Ina Müller & Götz Alsmann
Ich sehe extrem selten fern, eigentlich bin ich nur in meiner Nähe und sehe bis zum Tellerrand. Wenn ich wirklich Langeweile habe und nichts anderes mich interessiert, dann folgt der berühmte Druck auf die Fernbedienung. Manchmal, so wie in diesem Fall, entdecke ich in der hiesigen Fernsehlandschaft kleine Perlen. Eine meiner beliebten Sendungen schon seit Jahren sind die Talkshows im Norddeutschen Rundfunk um 22:00 Uhr, manchmal gut, manchmal langweilig, häufig aber durch die sehr skurrile Zusammenstellung der Gäste sehr unterhaltsam. Im Anschluss daran hab ich vor einigen Wochen dann die Sendung 'Inas Nacht' gesehen.
In einem kleinen grünen VW Bus fuhr die Moderatorin in Hamburg am Hafen in Richtung 'Schellfischposten', einer kleinen Kneipe direkt am Wasser, in einer sehr urbanen und interessanten Gegend im übrigen, habe mal direkt gegenüber in einem Hotel übernachtet. Aber das nur nebenbei. Mit Karacho fährt dieser Bus vor, ein Shanty Chor singt und Ina Müller stürmt in die Mini-Kneipe und los gehen 60 min Powerplay. Weder Sie noch Ihre Gäste, noch der Zuschauer kommen zur Ruhe und das ab 00:00 Uhr. Normalerweise bin ich ausserordentlich kritisch was Fernsehen betrifft, aber jedes mal kam ich nicht umhin abzuschalten oder zu zappen. Das liegt wahrscheinlich am Format dieser Sendung, welches wirklich superb, originell und irgendwie erfrischend ist im Gegensatz zu dem ganzen anderen Superstar, Volksmusik, Wetten was auch immer, Hollywood- und Topmodel-Tittenwettbewerb, Renovierwütige und Restaurantretter, sowie der ganze andere Debil-Ultra-Trash, der rund um die Uhr in diesem Kasten flimmert: es sitzen nur ganz wenige Zuschauer in der Kneipe, das Bier wird frisch gezapft und getrunken, der Chor steht draussen vor der Tür und singt hier und da und natürlich die Gäste, die wirklich aus allen Bereichen des Lebens eingeladen werden, von sich erzählen, singen, plaudern und Fragen des Mini-Publikums beantworten, welches diese auf Bierdeckeln formuliert - und da werden wirklich sehr amüsante Fragen gestellt!
Alles in allem wirkt das auf dem Schirm sehr einladend und nie langweilig, da Frau Müller die gesamte Sendung sehr charmant, einfühlsam, humorvoll und mit einem Mordstempo moderiert ohne einem auf die Nerven zu gehen, das muss man erstmal schaffen. Die Kunst dieser Sendung liegt darin, dass man als Zuschauer das Gefühl hat direkt dort zu sitzen und teilzunehmen, für eine Stunde in Hamburg im Schellfischposten zu sein. Das ist schon Kunst, Fernsehkunst. Die Spannbreite der Gäste die da geladen werden inclusive der Musiker ist enorm und sehr variabel: über Helmut Lotti, Lotto King Karl, Karl Moik, Mary Roos, Richy Müller, Kolja Kleeberg, Jan Fedder zu Olli Schulz, Erdmöbel, The BossHoss, Ruben Cossani, Tomte, Niels Frevert, MIA und anderen. Was Ina Müller mit diesen Gästen veranstaltet und wie mit Ihnen umgeht hat v.a. Stil und produziert vollkommen unverkrampft eines: Gute Laune! Nicht umsonst gab es dafür 2 Preise. Leider läuft die Sendung sehr spät in der Nacht, um 00:00 Uhr Montags, Wiederholung am Freitag zur gleichen Zeit. Aber ich kann allen wachgebliebenen und Nachteulen diese Sendung guten Gewissens empfehlen, vielleicht nicht jedermanns Geschmack was die Gäste betrifft, aber als Gesamtkonzept immer wieder beeindruckend. Famose Idee!
