James Bond 007: NO TIME TO DIE - Das Ende der Ära Daniel Craig
Es war der am effektivsten positionierte Einzeiler der Geschichte dieses Franchise: Als Daniel Craig am Ende von CASINO ROYALE Mr. White am Boden liegend mitteilt, wer er ist:
"Mein Name ist Bond. James Bond."
Mit NO TIME TO DIE geht die Ära des Daniel Craig als James Bond 007 zu Ende und es zeichnete sich bereits bei SKYFALL ab, dass die Produzenten gemeinsam mit Craig das Narrativ des Agenten Ihrer Majestät grundlegend geändert hatten, bei CASINO ROYALE war es bereits zu erahnen.
Wenn ich die Craig Filme Revue passieren lasse, bleibt als großer Bond Fan ein zwiespältiges Gefühl zurück. Einerseits waren die Neuerungen zu begrüßen, denn die Geschichten wurden realistischer, andererseits verloren sie mehr und mehr ihren Charme, ihre Leichtigkeit und das Augenzwinkernde Moment wie auch die feine Ironie, die die Bond Filme stets prägten. Von Film zu Film wurde die Handlung tragischer, schwermütiger, düsterer. James Bond Filme sind aber keine griechischen Tragödien, sondern unterhaltsame Actionthriller mit einer gehörigen Portion Ironie.
Timothy Dalton hatte bereits begonnen den Secret Service Agenten näher an Ian Fleming zu rücken und die Geschichten von ihrem albernen Ballast zu befreien. Doch er scheiterte krachend, weil LICENCE TO KILL so gar nichts mehr mit Bond gemein hatte. Am Ende blieb ein gut inszenierter Actionfilm.
Diesen Fehler vermieden die Produzenten mit Craig sehr geschickt, weil sie mit den Autoren in der Lage waren, die Balance zwischen Bewahren und Erneuern zu halten. Dass die Tage eines Sean Connery und Roger Moore Geschichte sind ist unumstößlich, jedoch wird einem am Ende immer wieder bewusst, dass diese beiden Herren die bislang besten und elegantesten Verkörperungen des Geheimagenten waren und das nicht nur, weil ich mit ihnen aufgewachsen bin!
Es will schon was heißen und das Zitat von Craig, eher würde er sich die Pulsadern aufschneiden, als wieder James Bond zu spielen, ist vielsagend und in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Denn es es lässt die Identität mit dem fiktiven Charakter missen. Scheinbar waren 50 Millionen Pfund 50 Millionen gute Gründe für Daniel Craig nochmals die Rolle zu übernehmen.
Ich bin ein sehr großer James Bond Fan. Ich liebe diesen Charakter und ich liebe alle Filme aus diesem Franchise. Als das MGM Logo heute die Leinwand füllte, hörte ich sie, die berühmte Melodie, die zusammen mit der Gun Barrel Sequence ertönt. Gänsehaut und ein breites Grinsen! Bond is back!
Die Pre-Title-Sequence von NO TIME TO DIE ist eine der besten des Franchise. Furios inszeniert mit einem perfekten Timing und exzellentem Schnitt. Sie wird lange in Erinnerung bleiben. Regisseur Fukunaga beweist ein unglaubliches Talent für Spannungsbogen, Dramatik und effektvolle Inszenierung.
Der Bond Song ist, wie auch fast alle Songs der Post-Moore Ära, zum Vergessen, leider, denn auch die stets von prominenten Künstlern vorgetragenen Songs waren eine unverkennbare Signatur des Franchise, gerade in Zeiten eines John Barry (Komponist früherer Bond Filme). Hans Zimmer überrascht mit einem zwar nicht sonderlich überragenden, aber dennoch soliden Score mit vielen Reminiszenzen an ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE. Es war eine Freude diese Melodien im Kino zu hören.
NO TIME TO DIE ist kein Thriller, eher ein Kriminalfilm mit vielen gut inszenierten Actionszenen. Die erzählerische Linie wurde seit CASINO ROYALE konsequent weitergeführt und zu Ende erzählt. Fukunaga und seine Autoren Purvis, Wade und Waller-Bridge schaffen es, in den ersten zwei Dritteln des Films Hochspannung zu erzeugen. Man ist gefesselt.
