Bright Eyes – The People’s Key

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  11. Februar 2011, 22:19  -  #Populäre Musik

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Südtribüne: Lomax Du machst Dich unglaubwürdig!

Nordtribüne: Niemals, niemals kannst Du die Hochwürden des Jazz verlassen und jetzt mit Bright Eyes kommen

Osttribüne: Aufstehen, wenn Ihr Musik mögt!

Westtribüne: Lomax, liefert ihn ein! Wir wissen wo Dein Auto steht! 

..schweiß gebadet, wache ich auf. Ich stand im Mittelkreis, des Fußballfeldes. Tausend Stimmen um mich herum. Geht schon. Ich höre doch nur Musik, war meine kleinlaute Antwort. Die Bright Eyes, Conor Oberst, bedeutet mir etwas. Viel! Warum, darf ich das nicht nach Chick Corea hören. Nicht nach diesem musikalischem Manifest. Ich darf! 

Conor Oberst und Chick Corea haben sogar Gemeinsamkeiten! Welche? Nun, es ist die esotherische, spirituelle Auffassung von mehr. Wenn es für Corea eben Hubbard ist, dann war es für Oberst Denny Brewer, ein Musiker und Weltverschwörungstheoretiker  aus dem Süd-West der Staaten, der vom Superuniversum und von pandimensionalen Reisen sprach. 

Oberst bewundere ich aber ehr unter der Überschrift: So wäre ich auch gerne. Dies ist ein Statement, welches man eigentlich nur seinem Therapeuten präsentiert. Aber, der, der sich mit seinen Platten, seinem Genius und seiner Qualität als Songschreiber auskennt, wird das nachvollziehen können und den Therapeutengedanken schnell beiseite legen. Auch in meiner Richtung!

Oberst hat bei der ganzen Musikschreibernummer nicht nur, inhaltliche Qualitäten, darauf wird er oftmals reduziert, sondern vor allem, den Hang zum großen epischen Popsong. Der, der, gefühlt immer wieder mit der Melodie, mit dem Größenwahn und dem Talent der Überraschung zu tun hat. Somit ist es auch der Song Shell Games  der zuerst strahlt, wie ein Juwel aus dem vergessenen Nebraska. 

Denn daher kommt Oberst. Inzwischen auch schon 32 Jahre. Ich kann mich noch erinnern, als wir ihn vor vielen Jahren erstmalig, zerbrochen, anbetungswürdig, betrunken, wie aus einem Charlie Kaufman Film entsprungen Charakter in Haldern gesehen haben. Dabei seine großartig, austauschbare Band und viele Flaschen Wein. Ein verzweifelter, junger Star, Geschäftsmann (Saddle Creek) und Künstler. 

Zwischenzeitlich hat er mit diversen Projekten, diverse gute Musik veröffentlich. Zentral muss hier noch mal das Album Outer South mit der Mystic Valles Band erwähnt werden. Insbesondere der unfassbar zu herzen gehende Song „I got the Reason # 2“. Andere Kollegen werden das anders sehen. Aber auch das ist besonders bei Oberst, jeder hat seinen persönlichen Lieblingssong. Vielleicht können sich aber alle auf „First Day of My Life“ einigen? 

Nun also The People’s Key. Beim ersten Hören stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Immer so, wie es ist, wenn man einen neuen Billy Bragg-, einen neuen Magic Numbers-, einen neuen Hefner-, einen neuen Wedding Present-, einen neuen Rufus Wainwright-, einen neuen Ben Folds-, einen neuen Built to Spill- Song hört. 

Markant auf der neuen Scheibe, ist der wundervolle Klang des alten Synthesizer, den Oberst irgendwo in dieser Welt auf dem Flohmarkt gefunden hat. Wahrscheinlich Moog oder Korg. Klingt gewaltig. Aber es ist nie der Sound, sondern das Timing, der Einsatz und das Verständnis lyrische Elemente und Klangbilder zusammenzubringen. Approximate Sunlight mag dann auch ehr eine sperrig anmutende Nummer sein, die A-Moll Akkorde stimmen aber gnädig, lassen einen fühlen was Oberst will. Düstere Weltanschauungen, befürchtete Dramen und politische Konflikte mit positiven Melodien zu lösen. Realistisch unmöglich, musikalisch, subkulturell, träumerisch akzeptabel. 

Mit Leichtigkeit verpackt er die grundsätzlich politische Dimension dann auch vereinfacht mit abgeleiteten Idolen der poppolitischen Symbolistik.. Nimmt z. B. Haile Selassie als Glaubensbekenntnis für eine bessere Welt, ausgekoppelt aus dem Zusammenhang der Rastafari-Bewegung. In der Annahme, dass seine Zuhörerschaft das schon versteht, übrigens ohne jamaikanische musikalische Einflüsse. 

In unseren medial beeinflussten Köpfen haben wir ja auch immer ein Wunschvorstellung von einem Helden aus dem Nirgendwo. Eine aussehende Mischung aus Evan Dando und vielleicht Jason Pierce (Spiritualized) ist so etwas, wie das visuelle Idealbild des bewussten Käufer von Platten der alternativen Musik. Oberst vereint das. Das merkwürdig erfrischende in seiner Stimme, diese Hoffungsvolle und gleichzeitig bitterböse Haltung berührt irgendwas in uns. 

Punkrock wird aufgerufen, bei weiteren Gedankengängen. Als wenn Oberst es gewusst hat. Rockt er dann auch mit der gleichgültigen, wahrscheinlich schnell vergessenen Nummer Triple Spiral (die übrigens schlechter ist als so viele nicht angenommenen Weezer Nummern) weiter. 

An der Stelle der Platte möchte man ja dann doch den Überhit hören. Den Song der einen wegbeamt. Wie z. B. Landlock Blues von der Live-Scheibe Motion Sickness. Einer Nummer die sehr folkloristisch in der pre-Bärte-Area einzuordnen ist. Aber das angesprochene Timing mit dem Einsatz der Trompete und der dominierend zerbrochenen Stimme von Oberst ist göttlich. Klar, dass man so etwas, auch außerhalb der Grenzen des Krieges, immer wieder erwartet. Das Pissed hat kaum jemand besser gesungen. Furios! Rockerjugend aus Hanau, klar, danach, gleich „Between the Wars“ von Billy. Aber es wird zu persönlich. Zurück zum Album! 

Country ist übrigens ein Aspekt, den uns Oberst seit Jahren zuträgt. Ich danke dafür. Ryan Adams arbeitet auch ständig daran. Beginners Mind ist aber trotzdem nur durchschnittlich, wird aber kongenial mit dem schwermütigen Ladder Song fortgesetzt. Wen man so will der erwartungsvolle Hit den ich hier zwischen den Zeilen verkaufen will! Aber ehrlich, karakose mitgesungen, hört sich das wie eine sehr bekiffte Coldplay Nummer an! 

One for you. One for me muss nichts ausgleichen. Das hier ist eine schöne Bright Eyes Platte, die man liebt, in die man sich reinsteigern kann oder es sein lassen kann. Je nach Kondition! Eines  aber bleibt, nämlich Oberst, der ein zeitgemäßer Popheld ist! 

Alan Lomax

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