Weekend-End Fest 3 - Köln Mülheimer Stadthalle - 13. u. 14.12.2013

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  15. Dezember 2013, 12:37  -  #Konzerte

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Ein Wort welches ich ungern verwende, ist das Wort "stolz". Aber eben deswegen werde ich es nun einmal verwenden. Ich bin "stolz", dass ich in dieser Stadt wohne, wo es Menschen die Herren Lankisch und Waschat gibt, die solche Veranstaltungen realisieren. Ich bin stolz darauf, mein Wochenende mit ca. 1.500 Menschen verbracht zu haben, die alternative Musik lieben, zu hören können und sich konzentriert in eine andere Welt, die doch so schwer zu beschreiben ist, gebeamt haben und die schrullige, nerdige Menschen nicht nach ihrem Aussehen auf der Bühne beurteilen, sondern nach ihrer referenziellen Musik und ihrem vermeindlichen bodenstädnigen Pathos.

 

"Wo kommst Du her? Und war es schwer zu werden wie Du bist?", fragte einst der Duisburger Songwriter Tom Liwa in seinem sehr schönen Lied "Stolz". Gestern und Vorgestern hätte man das wohl jeden Einzelnen Besucher des Weekend-Fest fragen können und man hätte bestimmt interessante Geschichte zum Thema Musiksozialisierung hören können. Man hätte Antworten über erste Plattenkäufe, über rare 7" oder bunte 12" Vinyleinheiten bekommen, über Geschichten zur ersten Liebe, die verzweifelten Versuche selbst Musik zu machen und der immerwährenden Frage über die Leidenschaft zur Popmusik als Kunst, als Filmmusik zum eigenen Leben, als festen Bestandteil des Tages und der Freizeit zur Antwort bekommen.

 

Anders lässt es sich kaum erklären, dass ein ausgewachsenes Publikum eine komplizierte Band wie die Cardiffer Rough Trade Legenden "Young Marble Giants" nicht nur fast mit tibetanischer Gelassenheit vertilgen, sondern emotional aufsaugen. Ich habe viele Konzerte gesehen in meinem Leben und oftmals Menschen beim Musik hören beobachtet. Auch immer weil ich verstehen will, was und warum Menschen bewegt. Eine empathische Neugier. Aber glauben Sie mir, selten habe ich ein so geschlosssen, hochkonzentriertes tief meditatives Publikum erlebt, wie bei der Livedarbietung der "Colossal Youth" Platte gestern Abend in der Aula der Mülheimer Stadthalle. Unfassbar, was für eine Bedeutung diese Platte für die Zuschauer hat. Ich habe einige Männer und Frauen gesehen, die  weit über 50 Lenze und nicht nur Tränen der Rührung, sondern der Wahrheit und des Stolzes diese Platte als "Soundtrack ihres Lebens" erkoren zu haben.

 

Und wahrlich:  der düstere, todunglückliche Minimalismus dieser Musik ist ja für viele Bands stilbildend gewesen. Ist man in den 1980er mit alternativer Musik aufgewachsen, weiß wie man Post-Punk schreibt, heutezutage immer noch nach der Suche des perfekten Songs ist und ein Plattensammler mit missionarischen Eifer ist, der wird kaum glauben, dass das oben fotografierte Timetable der aufgetretenen Bands, tatsächlich so an diesem Wochenende stattgefunden hat.

 

Das ganze ja auch nicht zum ersten Mal und mal ganz davon abgesehen, was die Herren Lankisch und Waschat in ihrem Club "King George" und nebenbei im Sommer auf dem Dach des Museum Ludwig zu Köln stattfinden lassen (lesen Sie nach auf diesen Seiten), ist das ein feuchter Traum eines jeden Musikmanicas.

 

Diese Zusammenstellung hat ja nichts mit kommerziellen Gedanken zu tun. Sondern nur mit den großartigsten Verquikungen von Bands die nicht prototypisch jeder kennt, sondern ganz gezielt einen Kosmos von Musikern abruft die sich vom Imperativ des Drei-Akkorde-Songs losgelöst haben um mehr darüber zu erfahren, was es bedeutet Musik zu machen.

 

Der ehemalige Hüsker Dü Schlagzeuger Grant Hart fasste bereits mit der unfassbaren Nummer "Awake, arise" von seinem aktuellen Album "Argument" zusammen was dieses gesamte Programm am Wochenende ausweisen sollte. Und natürlich war ich persönlich sehr ergriffen, weil ich doch erst im Sommer des Jahres in Barcelona entdeckt habe, welche Bedeutung Bob Mould für mich hat. Interessant und kaum erklärbar, dann das verstörte Pedant, seiner, Moulds, unerfüllte männliche Liebe, Grand Hart zu sehen. Ein Duet mit Robert Forster (2541) nahm den Gedanken der biolpolaren Musikpartnerschaften dann auf. "Awake, arise" möchte ich noch zu den großen Musikmomenten des Jahres 2013 hinzufügen.