Und an dieser Stelle muss ich eine Zäsur machen, denn mir ist und war die Geschichte, die große Erzählung des "Daniel Craig" zu viel persönliche Geschichte und zu wenig "Bond". Die Idee der Vergangenheit Respekt zu zollen und zeitgleich den Charakter des James Bond in das neue Millennium zu führen war gut, aber es nahm Überhand. Im Finale von SKYFALL wurde es auf die Spitze getrieben und man spürt auch von Beginn an in diesem, bisweilen für einen James Bond sehr düsteren Film, dass es rigoros weitererzählt wird. Das Prinzip dieser Filme erinnert an das Storytelling bei Serien.
Diese Art des Geschichten erzählen ist stilbildend für die heutige Zeit und man beobachtet das auch in vielen anderen Formaten, wie zum Beispiel auch im Tatort, um es auf das Fernsehen herunter zu brechen, dass die Lebensgeschichten der Protagonisten immer mehr Einzug in die Handlung finden. Aber will ich das sehen? Will ich das als James Bond Fan sehen? Für mich muss ich diese Frage mit einem klaren "Nein!" beantworten.
Nach der brillant erzählten (und bisweilen sehr schön fotografierten) ersten Hälfte von NO TIME TO DIE, mit einer im Übrigen hervorragend inszenierten Action-Szene auf Cuba, mit einer noch bezaubernderen Ana de Armas, wird die zweite Hälfte absurd und am Ende unerträglich pathetisch. Albern. Ich fühlte mich bestätigt, dass in der Ära Craig 007 lediglich als Aufhänger benutzt wurde, um eine epische Geschichte zu erzählen. Dass da stetig der Vergangenheit des Franchise respektvoll gehuldigt wurde, verkommt angesichts des Endes zum schlechten Witz. Ich zumindest war bitter enttäuscht. Der Mythos Bond wird regelrecht pulverisiert.
Enttäuscht war ich auch von Rami Maleks Darstellung des Widersachers Lyutsifer (!) Safin. Seine Performance ist furchtbar gestelzt und im Finale gar unfreiwillig komisch. Dabei ist seine Einführung im Film als Bösewicht äusserst gelungen. Alle anderen schauspielerischen Leistungen sind gut. Bei Ralph Fiennes hat man gelegentlich das Gefühl, dass ihm die ganze Zeit Unwohl angesichts der Geschichte ist. Kein Wunder, denn auch in diesem Film tun sich bisweilen Logiklöcher auf, an denen man die Schwäche des Drehbuchs erkennt. Es bleiben viele Fragen offen und so ganz schlüssig wirkt das alles am Ende nicht. Das kommt davon, wenn man einen Schauspieler zwingt wegen der zu erwartenden Rendite eine Rolle zu übernehmen, die er nicht mehr spielen wollte. Ein Film nach dem Baukasten-Prinzip.
Entzieht man NO TIME TO DIE (wie auch allen anderen Craig Filmen) das 007 Logo, die berühmten Melodien und Verbeugungen vor der Historie, dann bleibt als Resümee: Spannende Actionfilme. Diese Filme haben aber mit "James Bond" kaum noch etwas gemeinsam. Das Ende der Ära Craig mit NO TIME TO DIE ist ein unwürdiger Abschluss des Franchise, der eine (zugegeben) interessante und schöne Geschichte zu Ende erzählt, aber mit "James Bond" im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun hat.
Es ist eine Erleichterung: Am Ende eines jeden Films erscheint er, der Satz: James Bond kehrt zurück. Ich hoffe sehr bald und mit einem Secret Service Agenten, der die Fäden dort aufnimmt, wo Connery und Moore sie losgelassen hatten. Eine Mischung aus beiden Zeiten würde den Filmen wieder gut tun. Mr. Craig war mir einfach zu grimmig.
Keine Zeit zu warten.
Mit Hoffnung für die Zukunft.
Rick Deckard