Das Gamendambit - Netflix: Gründe, warum die Serie so erfolgreich war

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  22. Mai 2021, 16:06  -  #Fernsehen

Das Gamendambit - Netflix: Gründe, warum die Serie so erfolgreich war

Über den Erfolg dieser Serie war ich erstaunt und habe versucht in Erfahrung zu bringen, weshalb so viele Abonnenten bei Netflix sie gesehen haben. Überrascht war ich deswegen, weil hier eine klassische "old school" Geschichte mit den Mitteln der "alten Schule" erzählt wird. Wie kommt es, dass sich Menschen für eine Erzählung dieser Machart begeistern konnten? Ist es der Corona-Pandemie geschuldet? Hatten die Menschen mehr Zeit, sich mit dem Streaming Angebot zu beschäftigen? War die Geschichte interessant?

Recherchen im Umfeld jüngerer Menschen, um in Erfahrung zu bringen, wie es dazu gekommen war, dass sie sich diese Serie angesehen haben, ergab, dass sie durch Hinweise in sozialen Netzwerken auf DAS DAMENGAMBIT aufmerksam wurden. Es soll u.a. eine "Mime-Seite" gegeben haben, in der auf sie aufmerksam gemacht wurde. Das Interesse wurde dort geweckt und daraufhin fassten einige den Entschluss, die Serie zu sehen. Was denn in Erinnerung geblieben sei, wollte ich wissen. Es waren die Geschichte, der Charakter und Schach, so teilte man mir mit.

Es ist unmöglich vorauszusagen, ob, was, wann, warum Menschen gefällt. Könnte man das vorhersagen, so könnten die Studios oder Streaming Anbieter einen Hit nach dem anderen produzieren. Es gibt diese Formel aber nicht.

Warum dieser Vorlauf? Weil ich versucht habe nachzuvollziehen, warum Menschen die eine Serie, den einen Film bevorzugen, die andere, den anderen nicht? Um diese Fragen zu beantworten, müssten man eine wissenschaftliche Untersuchung durchführen. Dazu fehlt das Wissen, das Instrumentarium, das Know-How, also kann ich lediglich Ausführungen dazu machen, was meine Motivation war, wie mir die Serie gefallen hat.

Motivation: Neugier auf sehr gute Serien und Filme.

Wie sie mir gefallen hat? Gut.

Zur Motivation muss man voranstellen: In der derzeitigen Unterhaltungs"kultur", besser -Industrie (Filme, Serien, Musik), wird man zugemüllt. Ich benutze absichtlich den Begriff "Müll", weil das meiste Müll ist.

Früher (letztes Jahrhundert) besaßen Filme und Musik einen gewissen Wert und erfuhren auch eine Wertschätzung. Ein Musiker z.B., ein Sänger, eine Band waren etwas besonderes, etwas einzigartiges. Ihre Arbeit wurde geschätzt und entsprechend honoriert. Ich habe gerne und bewusst Geld ausgegeben, um eine Platte oder eine CD zu erwerben, einen Film im Kino zu sehen. Die Wertschätzung war gross. Sie war auch deswegen so gross, weil es nur wenige von Ihnen gab. Echte Musiker. Echte Künstler. 

Heute ist jeder Musiker, Regisseur, Künstler. Heute gibt es alles im Überfluss und mit dem Überfluss kommt auch die Inflation. Kaum etwas in der Unterhaltungskultur hat noch (bleibenden) Wert. Wenn es Gold in Unmengen gäbe, hätte es keinen Wert mehr.

Also in diesem Überfluss eine qualitativ "hochwertige" Serie zu finden, die nicht dominiert ist von Pornografie, Gewalt und schlechtem Storytelling, das ist eine Seltenheit. DAS DAMENGAMBIT bietet das Gegenteil: Eine interessante Geschichte, gute schauspielerische Leistungen und (mit einigen kleinen Ausnahmen) eine hochwertige Produktion. Merkwürdigerweise wurden viele Menschen als Folge der Serie motiviert, Schach zu lernen oder zu spielen, was bei mir, der ich gerne Schach spiele, nicht der Fall war. Der Sport wurde sehr unattraktiv präsentiert.

Was mich fasziniert hat, war die Präsentation der Aura der Sixties. Das Setdesign der Miniserie war hervorragend. Mir grosser Akribie (und nicht immer gelungenen Special Effects) wurde dieses Jahrzehnt zum Leben erweckt. Die Drinks, die Bars, die Hotels, die Häuser, die Musik, die Kleidung, all das hat großen Stil und war wahrscheinlich unbewusst der Motor, die Handlung weiter zu verfolgen. 

Einen sehr grossen Anteil daran hat auch die Schauspielerin Anya Taylor-Joy, die den Charakter der Elizabeth Harmon (sprechen Sie den Nachnamen bitte wörtlich aus), mit viel Einfühlungsvermögen zum Leben erweckt, wenn auch hier und dort die Körpersprache nicht ganz so perfekt war, wie das übrige gelungene Schauspiel.

Serien dieser Art sind auch eine Reise in vergangene Zeiten, in Zeiten, in denen das Leben auch ohne das Internet sehr gut funktioniert hat. Das noch einmal vor Augen geführt zu bekommen, war ein weiterer Anreiz die Handlung bis zum Ende zu verfolgen. 

And last but not least, um einen Anglizismus zu bemühen, liegt ein wesentlicher Ursachenbeitrag in dem Erfolg der Serie darin, dass es sich um eine Miniserie handelt. Nach einer überschaubaren Zeit ist Schluss. Keine neuen unsinnigen Handlungsfäden, keine künstliche Dehnung, keine unzähligen, unnötigen neuen Charaktere. Klare Handlung mit Anfang, Mitte und gut auserzähltem Ende (besonders wichtig!).

Die Schlusssequenz, in der Elizabeth Harmon aus dem Auto steigt und inmitten dieser so ästhetischen Architektur mit toll anzusehender Kleidung eine Strasse hinuntergeht, Szenen dieser Art sind es, die Serien, Filmen etwas besonderes verleihen und somit dieser Sparte der Kultur einen Wert beimessen.

Well done.

Aus Kentucky,

Rick Deckard

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