 

Es folgte meine derzeitige Lieblingsband Yuck. Vielleicht ist es die spürbare aber nicht angezapfte Leitung zwischen Dionsaur Jr. und Teenage Fanclub die ich da mag. Und klar es wird der Partyhöhepunkt des Wochenendes. Ein bodenständiges fast "normales" Konzert zwischen diesen ganzen Nerds, Kauzen und schrulligen John Peel geprägten und prägenden Übungsraumbands.

 

Die Geschichtsstunde über "The Fall" erspare ich mir. Interessant zu dokumentieren ist sicherlich, dass es wohl eins der längsten vermerkten Konzerte der Ikone Mark E. Smith werden sollten und zumindest die längste Zeit des Motzers in der nicht geraucht hat. Seltsam aufgeräumt wirkt er dann auch auf der Bühne. Druckvoll und fast Dance Music Lastig seine Band und somit vielleicht tatsächlich die letzte Aufrechte britische Underground-Musik, wie es Max Dax bereits 2007 in der Welt am Sonntag schrieb.

 

Das alles hat natürlich für mich auch immer noch was mit persönlicher Tagesform zu tun. Leider war der Samstag daher ehr fremd für mich, da ich mich und meine Kumpanen in seltsamer Partylaune befanden. Schwierig und sicherlich peinlich für andere, dann einen Bezug zu der Ruhe von Mirel Wagner und eben auch den Young Marble Giants herzustellen.

 

Die Gänze der Unwirklichkeit nahm ich dann aber bei einer alten Lieblingsband "The Pastels" wahr. Im sitzen und der Atmosphäre einer Schulaufführung der Lehrer Musik AG "Creation" war das schon sehr, sehr strange, schrullig, wie Bruder, Freund und Sitznachbar Ewing erwähnte. Immerhin wurde zum Schluß der Stundentenpartysmashhit "Nothing To Be Done" und das wundervolle "Check Your Heart" vom neuen Album "Slow Summits" gespielt. Festivalbucher! ...sucht Ihr noch etwas besonders für 2014! Ruft an in Glasgow.

  

Robert Forster muss man wohl als Elder Statesman der Independent-Musik beschreiben. Ja, klar, diese Begrifflichkeit Independent Musik ist sperrig heutzutage, aber aus retrospektivischer Sicht richtig. 1989 habe ich das erste Mal die famose Band The Go-Betweens live gesehen. Danach leider nur noch ein paar Soloauftritte des Herren aus Brisbane. Für einen gemeinsamen Auftritt mit seinem kongenialen, aber leider verstorbenen Partern Grant McLennan würde heute Mensche wie ich töten oder zumindest 700 km fahren.

 

Der Song "Karen" die B-Seite von der ersten Single "Lee Remick" ist für mich heute noch immer der beste Popsong über unerfüllte Liebe überhaupt. Damals in den späten 1980er Jahren gab es kaum eine gemischte Kassette ohne Musik der Go-Betweens. Immer irgendwo zwischen den Smith und R.E.M. (sind wir doch mal ehrlich).

 

Kultstatus hat Forster schon immer. Was auch bestimmt an seiner noch immer sehr dandyhaften Erscheinung liegt. In der Mülheimerstadthalle, trat Forster exklusiv mit einem Kammerorchester und dem ebenso populären Musiker Jherek Bischoff auf. Bischoff erwies sich als perfektes Bindeglied zwischen den manchmal doch etwas unspektakulären, alten und neuen Songs von Forster. Von der optischen Finesse des Kontrabasses und seinem sehr, sehr gutem Aussehen mal abgesehen.

 

Wie gesagt, ein schwieriger Moment. Zwischen innerlicher Disziplinierung und persönlichem Zuhören. Allerdings werde ich von einer abschließenden Meinung absehen, da ich aus spanischen Bier und russischen Schnapsgründen andere Sorgen hatte.

 

Das Festival war ein Geschenk an uns! Vielen Dank dafür! Es wäre müheseelig den Begriff Zeitgeist abzurufen. Es war schön zu sehen, wie viele Menschen sich tatsächlich doch für Bands mit musikalischer Substanz interessieren und diese leidenschaftlich leben. Müsste ich ein Tape für diese zwei Tage erstellen würde ich es "Colossal Youth" nennen. Aus der Sicht von damals, war natürlich alles besser. Aber hört man heute viele der meisten neuen Bands, die sich im stilistischen Niemandsland aufhalten, fragt man sich doch, ob diese in 20 - 30 Jahren eine ebenso anständige, wie würdevolle Plattform des Weekendfest erhalten, wie "unsere" Bands von damals....

 

Alan Lomax

 

 

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