The Crown (Fernsehserie) – Peter Morgan
Die erste Staffel der Serie wurde bereits 2016 (Netflix) gezeigt. Die derzeit fünfte Staffel (ebenfalls Netflix) spielt bereits in den 90ern. Die letzte Staffel wird sich dann bis in die Gegenwart bzw. Zukunft bewegen. Die britische Fernsehserie widmet sich dem Leben der britischen Königin Elisabeth II.
Im folgenden Text, möchte ich versuche zu erklären, weshalb es wichtig ist, die Geschichte des Königshauses so zu erzählen, wie sie erzählt wird.
Zunächst: The Crown ist mit einem Produktionsbudget von knapp 300 Millionen US-Dollar eine der teuersten Serien aller Zeiten. Der Zuschauer wird mitgenommen auf eine Zeitreise von über 100 Jahre und in jede weltweite Nische des Britischen Empire bzw. Commonwealth geschossen. Jede Sequenz ist opulent ausgestattet. Und wenn wir von den Regeln des epischen Kinos sprechen; …hier wird auf die Erhabenheit und Größe geachtet. Ansonsten würde die hohe Glaubwürdigkeit des Kintopps auch nicht funktionieren.
Historisch gesehen erzählt Peter Morgan die Geschichte so nahe an der Wirklichkeit wie möglich. Allerdings ist seine Entscheidung und die ihm gewährte Freiheit der Produzenten, sie dennoch so frei wie nötig zu erzählen, ein sehr wichtiger dramaturgischer Puzzlestein. Denn um ehrlich zu sein: Das historische Geschehen um Prinz Philip und Queen Elizabeth II. ist nichts Anderes als eine Soap-Opera. Also das serielle Unterhaltungsformat schlecht weg. Die dauerhaften Themen: Freundschaft, Liebe, Verwandtschaft, Drama mit trivialen Erzählmuster. Und genau hier bleiben die Show-Runner konservativer als es Elizabeth II. jemals war. Abgesehen von den Werbeblöcken, halten sie sich nämlich an Erzähltempo, -zeit und den offenen Handlungsverlauf. Sogar auf den Cliffhanger und auf „overhearing situations“ werden nicht verzichtet.
Geschichtslehrer, Könighauspuristen und –gelehrte, Verehrer der Monarchie und des Prince of Wales (…) wird der tägliche Earl Grey hochkommen insbesondere bei der aktuellen fünften Staffel, die in den 90 Jahren spielt, in der nicht nur für das Königshaus und die Monarchie eine Zeitwende anstand. Morgan hat in den ersten vier Staffel noch versucht, eine Art von Balance, zwischen Fakten und Fiktion hin zu bekommen. Hat diese steife Vorgabe bzw. Dogma längst verlassen und stellt die Sensationslust vor die historische Genauigkeit.
All das kann zu recht in Frage gestellt werden, vor allem, falls Sie noch keine persönliche Entscheidung getroffen, sich dem Epos hinzugeben. Ich bin aber der Meinung, dass die Wahl weg von der Chronik, hin zur Soap, insbesondere nach den ersten drei Staffeln und dem damit gezeigten Zeitkolorit (und der abgerückten Schnelligkeit, unserer heutigen Zeit) sehr gut funktioniert.
So ist insbesondere die Ingredienz und Nebengeschichte, die den Aufstieg der Familie Mohamed Al-Fayed zeigt, höchst amüsant und in gewisser Weise, auch absolut relevant und als Racheakt zu verstehen, wenn wir mal die Geschichtsbücher aufschlagen und die Britische Herrschaft in Ägypten betrachten. Ich könnte mir vorstellen, dass einige Wahhabiten, einen heutigen Lachanfall bekommen würden, wenn wir Ihnen die Geschichte von Diana und Dodi und dem damit verbundenen (fast-) Verfall der Monarchie, erzählen würden.
Ein sehr guter Freund sagte kürzlich zu mir, dass er sich diese Serie nicht ansehen kann, da er die Monarchie verabscheue und sich nicht das Leben von Tyrannen, die über Generationen hinweg Menschen unterdrückt haben zum eigene Wohl ansehen kann.
Das ist natürlich eine recht skrupellose (im Sinne von wenig empathisch) Aussage. Mir fällt dazu das Bild der berühmten drei Affen ein. „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“. In Japan haben diese drei Affen die Bedeutung „über Schlechtes, weise hinwegsehen“ und da ich diesen Freund sehr schätze, möchte ich gerne das Wort „weise“ unterstreichen. Eine weitere Interpretation ist aber auch: „alles Schlechte nicht wahrhaben wollen“. Ich glaube es handelt sich hierbei, um die westliche Sichtweise. Und es gibt noch einen vierten Affen (wie praktisch), der in diese Paraphase hier sehr gut reinpasst: Das vierte Äffchen hat ein schmitztes Lächeln und signalisiert einfach nur: „Have fun“.
Ich habe lange über die Anti-Haltung, sich die Serie The Crown nicht anzusehen nachgedacht. Und natürlich, eigentlich muss ich mich hier nicht erklären, aber das britische Weltreich hat ebenso wie alle andere Imperien, Menschen unterdrückt, ihnen die Freiheit beraubt. Insbesondere der anfänglich, vielleicht sogar gut gemeinte Wirtschaftskolonialismus in Indien, hat sich schnell auf dem Subkontinent ausgebreitet und das Land und die Menschen geschunden.
