Die Nerds von damals: Die Helden von heute?

von Alan Lomax und Rick Deckard  -  3. Mai 2009, 21:40  -  #Kommunikation

Lomax und ich unterhielten uns vor kurzem Offline, angeregt durch einen Artikel auf Spiegel-Online in Zusammenhang mit 'The Whitest Boy Alive', was wohl aus den Nerds von damals geworden ist. Damals bezieht sich auf die Schulzeiten. Jeder kennt diese Typen, die mit Ihren Stoffelefanten 'Eli und Elu' auf Klassenfahrt fuhren, die Strassenbahnen in der ganzen Stadt fotografierten und katalogisierten, Schlümpfe sammelten oder aber Comics lasen. Ich habe auch Comics gelesen und lese sie heute noch, aber dazu in einem anderen, demnächst erscheinenden Beitrag.

In der altehrwürdigen Buslinie Nr. 35 in Hannover wurden die Schüler der Orientierungsstufe Nackenberg nach Hause befördert. Die Alpha Tiere unter diesen sammelten Geldbeträge unter den Mitschülern, wieder andere machten Hausaufgaben, einige träumten von einem besseren Leben und eine ganz andere Gruppe wiederum, vielmehr ein einzelner mit Namen Roman P. saß immer ganz hinten und las Comics, ausschließlich die mit dem Herren da oben, genannt 'Aquaman', einem Helden aus dem amerikanischen Comic Verlag DC Comics. Keine Pause, keine Busfahrt in der nicht der neueste Band verschlungen wurde. So etwas fällt dem Pulk natürlich auf, so dass Roman P. folgerichtig seinen Spitznamen weg hatte: Aquaman. Ich erinnere mich Ihn gefragt zu haben, was an ihm denn so besonderes wäre. Als Folge hatte ich nächsten Tag 2 Comics in der Hand. Roman P. war kein Looser, auch nicht dumm, sondern eben einer dieser Aussenseiter in der Schule, den keiner ernst nahm. Rein äußerlich erinnerte er mich immer an Dschingis aus Hark Bohm's Klassiker 'Nordsee ist Mordsee'. Immer eine Jeansjacke um die Schultern, eine gepflegte Rotzbremse und eine Umhängetasche um die Schultern, die diese Brausepulver-Generation jetzt immer bei Konzerten zu zeigen pflegt. Auch sonst war er ein entspannter, höflicher und ruhiger Zeitgenosse, der im Gegensatz zu allen anderen aber seinen Geha Füllfederhalter mit türkisfarbener Tinte bestückte.

Nun sind solche Typen für die breite Masse meist sonderbar und fremd und alles was fremd ist, wird von der Spezies Mensch erstmal als gefährlich und Bedrohung eingestuft. Ich war damals in einer 'Gang of Four', mit meinem damaligen Schulfreund Stefan W., einem leidenschaftlichen Fussballer und zivilisiertem Rowdy, einem Mitbürger aus Peru, gennant 'Der Indianer' und einem Israeli, dessen Vater ein zwielichtiges Geschäft in einem bekannten Hannoveraner Viertel besaß, was er immer zu leugnen suchte. Eines Tages musste mein Vater zur Rektorin, weil S.W. unserer Klassenlehrerin H. von Hinden in den Allerwertesten trat (kein Scherz) und ich lachend daneben stand. Das ganze endete in einer Staatsaffäre mit der Folge, dass mir der schulische Sparbuch-Verwalter Ottmar O. für 3 Monate einen Zugriff auf mein Erspartes verwehren musste.

Doch zurück zum Thema: Eines Tages kam es zur Eskalation, da einer der fantastischen Vier sich über Roman P. und seine Vorliebe zum Titelhelden lustig machte. P. verschenkte keine Miene und schenkte dem auch keine Aufmerksamkeit. Aber wie im besten Italo Western wurde einer der Alpha Halunken auf die Szene aufmerksam, verstaute seine Münzen und kam herbei. Ein Wort gab das andere und P. wurde sauer. Wie man weiß reagieren diese Nerds sehr empfindlich auf Kritik. Als der Bus an unserer Haltestelle stoppte stiegen wir alle aus und nachfolgend wurden wir Zeuge eines der besten Fights aller Zeiten.

Sascha Z. das Alphatier gegen Aquaman das Wassertier: Roman P. liess zunächst einige Beleidigungen über sich ergehen und als Sascha Z. mit einer ungelenken und vorhersehbaren Angriffsaktion ausholte bekam er in bester Jackie Chan Manier (Drehkick) erstmal eine verpasst. Alle Achtung! Ein Pulk sammelte sich um die Kämpfenden und beide Akteure liessen keine Gnade walten. Nach mehreren halsbrecherischen Aktionen besiegte Roman P. seinen Kontrahenten und hatte in der Folgezeit seine Ruhe. Selbst die Postbeamten von gegenüber schauten zu, mampften Ihre Stulle und genossen die Mittagspause. Am nächsten Tag verschwendete er jedoch nicht ein einziges Wort über diese 'Mutter aller Comic Kämpfe', sondern schrieb weiterhin in Türkis und las weiterhin in der letzten Reihe seine Comics.

Nach der Orientierungsstufe sah ich Ihn nie wieder. Was wohl aus Ihm geworden ist? Besitzt er einen Fussballclub auf der Insel, sitzt er im Aufsichtsrat bei Gazprom oder arbeitet er als plastischer Chirurg in Warschau? Leider werde ich es nie erfahren.

Lomax ist der Meinung, das diese Nerds von damals im Gegensatz zu den Aufschneidern es zu etwas im Leben gebracht haben und das eines sie gekennzeichnet hat, was die Rudelführer nicht besassen: Wahre Leidenschaft für etwas von Anfang an.

Ich glaube er hat Recht.

Der 'Spiegel' ist der Meinung, dass die Nerds von damals die Helden von heute sind. Dem muss ich zustimmen, wenn ich meine Umgebung und die Menschen aufmerksam beobachte. 

Euer
Non Emotionally Responding Dude,

R.D.


Bildquelle: Copyright DC Comics/ AOL Time Warner 

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