Sadistico - Clint Eastwood

von Rick Deckard  -  14. Januar 2013, 20:56  -  #Filme

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Dave Garver ist ein Frauenheld. Dave Garver ist aber auch ein leidenschaftlicher Musikhörer. Allabendlich sitzt er in seinem Studio und geht "On Air", wie man so schön sagt. Sein Radiosender KRML spielt vorwiegend aktuellen und vergangenen Jazz als Programm oder aber auch auf Bestellung. Eines Abends ruft eine Frau  an und wünscht sich 'Misty' von Eroll Garner.

Garver (gespielt von Eastwood) führt ein Junggesellendasein, erhofft sich eines Tages den großen Durchbruch bei einem der Majors, hängt in örtlichen Bars ab und geniesst das Leben. In diese beschauliche Idylle tritt eines Abends eine Frau, die er in seiner bevorzugten Bar kennen lernt und mit ihr den restlichen Abend verbringt. Am nächsten Morgen taucht diese Frau unverhofft bei Ihm auf, will für ihn kochen und anscheinend den Tag mit ihm verbringen. Ganz das Gegenteil von dem, was sich der Beau erhofft hatte: Zunächst reagiert seine neue Bekanntschaft mit Verständnis, je mehr sich aber der Radio-Jockey gegen eine sich anbahnende Beziehung wehrt, desto mehr schlingt sich seine neue Eroberung um Ihn. Erst leise und ganz subtil, dann immer lauter und offensichtlicher ... .

'Play Misty For Me' (Sadistico - Wunschkonzert für einen Toten) war das Regie-Debüt der Hollywood Legende (und des Blog Lieblings) Clint Eastwood aus dem Jahr 1971. Ein beklemmender Thriller. Von Beginn an verströmt der Film eine unheimliche und verstörende Atmosphäre, die zunimmt, je weiter sich der Film bis zum Finale steigert. Interessanterweise spielen dabei die wenigsten Szenen in der Dunkelheit, sondern eher bei hellem Tageslicht, ein Clou, der diese permanente und bedrohliche Stimmung noch steigert.

Der Film spielt an der Westküste der Vereinigten Staaten, nahe dem Ort Carmel-At-The Sea und Monterey. So ist auch die Eröffnungsszene des Films grossartig, in der Clint Eastwood in einem Cabrio entlang der Küstenstrasse zu seinem Radiosender fährt. Man verspürt förmlich die Lust den berühmten Handflieger aus einem fahrenden Auto zumachen, Musik zu hören und die Sonne zu geniessen. Doch eben diese Idylle, dieser Traum aus einer Landschaft, wird immer mehr zu einem Albtraum. Hervorzuheben ist dabei die wunderschöne Kameraarbeit von Bruce Surtees, der die Küstenlandschaft kaum wahrnehmbar, jedoch mit vielen kleinen Kunstkniffen so verfremdet, dass trotz der Helligkeit das Licht für eine gewisse Anspannung und "Dunkelheit" sorgt.

Der Film erinnert sicherlich hier und dort mild an 'Psycho', jedoch ist Eastwood weit davon entfernt Hitchcock zu kopieren. Es gibt an vielen Stellen böse Überraschungen und der Horror schleicht sich ganz langsam, auf leisen Sohlen in die Normalität des Alltags. Dieses unterschwellige, bösartige und durchtriebene macht 'Play Misty For Me' zu einem sehenswerten Thriller. Bestechend dabei die schauspielerische Leistung von Jessica Walter, die die Psychopathin mit einer unheimlichen Leistung verkörpert.

Wenn man sich den Film ansieht, dann ist es offensichtlich, dass viele der Filme aus den 80'er Jahren und auch danach, in denen es um Stalker geht, in ihm ihre Basis finden. In gewissem Sinne war Eastwood hier Vorreiter, aber nicht nur für dieses Subgenre, sondern anscheinend auch für den Slasher-Film (wenn man 'Psycho' als das Non-Plus-Ultra nimmt).

Neben dem Horror-Setting verströmt der Film in jeder Minute ein unglaubliches 70's Flair in fast jeder Minute, seien es die Kostüme, der Zeitgeist, die Interieurs oder auch die Musik. Apropos Musik: Es gibt eine exquisit gefilmte Sequenz, in der Garver und seine Freundin Tobie gemeinsam Zeit am Strand und in einem Wald verbringen. Im Hintergrund hört man Roberta Flack den Song 'The First Time Ever I Saw Your Face' singen. Das sind Momente, die einem nicht nur ein unvergleichliches Retro-Gefühl bescheren, sondern auch zeigen, was für ein grosser Regisseur Eastwood war, werden sollte und ist. Neben dieser fast schon klassisch zu nennenden Szene gibt es Aufnahmen vom Monterey Jazz Festival, bei dem sich der junge Regisseur für wenige Sekunden verliert und fast einen Mini-Konzertfilm dreht. Zu sehen sind Cannonball Adderley und Joe Zawinul. Hier zeigt sich die grosse Liebe von Eastwood zum Jazz!

Trotzdem der Film über 40 Jahre alt ist, vermag er einem grosse Angst einzujagen. Ein sehenswertes und verstörendes Debüt von einem der ganz Großen.

Von der Westcoast aus einem fahrenden Cabrio,

Rick Deckard

Gott, gab es große Musiker ... :

Bildquelle: www.kino.de

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