Die zweite Sendung, die ich neulich mit dem Zweiten im Zweiten zum zweiten mal gesehen habe ist 'Götz Alsmann Nachtmusik'. Ich muss zugeben, dass ich die Musik und CD's von Götz Alsmann nicht privat höre oder kaufe, aber eines habe ich uneingeschränkt vor diesem Mann: Respekt. Weil er zum einen über ein unglaubliches Wissen verfügt was die Musik betrifft und es blendend versteht diese Leidenschaft sehr begeisterungsfähig und sympathisch zu vermitteln. Seine Sprache, seine Sprachmelodie, die Ruhe und Souveränität sind dabei beeindruckend. Auch wenn man sich nicht für Opernarien, Lieder, Schlager oder Klassik und vieles andere interessiert, seine An-Moderationen und Ankündigungen sind sehr gewinnend, er versteht es Interesse zu wecken, auch wenn man keines empfindet. Wer kann das schon? Götz Alsmann hat eine Idee, lebt seine Vorstellung von Musik und hat vielleicht auch Visionen, die er schonungslos in die Tat umsetzt. Das ist eine Grundeinstellung die ich sehr vermisse im Fernsehen. Natürlich hat er sein Publikum, aber er schafft es auch Menschen wie mich, die sehr kritisch vielen Dingen gegenüber sind für sich zu gewinnen und das ist gerade mit seinem Konzept nicht einfach.
Um ein Beispiel zu geben: In der letzten Sendung hatte er Martin Stadtfeld eingeladen, einen Pianisten und Interpreten klassischer Musik, der durch seine Interpretationen von Johann Sebastian Bach populär wurde. Ich hatte beiläufig von Ihm gelesen, aber mich nicht weiter interessiert, denn in der Klassik wird schon seit Jahrzehnten nichts anderes gemacht, als die bekannten Werke der grossen Komponisten in allen erdenklichen Variationen "neu" zu interpretieren. Insofern ist das ganze für mich nicht produktiv und innovativ, der grossartige Moment liegt eher in der Virtuosität des "Innovativen". Nun sass dieser Martin Stadtfeld inmitten des Publikums in der Götz Alsmann Sendung am Flügel und erzählte kurz über die Eigenheiten der 'Fuge', bevor er ein Stück spielte. Ich war erstaunt und begeistert. Nicht zuletzt, da er auch Schulen (Hauptschulen) in Berlin besuchte und den Kindern dort unentgeltlich versucht klassische Musik näher zu bringen. Nicht, dass das neu wäre, aber seine bescheidene und unprätentiöse Art waren sehr angenehm dabei. Prompt wuchs meine erloschene Leidenschaft für Bach neu und 'Fantasia und Fugue in A Minor, BWV 944' wurde sofort geladen. Unfassbar, wie er spielt und spielen kann, aber auch unfassbar die grandiose Kunst eines Bach nach Jahren wieder einmal zu hören. Kein Wunder, dass Jazz-Musiker JSB zu schätzen wissen! Ich glaube ich werde heute noch Glenn Gould auflegen - Alsmann sein Dank!
Daneben traten dann auch die Wise Guys und Jesse Norman auf, beides absolut nicht mein Fall, aber es gibt nun mal Menschen die diese Musiker mögen. Darum geht es aber nicht, sondern ich empfinde es als wohltuend, dass es noch immer Menschen im Fernsehen gibt, die es verstehen Ihre Ideale zu formulieren, Ihre Leidenschaften zu präsentieren und damit Menschen wie mich zu motivieren. Und das im Fernsehen, hätte ich nie für möglich gehalten.
Eines wäre noch zu wünschen: Dass diese Sendungen zur Prime Time laufen würden. Aber die sind reserviert für Bauern, Fernsehkrimis, Super-Ultra-Mega-Giga Stars, Köche, Schuldner, Restaurantbesitzer, Nannys und andere Idioten.
