was auch genial war, aber eben ohne einen Vorreiter wie Jerry Lewis auch nicht möglich gewesen wäre.
Zusammengefasst ist der beste Satz, den ich gefunden habe von Komiker-Kollege Jerry Steinfeld. Der sagte zu Lewis: „Er ist die Essenz aller Comedy!“.
Aus Tom’s Restaurant
Alan Lomax