Li Xiaolong

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  13. September 2009, 12:29  -  #Vergessene Helden

Es gibt eine Ästhetik jenseits aller PoP Musik, Kino, Malerei und bildenden Künste, die mich schon seit je her faszinierte und das ist die der Kampfkunst oder um es genauer im popkulturellen Kontext zu formulieren, die der Martial-Arts. Diese unglaublich grazilen, athletischen, schnellen und hoch ästhetischen Bewegungsabläufe sind für mich die Krönung menschlicher Physis. Ich habe leider keine Erinnerung mehr wann ich das erste mal mit Martial-Arts in Kontakt kam, ich weiss nur, dass mich vor Jahrzehnten auf dem Schulhof der Orientierungsstufe ein exzellenter Sidekick nach Flug über eine Treppe mitten in den Brustkorb traf von einem Mitschüler, dem ich auf Grund seiner Körpergrösse nicht glauben wollte, dass er Kung Fu beherrschte. Umgehend musste er es mir beweisen, ich japste nach Luft, fing mich wieder und revanchierte mich mit einem misslungenem Drehkick (den übrigens Chuck Norris und Jean Claude van Damme in Perfektion beherrschen). Irgendwann, es muss zur Boom Zeit des Kung Fu gewesen sein, kam ich in Berührung mit Bruce Lee und seinem Film 'Enter The Dragon', in dem Lee auf einer Insel eingeschleust als Agent des CIA einen Kriminellen zur Strecke bringt. U.a. gibt es fantastische Kämpfe im Rahmen eines Turniers bei diesem Film und die Musik von Lalo Shifrin ist hörenswert!. Von da an wurde meine Faszination noch grösser und mit entsprechender Begeisterung sah ich diese Filme, wann immer sich die Gelegenheit ergab. Ich bin ein Pazifist, aber wenn ein Mensch in der Lage ist sich nur mit seinem Körper als Waffe zur Wehr zu setzen, dann versetzt mich das schon in Faszination. Ein solcher Athlet wie Bruce Lee schafft es scheinbar mühelos die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden. Auch das ist Grund für die anhaltende Begeisterung.

Seine ganze Körpersprache, seine Laute, seine begrenzte, aber auch effektive Mimik haben Ihn zur Legende, zum Helden gemacht, der in der Welt des Kinos nicht vergessen werden darf. Sein Einfluss auf die Filme der Neuzeit ist unübersehbar: Die grandiose Schlusssequenz in 'Kill Bill Vol. I' z.B. oder auch der Fight eines Jason Statham in 'The Transporter', Jet Li's spektakuläre Sequenz in der er Mel Gibson in 'Lethal Weapon IV' hinter einer Tür stehend entwaffnet oder auch ein Tony Jaa, all diese Helden incl. Chuck Norris gäbe es ohne ihn nicht. Corey Yuen, der in den letzten Jahren fast alle berühmten Kämpfe choreografiert hat sollte ebenfalls nicht in Vergessenheit geraten und hat sicherlich auch vom Lee-Bonus profitiert. Martial-Arts ist im modernen Kino allgegenwärtig. Eine der besten Sequenzen in diesem Zusammenhang ist der Kampf von Keanu Reeves gegen Lawrence Fishburne in 'Matrix'. 

Bruce Lee ist nicht nur ein Held, sondern auch ein Bruder im Geiste. In Hongkong in den ersten Jahren aufgewachsen (Vater Chinese, Mutter Deutsch-Chinesin!) musste er sich als Schüler in der damaligen Kronkolonie gegen britische Mitschüler auf dem Heimweg in klassischen 'Nach-der-Schule-Kämpfen' zur Wehr setzen und sich später als Fremder in einer neuen Umgebung zu Recht finden. So begann der Werdegang des 'Kleinen Drachen Lee'. Boxen und Wing Chun sind die Eckpfeiler dieses Erfolges und keiner vor oder nach Lee hat so gekämpft. Über Umsiedlung nach San Francisco, Training, Errichtung von Trainingszentren (Kwoons), dem Fernsehen, einigen Serien, Glück und Zufall schliesslich landete er beim Film, bei den legendären Shaw Brüdern, als auch bei Raymond Chow und den Golden Harvest Studios. Durch seine Trainingszentren kam er in Kontakt mit vielen Stars wie James Coburn (!) und Steve McQueen, die selbst Unterricht nahmen. Zu den bekanntesten Filmen von Lee gehören 'The Big Boss', 'Fist of Fury', 'Die Todeskralle schlägt wieder zu' und 'Der Mann mit der Todeskralle'. Es rankten sich Legenden um den sehr frühen Tod des Martial-Arts Kämpfers bis hin zu einer Ermordung durch ein Syndikat, aber es ist wohl erwiesen, dass er an einem Hirnödem auf Grund einer allergischen Reaktion eines Schmerzmedikamentes im Alter von 33 Jahren verstarb. Wie dem auch sei, er wurde zur Legende und zu
der Ikone des Kampfsports. Alle die folgten konnten diesen Status nie wieder erreichen. In Hongkong wurde ihm vor einigen Jahren eine grosse Statue(!) gewidmet.

Als Erinnerung an diesen vergessenen Helden und Legende hier
der Fight, der als bester und spektakulärster der Martial-Arts Geschichte gilt. Man achte insbesondere auf die Glanzleistung von Chuck Norris, die Musik zu Anfang (kein Fake!), die verwackelten schnellen Zooms, die furiose subjektive Kamera aber am meisten auf Bruce Lee: Sensationell, insbesondere die Schnelligkeit, diese unnachahmliche Ästhetik und v.a. ab 03:31 min diese leichtfüssige Beinarbeit. Nur Muhammad Ali war noch besser:


Wer nach diesen Minuten wieder Freude an Martial Arts gewonnen hat, dem sei als Bonus noch folgende Sequenz vergönnt. Hier wird die überragende Handhabung des Nunchaku gezeigt, ursprünglich als Dreschflegel von japanischen Bauern benutzt und durch Lee weltberühmt gemacht (in Deutschland übrigens verboten!). Man erkennt auch woher viele der heutigen Regisseure ihre Inspiration nehmen.



Grandiose Kunst. Wer sich näher damit beschäftigen will oder vorübergehend möchte, dem kann ich die 'Wing Chun' Ausführungen auf Wikipedia empfehlen. Nachfolgend wird man die Kämpfe unter einem anderen Licht sehen. Interessante Philosophie!
Ich hatte mal einen Kollegen, Ingo S., der hat nach der Pizza im Dienst mit mir auf dem Parkplatz einige Figuren eingeübt, die ich heute noch beherrsche.

Rick Deckard 
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