Was bestimmt eigentlich was: Das Angebot die Nachfrage oder umgekehrt?
Wir haben es in unseren Händen, oder besser gesagt im Zeigefinger.
Aus der 2. Reihe,
R.D.
Bildquelle: Copyright NDR Fernsehen und ZDF, www.bach-cantatas.com
In einem kleinen grünen VW Bus fuhr die Moderatorin in Hamburg am Hafen in Richtung 'Schellfischposten', einer kleinen Kneipe direkt am Wasser, in einer sehr urbanen und interessanten Gegend im übrigen, habe mal direkt gegenüber in einem Hotel übernachtet. Aber das nur nebenbei. Mit Karacho fährt dieser Bus vor, ein Shanty Chor singt und Ina Müller stürmt in die Mini-Kneipe und los gehen 60 min Powerplay. Weder Sie noch Ihre Gäste, noch der Zuschauer kommen zur Ruhe und das ab 00:00 Uhr. Normalerweise bin ich ausserordentlich kritisch was Fernsehen betrifft, aber jedes mal kam ich nicht umhin abzuschalten oder zu zappen. Das liegt wahrscheinlich am Format dieser Sendung, welches wirklich superb, originell und irgendwie erfrischend ist im Gegensatz zu dem ganzen anderen Superstar, Volksmusik, Wetten was auch immer, Hollywood- und Topmodel-Tittenwettbewerb, Renovierwütige und Restaurantretter, sowie der ganze andere Debil-Ultra-Trash, der rund um die Uhr in diesem Kasten flimmert: es sitzen nur ganz wenige Zuschauer in der Kneipe, das Bier wird frisch gezapft und getrunken, der Chor steht draussen vor der Tür und singt hier und da und natürlich die Gäste, die wirklich aus allen Bereichen des Lebens eingeladen werden, von sich erzählen, singen, plaudern und Fragen des Mini-Publikums beantworten, welches diese auf Bierdeckeln formuliert - und da werden wirklich sehr amüsante Fragen gestellt!
Alles in allem wirkt das auf dem Schirm sehr einladend und nie langweilig, da Frau Müller die gesamte Sendung sehr charmant, einfühlsam, humorvoll und mit einem Mordstempo moderiert ohne einem auf die Nerven zu gehen, das muss man erstmal schaffen. Die Kunst dieser Sendung liegt darin, dass man als Zuschauer das Gefühl hat direkt dort zu sitzen und teilzunehmen, für eine Stunde in Hamburg im Schellfischposten zu sein. Das ist schon Kunst, Fernsehkunst. Die Spannbreite der Gäste die da geladen werden inclusive der Musiker ist enorm und sehr variabel: über Helmut Lotti, Lotto King Karl, Karl Moik, Mary Roos, Richy Müller, Kolja Kleeberg, Jan Fedder zu Olli Schulz, Erdmöbel, The BossHoss, Ruben Cossani, Tomte, Niels Frevert, MIA und anderen. Was Ina Müller mit diesen Gästen veranstaltet und wie mit Ihnen umgeht hat v.a. Stil und produziert vollkommen unverkrampft eines: Gute Laune! Nicht umsonst gab es dafür 2 Preise. Leider läuft die Sendung sehr spät in der Nacht, um 00:00 Uhr Montags, Wiederholung am Freitag zur gleichen Zeit. Aber ich kann allen wachgebliebenen und Nachteulen diese Sendung guten Gewissens empfehlen, vielleicht nicht jedermanns Geschmack was die Gäste betrifft, aber als Gesamtkonzept immer wieder beeindruckend. Famose Idee!
