Pee Wee Ellis Nachruf – Alan Lomax

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  30. September 2021, 09:24  -  #674.fm, #Alan Lomax Blog, #Feuilleton, #Jazz, #Orchestrale Musik, #Popmusik, #Vergessene Helden

Pee Wee Ellis Nachruf – Alan Lomax

Inventor of Funk oder auf Deutsch: „Der Mann hat den Groove mit Löffeln gefressen“, wie es einst ein guter Freund von mir sehr treffend nach einem Konzert mit ihm und seinen Partner Maceo Parker und Fred Wesley sagte. Gemeinsam hatten die drei als Roots Revisted einige sensationelle Alben veröffentlicht. Vorher spielten sie bei James Brown gemeinsam in seinem Bläser-Ensemble. Pee Wee Ellis war der musikalische Leiter. Häufig wird diese Konstellation The J.B. Horns genannt. Tatsächlich war das aber nur eine Band-eigene Begrifflichkeit, die eine Anspielung auf The J.B.‘s war. Der James Brown Revue.

Damals spielten Musiker einfach zusammen in Bands. Hits entstanden und unvergessliche Klassiker. Über vertragliche Zusammenarbeiten machte man sich wenig Gedanken. Daher gibt es d. b. auch leider fast nur furiose falsche Darstellung auf den einschlägigen Internetseiten, die dann kopiert werden und auch in vielen Nachrufen falsch dargestellt werden. Ein anderes, aber zugleich auch bitteres Thema, da die Musik so marginalisiert wird, verfälscht. Sie wird unerkennbar gemacht und wird -wenn es so weiter geht- entpersonalisiert sein. Ziemlich respektlos! 

Pee Wee Ellis kann somit auch als Erfinder des Funk gelten (!). Denn er war der musikalische Direktor von James Brown und hat mit seinen Jazz-Einflüssen, aus dem R&B geprägten Sound z. B. erste eindeutige Nachweise wie z. B. den Solid-Gold-Hit „Cold Sweat“ geschrieben und er hat auch nachweislich die wichtigste Zeile der Bewegung gegen Rassendiskriminierung geprägt: „Say It Loud, I’m Black And Proud“ (Let Yourself Go). Und ja klar, es ging schnell in dieser Phase der Musik, der Gesellschaftlichen Neuverordnung und dem Wandel. Ein Puzzleteil passte zum nächsten. Wie das so ist, wenn ein Künstler am richtigen Ort ist.

Für einen vergessenen Helden wie Pee Wee Ellis ist es aber schade, dass an der Stelle Andere fälschlicher Weise genannt werden und ein wichtiger Musiker, somit zu oft in den Hintergrund gerückt ist und selbst im Europaverliebten und Soul- und Jazzman verehrenden Konzertgeschäft, Männer wie Fred Wesley, Maceo Parker oder Bobby Byrd, nie die Aufmerksamkeit bekommen haben, die sie verdient hätten. Anders lässt es sich kaum erklären, dass ich Konzerte von all‘ diesen großen Musikern, häufig nur in kleinen Clubs gesehen habe oder im Zusammenhang mit einem Support, wie z. B. der WDR BIG BAND hier in Köln. Und dann trotzdem ehr in der Kantine und im Stadtgarten, als in der Philharmonie.

Wer einmal in den letzten Jahrzehnten das Vergnügen hatte Parker, Wesley und Ellis gemeinsam live zu sehen, wird bis zu seinem Lebensende daran denken. Das Wort energiegeladen, bekam hier eine neue Bedeutung. Auffällig dabei war immer, dass alle drei großartigen Musiker offensichtlich überhaupt kein wenig exentrisch waren. Sie spielten ihre Musik, leidenschaftlich, stundenlang, wenn sie durften. „…keep the Funk alive“, es war großartig und ging immer weiter. Selbst Stunden, Tage nach diesen unfassbaren Konzertabenden, wippten wir weißen Zuschauer noch zu diesem Rhythmus und versuchten diese gestochenen Bläsersätze nachzupfeifen.

Die Konzerte wurden häufig als 99% Funk & 1% Jazz angekündigt. Ich glaube aber nur in Deutschland;-)

Pee Wee Ellis liebte diese erdige Musik. Und er liebte den Jazz. Lernte ihn bei Sonny Rollins und John Coltrane und probierte sich dann bei Van Morrison als musikalischer Leiter aus, nach dem die ursprüngliche musikalische Hauptidee Funk stilistische auseinanderbrach und in verschiedenen Missionen unters zahlbare Volk gebracht wurde. Ellis der ehr ein relaxter und zurückhaltender Typ war, zudem gut gekleidet sein wollte und vielleicht auch ein wenig zur Gemütlichkeit neigte, passte gut zudem therapeutischen irischen Sänger mit extrem hohen Anspruch.