Der moralische Verfall, weil die Aufrechterhaltung zu teuer wurde fand sein Ende in den späten 40-Jahren. Dennoch gibt es noch Gebiete, die noch heute, unter der Kontrolle “UK“ stehen. Ebenso gibt es noch immer die Monarchie. Obwohl die Queen gestorben ist und ein moralischer Werteverfall in den letzten Jahren, zumindest aus Sicht der Tories, auch im Königshaus stattgefunden hat.
Wie bei vielen möglichen Sujets und Geschichten für das serielle Erzählen oder dem Kino, müssen wir uns mit dem Schlechtem auseinandersetzen. Die schroffe Satire oder das Slapstick artige persiflieren von Diktatoren und Obrigkeiten, funktionioniert nicht mehr so wie noch vor einigen Jahrzehnten.
Die Zuschauer*innen solcher Stoffe sind anspruchsvoller geworden, Studentenkinos mit drei Monty Python Filmen hintereinander gibt es nicht mehr. Zuschauer*innen hinterfragen mehr, fordern zwar häufig eine schwarz / weiß Sicht, eine Vereinfachung von Sachverhalten und eine Zerlegung des Komplexen, hin zu nachvollziehbaren Bausteinen, aber sie Fragen und Beschweren sich mehr.
Und genau das ist ein weiterer schlauer Zug und Entgegenkommen, der Serie THE CROWNE für die zahlende Netflix-Gesellschaft. Sie erzählt vom schlechtem, vom absurden, vom unerträglichen, ohne die Protagonisten als Idioten darzustellen oder eben das Mittel zum Zweck den direkten Zeigefinger zu nehmen und zu sagen: Du bist Königin Du bist eitel und Du bist Prinz und impertinent. Es wäre langweilig so vorzugehen. Denn natürlich sind diese Menschen das! Sie sind eitel und impertinent. Und sie sind weltfremd und ängstlich! Und das macht sie gefährlich, wenn sie die Macht hätten, die sie zum Glück nicht haben, da sie zur Neutralität verpflichtet sind.
Ich bin ein Freund des Streitbaren. England ist ein wunderbares Land, welches ich auch aus kulturellen Gründen liebe. Paradoxer Weise entsteht in der Geschichte häufig aus etwas Schlechtem, etwas Gutes. Die politkulturelle Kraft der britischen Krone ist dabei nicht zu unterschätzen. Und bitte, ich komme aus der Punkkultur und werde niemals Royalist!
Nun kann man THE CROWNE kitschig finden oder unnötig oder eben verabscheuungswürdig. Was bleibt ist der Kern der Serie, der einfach gut ist.
Ich bin verliebt in Geschichte(n) und ich liebe es mir persönliche Begegnungen von historischen Persönlichkeiten anzusehen oder vorzustellen. Neben dem epischen Bombast, den unfassbar guten Schauspielern, die häufig über die Ähnlichkeit der Protagonisten gestellt werden, z. B. Imelda Stanton, die der Queen null oder Dominic West der Charles minus zehn, ähnlich, sehen, bis hin zu den kleinen, meist sehr amüsanten Nebengeschichten, die Royals einfach nur als das darstellen, was sie sind: dumm (Episode: Die Truthahnjagd), sind es die staatstragenden Begegnungen die noch explizid erwähnt werden müssen. Insbesondere die Treffen von Queen Elizabeth II mit den jeweiligen amtierenden Premierministern und –ministerin. Also von Winston Churchill bis zu Liz Truss.
Diese Treffen hätten alleine das Potenzial für 15 einzelne Episoden. Denn diese Treffen waren natürlich einerseits immer ein Prüfstein, der jeweiligen Regierung und dem Königshaus und diese Treffen waren auch immer getragen von Sympathie und Anti-Sympathie. Und hier entscheidet sich wohl auch im wesentlichen, die zentrale politische Haltung des Zuschauers. Aber vielleicht auch eine gewisse, eigene Fähigkeit des Interesses zur Fähigkeit zu zuhören, auch wenn man bereits, die Stellung, einer tragenden Funktion, als Politiker*in, inne hat.
Denn die Frage, wie würde man sich selbst verhalten, z. b. als Sozialdemokrat oder Gegner des Commonwealth, wenn man der Königin bzw. der Chefin des Commonwealth mit allen Hofprotokollen gegenübertritt, ist absolut berechtigt.
Winston Churchill z. B. verachtete die erst 25-jährige neue Königin, war aber bescheiden genug (und ein wenig verliebt) um dem eigenen Urteil zu widersprechen.
Besonders interessant sind die Treffen mit Margaret Thatcher, John Major und Tony Blair (wobei hier besonders Blairs Frau sympathisch wirkt, da sie der Queen den Hofknicks verweigert hat).
Letztendlich wird die Frage nach der Existenzberechtigung der Monarchie bleiben. Diese Serie hat Macht und mit dem Tod der Queen, der kommenden Krönung, den Boulevard Geschichten um Harry und Meghan, der Gesichte des langweiligen William, gibt es weiteres Seifenopernpotenzial und die Frage, ob so ein Format die Kraft hat eine Gesellschaftspolitische Stimmung zu beeinflussen und vielleicht sogar anzuheizen? Das wäre mal was! So wird aus dem bösen was gutes. Oder aus Unterhaltung, wird ernst!
"I say, Charles, don't you ever crave
To appear on the front of the Daily Mail
Dressed in your Mother's bridal veil?" Ooh, ooh, ooh
And so I checked all the registered historical facts
And I was shocked into shame to discover
How I'm the 18th pale descendant of some old queen or other
(The Queen Is Dead, The Smith)
Aus Balmoral
Alan Lomax