Die zweite Sendung, die ich neulich mit dem Zweiten im Zweiten zum zweiten mal gesehen habe ist 'Götz Alsmann Nachtmusik'. Ich muss zugeben, dass ich die Musik und CD's von Götz Alsmann nicht privat höre oder kaufe, aber eines habe ich uneingeschränkt vor diesem Mann: Respekt. Weil er zum einen über ein unglaubliches Wissen verfügt was die Musik betrifft und es blendend versteht diese Leidenschaft sehr begeisterungsfähig und sympathisch zu vermitteln. Seine Sprache, seine Sprachmelodie, die Ruhe und Souveränität sind dabei beeindruckend. Auch wenn man sich nicht für Opernarien, Lieder, Schlager oder Klassik und vieles andere interessiert, seine An-Moderationen und Ankündigungen sind sehr gewinnend, er versteht es Interesse zu wecken, auch wenn man keines empfindet. Wer kann das schon? Götz Alsmann hat eine Idee, lebt seine Vorstellung von Musik und hat vielleicht auch Visionen, die er schonungslos in die Tat umsetzt. Das ist eine Grundeinstellung die ich sehr vermisse im Fernsehen. Natürlich hat er sein Publikum, aber er schafft es auch Menschen wie mich, die sehr kritisch vielen Dingen gegenüber sind für sich zu gewinnen und das ist gerade mit seinem Konzept nicht einfach.
Um ein Beispiel zu geben: In der letzten Sendung hatte er Martin Stadtfeld eingeladen, einen Pianisten und Interpreten klassischer Musik, der durch seine Interpretationen von Johann Sebastian Bach populär wurde. Ich hatte beiläufig von Ihm gelesen, aber mich nicht weiter interessiert, denn in der Klassik wird schon seit Jahrzehnten nichts anderes gemacht, als die bekannten Werke der grossen Komponisten in allen erdenklichen Variationen "neu" zu interpretieren. Insofern ist das ganze für mich nicht produktiv und innovativ, der grossartige Moment liegt eher in der Virtuosität des "Innovativen". Nun sass dieser Martin Stadtfeld inmitten des Publikums in der Götz Alsmann Sendung am Flügel und erzählte kurz über die Eigenheiten der 'Fuge', bevor er ein Stück spielte. Ich war erstaunt und begeistert. Nicht zuletzt, da er auch Schulen (Hauptschulen) in Berlin besuchte und den Kindern dort unentgeltlich versucht klassische Musik näher zu bringen. Nicht, dass das neu wäre, aber seine bescheidene und unprätentiöse Art waren sehr angenehm dabei. Prompt wuchs meine erloschene Leidenschaft für Bach neu und 'Fantasia und Fugue in A Minor, BWV 944' wurde sofort geladen. Unfassbar, wie er spielt und spielen kann, aber auch unfassbar die grandiose Kunst eines Bach nach Jahren wieder einmal zu hören. Kein Wunder, dass Jazz-Musiker JSB zu schätzen wissen! Ich glaube ich werde heute noch Glenn Gould auflegen - Alsmann sein Dank!
Daneben traten dann auch die Wise Guys und Jesse Norman auf, beides absolut nicht mein Fall, aber es gibt nun mal Menschen die diese Musiker mögen. Darum geht es aber nicht, sondern ich empfinde es als wohltuend, dass es noch immer Menschen im Fernsehen gibt, die es verstehen Ihre Ideale zu formulieren, Ihre Leidenschaften zu präsentieren und damit Menschen wie mich zu motivieren. Und das im Fernsehen, hätte ich nie für möglich gehalten.
Eines wäre noch zu wünschen: Dass diese Sendungen zur Prime Time laufen würden. Aber die sind reserviert für Bauern, Fernsehkrimis, Super-Ultra-Mega-Giga Stars, Köche, Schuldner, Restaurantbesitzer, Nannys und andere Idioten.
Was bestimmt eigentlich was: Das Angebot die Nachfrage oder umgekehrt?
Wir haben es in unseren Händen, oder besser gesagt im Zeigefinger.
Aus der 2. Reihe,
R.D.
Bildquelle: Copyright NDR Fernsehen und ZDF, www.bach-cantatas.com
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