Eine Alpensinfonie - Richard Strauss

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  16. Februar 2010, 10:34  -  #Orchestrale Musik

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Über Irrungen und Wirrungen bin ich zu Richard Strauss gelangt. Eigentlich suchte ich nach einem neuen PoP-Musik Album und hätte fast das neue von 'The Postmarks' geladen, aber nach eingehendem Hören der 30 sec. Proben entschied ich mich weiter zu suchen, denn der Stil war mir bekannt und alles drohte in Langeweile zu verkommen. Die Musik die ich da hörte ist keineswegs schlecht, nur diese propagierte Mischung aus 60's Beat, Mancini und Barry war mir nur allzu geläufig. Wie dem auch sei, irgendwie endete die Suche dann bei Strauss und seiner Alpensinfonie.

Ich glaube das ist die erste komplette Musik, die ich von diesem Komponisten gehört habe. Der Name des Komponisten und seine historische Bedeutung waren mir geläufig, aber ich hatte mich nie zuvor mit ihm beschäftigt. Da es draussen noch immer kalt ist und schneit, hat mich vielleicht mein Unterbewusstsein zu ihm gelotst, geweckt durch die Neugier, wie jemand das Bild der Berge vertonen würde, denn Dramatik würden diese sicherlich zu Genüge bieten.

Die Sinfonie ist aufgebaut aus 10 einzelnen Teilen, zumindest in der Version wie ich sie gehört habe und beginnt und endet mit der 'Nacht'. Ich muss es zugeben: Das Hören dieser über 50 min langen Sinfonie hat mir einiges an Zuwendung und Konzentration abverlangt und war absolut nicht einfach. Klassische Musik ist wirklich enorm komplex und ein so grosses Orchester produziert eine Unmenge an Tönen und Melodien, denen man folgen und deren Effekt auch verarbeiten muss. Ich werde diese Musik sicherlich noch einige male hören müssen um sie zu verstehen. Ohne mich vorzubereiten oder mich im Vorfeld zu belesen habe ich mich an sie gewagt.

Der erste Satz eine Nacht ausmalend beginnt in einer sehr tiefen Tonlage mit Bläsern und Streichern und verharrt einige Zeit in diesem Moment, bis das aufbrausende Orchester zu voller Lautstärke einen Sonnenaufgang in Tönen umsetzt und so bei mir das Bild eines Panoramas der Berge lieferte die im Glanz der ersten Sonnenstrahlen aufwachen. Ein schwerer aber auch imposanter Moment. Im Grunde führt diese Musik uns oder einen imaginären Menschen über einen Tag entlang von Bächen, Wäldern, den Gefahren eines Gletschers bis an die Spitze eines Berges und später wieder entlang durch Nebelschwaden und Gewittern, sowie Visionen zurück zum Ausgangspunkt der Reise.

Das ist in der Summe des Hörergebnisses majestätisch, jovial, voller Erwartungen aber auch beschwerlich in einem gewissen Sinne, denn ebenso wie dem Wanderer ermöglicht der Komponist dem Hörer keine Verschnaufpause und die Vielzahl der Eindrücke werden stets und ständig vermehrt. Aber das macht auch Spass, denn die Musik lebt von einer hohen Suggestionskraft, denn immer wieder verdeutlichen einige Instrumente wo man sich befindet und welche Naturgewalt uns am Auf- oder Abstieg hindert. Solistische Ausflüge einzelner Instrumente gibt es kaum, dafür wirkt das gesamte Orchester aber sehr homogen und in seiner erzählerischen Kraft eindeutig. Wenn man den Gletscher überwunden hat, der durch Blechbläser intoniert wird und an der Spitze angekommen ist passiert zunächst etwas, was genau konträr der Erwartungshaltung ist: ich glaube eine Klarinette spielt leise eine Melodie und der Hörer wird zur inneren Einkehr gezwungen und verharrt in einem stillen Moment. Der Triumph der Besteigung wird erst viel später hörbar durch Schlagwerk und Bläser. 

Der Abstieg wird dann umso beunruhigender und spannender, die 'Ruhe vor dem Sturm' wird durch sehr stille und leise Musik betont bis dann lautes Schlagwerk, Streicher und eine Windmaschine (?) eindeutig einen gewaltigen Sturm und Wassermassen "sichtbar" machen. Das hat irgendwie einen "melancholisch-würdigen" Beiklang. Im Ausklang spielt dann kurz eine Orgel und sofort hat die Musik einen retrospektiven, ja fast pastoralen Charakter. Sie fordert einen auf zu reflektieren und auf der anderen Seite ist sie auch versöhnlich. Ein sehr intensiver Moment, da einem in der Reflexion der Musik wenig Alternativen gegeben werden. Die Sinfonie endet dann genauso wie sie begann, ruhig, still und leise.

Das war schon eine ziemlich akustisch-"optische" Tour de Force auf die ich mich begab und der Effekt war sehr aufwühlend. Nicht, dass die Musik einen verfolgen würde, aber einer so dramatischen Komposition über einen solchen Zeitraum zu folgen fordert von einem wenig hörerfahrenen in der Klassik wie mich schon seinen Tribut. Man ist sprichwörtlich erschlagen, letzteres aber mit einem positiven Beiklang.

Wie ich dann später las ist die 'Alpensinfonie' eine Sinfonische Dichtung. Das ist laut Wikipedia ein längeres musikalisches Stück für ein Orchester, welches versucht aussermusikalische Inhalte mit musikalischen Mitteln zu umschreiben, der Filmmusik also nicht ganz "unähnlich". Diese Art der Dichtung so las ich gehört zur Programmmusik und spielt in der romantischen Musik des 19. Jahrhunderts eine grosse Rolle. Andere Beispiele für solche Kompositionen sind 'Mein Vaterland' von Smetana oder auch 'Also sprach Zarathustra' von dem gleichen Komponisten.
Die Idee zu dieser Sinfonie soll Strauss gekommen sein, als er sich in seiner Kindheit auf einem Berg verstiegen hatte und in ein Gewitter gekommen war. Es gibt anscheinend viele Deutungen dieses Werkes, die wohl auch als eine musikalische Darstellung eines Lebens verstanden wird.

Für mich war das nach der 'Sinfonia Antartica' ein weiterer lohnenswerter Ausflug in klassische Gefilde, wenn auch ich sagen muss, dass ich diese Musik auch nur in solchen langen Abständen hören kann und muss. Dafür ist sie viel zu komplex und verzehrend. Aber es hat Spass gemacht bei allem und das zählt.

Rick Deckard

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