Van Morrison kannte sich sehr gut aus. Sein musikalischer Background war nicht nur wissend vom Rock in allen Facetten geprägt, sondern auch stark im Blues verankernd. Er hatte einen Plan. Einen Plan von Fusion, aber auf eine weiter gedachte Art, wie bei Fusionen des Funk hin zum Funkrock oder gar Jazzrock. Van Morrison dachte und sang: „That’s when I got back into it. That’s why I Called it Into the Music.“

Hört man sich die wegweisenden Alben dieser Zusammenarbeit an und achtet insbesondere auf die feinen Arrangements und (natürlich) die wunderbaren Hornsektionen, dann kniet man automatisch nieder. Schnell wird klar, weshalb Pee Wee Ellis bei dem großen, schwierigen Van Morrison eine musikalische Heimat gefunden hat.

An der Stelle sollten unbedingt zwei legendäre Aufnahmen erwähnt werden, die neben der komplexen Seite und für jeden der das hier liest und Lust dazu hat, von Ellis erster Lebenshälfte, einfacher zu entdecken und vorstellbarer wird. Auch weil beide Songs schnell in die vorhandenen Playlists Ihrer digitalen Devices geladen werden können und eigentlich thematisch überall rein passen und zudem noch für große Aufmerksamkeit in ihrem Freundeskreis sorgen werden, da diese beiden Songs mit dem ich den großen Pee Wee Ellis ehren und unvergesslich machen möchte, wahre unvergessliche emotionale Atombomben der Liebe und der Melodien sind, die dringend mal bei allen Menschen aufgefrischt werden müssen.

Tupelo Honey – Van Morrison

Das Saxophone-Solo von Pee Wee Ellis gehört wohl zu den schönsten der gesamten Musikgeschichte. Der Song ist geprägt von Spiritualität und einer sehr, sehr tiefen Liebe zum Moment und zum Leben. Die Steigerung ist dann eigentlich nur noch in der Interpretation möglich. Pee Wee Ellis beweist das hier und steigert den Moment in die Unendlichkeit und dorthin, wo ein normaler Mensch und Musikliebhaber nur noch weinen kann und jegliche Beschreibung für alles fehlen muss.

 

The Healing Game – Van Morrison

Dieser Song kommt aus den Straßen Belfasts. Dieser Song ist ein mystisches Soul-Gospel-Meisterwerk. Ein Song, einmal gehört, immer wieder aufgeführt: Bei Geburten, Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Wiedersehen, beim Verlieren, beim Gewinnen und beim Tod. Lassen Sie sich nicht täuschen! Auch weil es mindestens 100 verschiedene Versionen gibt. Oftmals ist Pee Wee nicht dabei und das Sax-Solo im ersten Teil, wird von anderen gespielt. Auch der furioseste Bläsersatz aller Zeiten im zweiten Teil wird häufig von anderen Bläsersektion gespielt, leider auch häufig ohne Pee Wee. Aber Pee Wee Ellis hat diese Countermelodie geschrieben. Leider werden Teilelemente von Songs so selten besprochen und bewertet. Insbesondere aber bei Bläserarrangements sollte dieser Respekt doch häufiger, dem Komponisten bzw. Arrangeur ausgesprochen werden. Da diese scheinbar kleinen Teile, die viele vielleicht gar nicht hören, häufig den eigentlich Song in weitere Sphären bringt. Bei The Healing Game sendet ein Mann seinen gesamten Soul und sein Leben in dieses Arrangement.

Pee Wee Ellis einer der ganz großen, wichtigen und vergessenen Musiker ist gestorben. Seine Musik wird ewig bleiben, da bin ich mir sicher. Aber leider wird er irgendwann vergessen werden. Er wird als Nebenfigur namenlos bleiben, weil es kaum noch eine schreibende Zunft gibt, die sich erst mit der Musik eines Künstlers beschäftigt hat und dann über das Leben schreibt. Es geht nur noch um die Nachricht. Um das "....ist gestorben"! Es ist schlimm, überhaupt nicht klug und nach wütendem Nachdenken einfach eine unfaire und sehr bedenkliche Entwicklung. Pee Wee Ellis wird auf unserer Seite lomax-deckard.de: Ein vergessener Held. Ich gedenke an ihn und glaube durch Menschen wie ihn an echte Magie und wahrhaftigen Soul = Seele in der Musik….und nicht an unerträgliche namenlose Playlist Zusammenstellung und falsch dargestellte Biographien von irgendwelchen Schwachköpfen, die nicht mal eine Pee Wee Ellis Nummer gehört hatten, bevor sie seinen Nachruf bei Wikipedia abgeschrieben haben. Das ist völlig verachtungswürdig. Habt bitte mehr Respekt vor der Musik und den Künstlern!

...sing it in your name! Pee Wee Ellis

Alan Lomax

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