Don Siegel's 'Charley Varrick' (Der grosse Coup)

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  16. Februar 2010, 22:38  -  #Filme

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Das ist ein Thriller in Perfektion mit einem begnadeten Regisseur und einem charismatischen und in höchstem Masse einnehmenden Hauptdarsteller. Was für ein überragender Film! Es ist schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich 'Charley Varrick' gesehen habe und ich bin froh und als Film-Enthusiast glücklich, dass ich ihn heute nochmals sehen konnte. Wenn hier im Blog der Eindruck entstehen mag, dass häufig Filme aus vergangenen Jahrzehnten gepriesen werden, dann kann ich das nur bestätigen und mit voller Absicht bejahen, zumindest was mich betrifft. Das sind nicht nur nostalgische Gefühle denen nachgegeben wird und es wird auch nicht kritiklos der Prämisse gefolgt "Früher war alles besser!" Es gab nun mal Regisseure, die waren wegweisend und hatten eine so prägende eigene Bildsprache entwickelt mit der Folge einer überdurchschnittlichen Qualität im Kino, dass man sie gar nicht genug dafür preisen kann.

Don Siegel ist ein Regisseur den man nur bewundern kann und das als Filminteressierter umso mehr. Gerade bei diesem Film kann man mit dem "3. Auge" als geübter Zuschauer so viele wunderbare Details erkennen und diese Erkenntnisse zeitgleich beim Betrachten des Films einfliessen lassen, dass es eine wahre Freude ist. Bereits die Titelsequenz mit der Musik von Lalo Shifrin ist so ein Beispiel dafür und ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber wie die Bilder aufgenommen und geschnitten wurden und wie harmonisch Shifrin diese Bilder mit seiner Musik untermalt, alles das ist Kino in absoluter Vollendung. Und das alles ohne optische Mätzchen, Schnickschnack, Krawall oder Special Effects. Das ist Motion Picture in Reinkultur. Atemberaubend, wie dann plötzlich ohne jede Vorwarnung die Gewalt in infernalischer Form über eine Stadt in der Provinz hereinbricht. 

Der Film ist so pointiert, hat ein unglaubliches Timing was die Dramaturgie und v.a. den Schnitt betrifft, dass es pure Freude ist ihn zu sehen. Hier zahlte sich auch die Erfahrung von Siegel in seinen Anfangsjahren bei Warner Bros. aus. Die Spannung wird konstant von Anfang bis zum Ende gehalten und selbst in Szenen in denen der Dialog vorherrschend ist verliert sie nie an Gewicht. Gerade die Lakonie in den Dialogen, ja eigentlich in der gesamten Erzählung hebt diesen Film 'Over The Top'. Walter Matthau ist ein Beispiel für passgenaues Casting, würde man doch meinen, dass der lange schlaksige Kerl eher an die Seite von Jack Lemmon oder in eine Komödie gehört. Aber genau dieser Erwartung wird mit seiner Besetzung widersprochen. Walter Matthau bei seinem Spiel zuzusehen ist grosser Spass und zeigt was solche Darsteller von anderen unterscheidet. Um es mit den Worten von Mr. Lomax zu umschreiben: "Es wirkt alles authentisch!" Das genau ist die Kunst einer Performance und in keiner Sekunde möchte ich Matthau abstreiten der zu sein, den er auf der Leinwand vorgibt zu sein. Fantastisch!

Der Film ist sowieso fabelhaft besetzt und liefert für einen Thriller exzellente Leistungen von John Vernon, Joe Don Baker und Andrew Robinson. Jedem dieser Darsteller nimmt man ihre Rolle ab. Was im Grunde für fast alle Filme von Siegel gilt ist meine Bewunderung für seine Präzision die Handlung so im Fluss zu halten, dass nie Langeweile aufkommt. Auch bei 'Charley Varrick' fiebert man mit Walter Matthau mit und vergisst(!), dass er selbst ein Gangster ist. So muss man erst einmal den Zuschauer manipulieren können. Ausserdem zeigt sich hier das, was Peckinpah (den Siegel übrigens zu Anfang seiner Karriere unter seine Fittiche nahm und was umso mehr zu erkennen ist, wenn man diesen Film sieht!) immer gefordert hat: Gewalt im Kino muss motiviert und charakterlich begründet sein (so oder so ähnlich) um ihre Wirkung entfalten zu können und genau das trifft zu auf 'Charley Varrick'. Nie ist die Action oder die Gewalt Sinn entleert oder verkommt zu reinem Selbstzweck.

Was ausserdem auffällig ist, ist die Tatsache, dass der Film straff inszeniert und ohne jegliche Schnörkel ist. Keine unnötige Nebenhandlung, kein Charakter zu viel und die, die im Film auftauchen haben für die Handlung ihre Berechtigung. Das gilt auch für viele andere Filme von Siegel, wie beispielsweise 'Escape from Alcatraz', 'Dirty Harry' oder auch 'The Killers'. Diese Ökonomie in der Erzählweise ist es, die seine Filme so faszinierend macht.

Ach ja, unser aller Freund Quentin T.: die variierte, berühmte und oft zitierte 'Lötkolben-Zeile' aus 'Pulp Fiction' hat hier ihren Ursprung (wusste ich auch nicht). Aber Siegel zitiert auch selbst, nämlich Hitchcock und 'North by Northwest'.

Ich kann jedem Kino- und Filminteressierten, der diesen Film nicht kennen sollte ihn nur ans Herz legen. Er gehört in jede Bibliothek die von sich behauptet Meisterwerke zu beinhalten. Nichts geringeres ist 'Charley Varrick' und Don Siegel einer der besten Regisseure aller Zeiten. Übrigens: ein Schauspieler und Regisseur, der in diesem Blog oft gelobt und in höchstem Masse respektiert wird ging in seine Schule:

Clint Eastwood.

Euphorische Grüsse von der Silver Screen,

Rick Deckard

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