Hierro - Gabe Ibánez

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  23. Januar 2011, 13:10  -  #Filme

hierro_cover.jpg

Die Untertitel-Trashkultur der deutschen Verleiher hat bei diesem Film seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht: „Insel der Angst“. In  meiner Videothek die in einem prekären Wohngebiet liegt, ist dieser Film mit 8 Kopien unter Neuerscheinungen recht gut besetzt. Als ich gestern in der Videothek war, hatte ich auch ein gewisses Dauergrinsen im Gesicht, als ich die anderen Kunden bei der Planung des samstäglichen Filmabends beobachtet habe. 

Ich könnte mir vorstellen, dass der ein oder andere Filmfan diesen düsteren, sehr experimentellen, aber bemerkenswerten und guten Film aus Spanien schnell wieder ausgeschaltet hat. 

Diese Sicht hat keineswegs einen elitären Hintergrund. Da ich der letzte Filmfan bin, der einen experimentellen Film, gegenüber dem guten Mainstreamkino verteidigen würde. Mein kompletter Filmhabitus spricht dagegen. 

Der Regisseur Gabe Ibánez ist mit diesem Streifen allerdings ein kleiner Geniestreich gelungen. Denn er schafft es, wie der Meister Alfred Hitchcock, den Zuschauer permanent in falsche Richtungen zu schicken, um ihn mehrhaltig im Dunkel tappen zu lassen. Das besondere ist, dass Ibánez dabei auf komplexe Charakterstudien oder die üblichen parallel Handlungen verzichtet und mit tief gehenden visuellen Darstellung der Tagträume der Hauptdarstellerin Elena Anaya ersetzt. 

Das für ein Massenpublikum als Träger des Filmes einzusetzten  scheint erstmal unmöglich. Filmfreunde werden sich an die nachlesbare Verstörtheit des Kinopublikums 1940 erinnern, als Hitchcock den spanischen Künstler Dali eine Traumsequenz für den Film „Spellbound“ drehen lies. 

Hierro erzählt die Gesschichte der alleinerziehenden Mutter Maria, die ihren Sohn Diego während einer Schiffreise auf die kanarische Insel El Hierro verliert. 

Maria bleibt in der Folge auf der Insel, eine verzweifelte Suche beginnt. Maria wird von Elena Anaya dargestellt, die Freunden des europäischen Kinos aus Public Enemy No. 1 von Jean-Francois Richet bekannt sein dürfte.  Elena Anaya liefert in diesem Streifen, der weder ein Horror noch ein Mysteriethriller ist, eine Sonderleistung ab. Dabei gibt sie die unschuldige Hauptperson die von jetzt auf gleich in eine dramatische Situation geschickt wird. Genauso wie es auch der Meister Hitchcock gerne gemacht hat. Dabei trät sie die Qualität des Filmes weitestgehend alleine auf ihren Schultern und meistert diese schwierige Darstellung zwischen unverstelltem Wahnsinn und tiefer unschuldiger Trauer. 

Das Team (Drehbuch, Produzent, Regie) der Erfolgsfilme Das Waisenhaus und Pans Labyrinth, setzen dabei auf die legitime visuelle Darstellung der Angst und einer schlichtweg brillanten verstörenden Atmosphäre. Das Fremdenverkehrsamt der kanarischen Insel wird diesen Film mit Argwohn gesehen haben. Die wahrscheinlich schöne Insel spielt zwar die zweite Hauptrolle, ist aber quasi der Bad-Guy. Finster, spröde, unheimlich, verstörend sieht man die Insel weitestgehend in blauseifiges Licht getaucht. Nicht die beste Werbung. 

Der Film ist herausfordernd, schwierig und quält sein Publikum bewusst. Eine echte Empfehlung für Euch, die auf der Suche nach der Weiterführung von bekannten Geschichten auf einer neuen Umsetzungsebene sind. Ein verstörender, sehr guter Film.

Alan Lomax 

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: